Rund 1,8 Millionen Menschen leben in Deutschland mit Demenz – Tendenz steigend. In einer immer älter werdenden Gesellschaft ist die Erkrankung längst eine der größten medizinischen, pflegerischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Doch was wissen wir heute wirklich über Ursachen, Formen, Therapien und Prävention?
In seiner neuen zweiteiligen Dokumentation „Hirschhausen und das große Vergessen“ geht Dr. Eckart von Hirschhausen diesen Fragen auf sehr persönliche Weise nach. Der Arzt, Wissenschaftsjournalist und Moderator hat Demenz auch im eigenen Umfeld erlebt.
„Jeder von uns hat früher oder später mit Demenz zu tun – und Angst, selbst einmal zu erkranken. Fast die Hälfte der Demenzerkrankungen sind vermeidbar – warum handeln wir nicht?“
Auf Spurensuche im eigenen Kopf
Von Hirschhausen unterzieht sich im Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn selbst modernen Früherkennungstests. Dabei erfährt er, wie sich Alzheimer – die bekannteste Demenzform – schon Jahre vor den ersten Symptomen erkennen lässt. Die Forschung macht Fortschritte: Schlafqualität, pflanzenbasierte Ernährung, Bewegung und Neugierde zeigen messbaren Einfluss auf die Hirngesundheit.
Leben mit Demenz – mitten im Alltag
Die Dokumentation zeigt eindrücklich, wie unterschiedlich das Leben mit Demenz verlaufen kann. So pflegt Jutta ihren Mann Georg seit zwölf Jahren zu Hause – mit Humor, Geduld und Liebe: „Die Gefühle bleiben bis zuletzt.“
Auch Laura, 25, kümmert sich um ihre an Demenz erkrankte Mutter und hat sie in ihre WG aufgenommen.
„Ich versuche, sie so anzunehmen, wie sie jetzt ist.“
Laura
Wie gelingende Betreuung und Integration aussehen können, verdeutlicht das Beispiel des Münchner Vereins „wohlbedacht“: Hier leben Menschen mit Demenz in Wohngemeinschaften, Angehörige finden Entlastung, und Begegnung wird alltäglich gelebt – ein Modell, das Zuversicht schenkt.
Prävention: Das Gehirn fit halten
Ist Demenz unausweichlich? Von Hirschhausen trifft Forscherinnen und Forscher, die diese Vorstellung infrage stellen. Je früher man aktiv werde, desto besser. Besonders inspirierend ist die Begegnung mit Willy B., 90 Jahre alt, Teilnehmer der „Super-Ager-Studie“ an der Universität Magdeburg. Mit einem selbstentwickelten Fitnessprogramm und erstaunlicher Lebensfreude hält er Geist und Körper in Schwung.
„Der beste Weg, seine grauen Zellen frisch zu halten, ist ein buntes Leben!“, resümiert Hirschhausen – und nimmt sich vor, selbst Super-Ager zu werden.
Neue Therapien und ein Funken Hoffnung
Doch was, wenn Demenz bereits diagnostiziert wurde? Die Dokumentation begleitet Klara W. aus Köln, die als eine der ersten Patientinnen in Europa das neue Alzheimer-Medikament Lecanemab erhält. Es greift direkt in die Krankheitsprozesse im Gehirn ein. Ob sich damit die Erkrankung aufhalten lässt, bleibt offen – doch die Forschung macht Hoffnung.
Auch experimentelle Ansätze wie eine Gehirnstimulation mit 40-Hertz-Gammawellen, die am MIT in Boston untersucht wird, könnten neue Wege eröffnen. Erste Studien zeigen, dass diese Methode Gedächtnisfunktionen aktivieren kann – ein Hoffnungsschimmer für Millionen Betroffene weltweit.
Fazit: Ein Plädoyer für Wissen, Empathie und Prävention
„Hirschhausen und das große Vergessen“ ist mehr als eine Dokumentation – es ist ein Weckruf. Für mehr Aufklärung, für mutige Forschung, aber auch für eine Gesellschaft, die Menschen mit Demenz nicht vergisst.
Eckart von Hirschhausen gelingt es, Wissenschaft, Emotion und persönliche Erfahrung zu verbinden – mit Empathie, Humor und Tiefgang. Eine sehenswerte Produktion über das, was uns alle angeht: das Bewahren unserer Erinnerungen und unserer Menschlichkeit.
Sendetermine:
Teil 1: 3. November, 20:15 Uhr, Das Erste
Beide Teile ab 31. Oktober in der ARD Mediathek