Tom Best ist Architekt und Sozialmanager und leitet seit 2004 gemeinsam mit seiner Frau geschäftsführend die Unternehmen des Christlichen Sozialwerks. Tom Best ist ehrenamtlich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Baugenossenschaft Eden eG in Neulingen und Vorstand der Lebensraum-Baugenossenschaft eG (www.lebensraum-baugenossenschaft.de/).

Was ist das Motto/der Leitgedanke des neuen Seniorenbungalowwohnparks in Harreshausen?

Tom Best: Ideengeber ist der inzwischen verstorbene Gründer unseres Sozialwerks, das sich seit 1971 mit der Pflege und Betreuung von Senioren durch verschiedene Angebote befasst. Pastor Gottlob Ling sagte: „Plane dein Leben, bevor andere über dich entscheiden“. Daraus entstand 2010 der erste Wohnpark in Neulingen bei Pforzheim. Im Sinne unseres Unternehmensmottos „Wir sind für die Menschen da“ entwickeln wir Projekte in der Region und für die Region.

Das Modell des Wohnparks für Menschen, denen ihre Nachkriegsimmobilie zu groß und zu arbeitsaufwändig geworden ist, hat uns begeistert. 

Warum wurde eine genossenschaftliche Organisation gewählt und wie finanziert sich das Projekt genau?

Tom Best: Das Wesen der Genossenschaft „einer für alle, alle für einen“ stand als eine mögliche Organisationsform im Raum. Wir als Träger in der Altenhilfe wollten nicht als Bauträger auftreten, auch nicht als alleiniger Bauherr. Alternative wäre eine GmbH & Co. KG gewesen, oder eine AG. In allen drei Fällen haben die Teilhaber die Möglichkeit, Geld zu investieren und daraus eine Rendite zu erwirtschaften. Unter anderem aufgrund der Berichtspflichten sind GmbH & Co. KG und AG ausgeschieden. In der Genossenschaft haben alle Mitglieder eine Stimme (unabhängig ihrer gezeichneten Anteile), und Erwerb oder Rückgabe von Anteilen müssen nicht formell berichtet werden. Die entstehenden Gebäude bleiben im Eigentum der Genossenschaft und sind somit der Spekulation entzogen. Das Wohnrecht in Miete steht nur Mitgliedern zu, ist aber nicht vererbbar.

Somit kann sichergestellt werden, dass die Nutzung immer dem Zweck „Seniorenwohnen“ gewidmet bleibt. 


Genossenschaften sind immaterielles Kulturerbe der UN, in der Hessischen Verfassung eigens geschützt und durch strenge Fremdüberwachung recht insolvenzsicher.
Die zukünftigen Mieter sind alle Mitglieder der Genossenschaft geworden und haben – dem Baufortschritt gemäß – eine relativ hohe Anzahl von Anteilen (wir nennen sie Bausteine) zeichnen müssen. Diese bilden das Eigenkapital der Genossenschaft und machen circa 50 Prozent der Projektkosten aus. Jeder Bungalow kostet inklusive allem circa 300.000 Euro. Für die weiteren 50 Prozent Fremdkapital zahlen die Mieter eine Nutzungsgebühr, die auch Instandhaltungsrücklagen und zum Beispiel Verwaltungskosten enthält. Wer den vollen Eigenanteil nicht zahlen will oder kann, kann Anteile gestundet bekommen, die dann über eine höhere Nutzungsgebühr finanziert und so über 20 Jahre einbezahlt werden. Das haben nur wenige der Mitglieder wahrgenommen. Die meisten haben durch den Verkauf ihres Eigenheims im Rhein-Main-Gebiet erhebliche Summen eingenommen und konnten die notwendigen Bausteine komplett erwerben. 


Was man unbedingt verstehen muss: Die Bausteine sind eingelegtes Kapital und werden nicht verzehrt.

Sie sind zu Beispiel bei Auszug kündbar oder können vererbt werden. Die Erben können die Anteile dann kündigen und nach einer Frist von zwei Jahren ausbezahlt bekommen. Die Genossenschaft zahlt zurzeit keine Dividende aus. Für die Mieter besteht die Rendite im vergünstigten Mietzins (kalt circa sechs Euro pro Quadratmeter).

Wie wurde die Standortentscheidung getroffen und was macht den Standort hinter dem Seniorenzentrum Bethesda ideal? 

Tom Best: Das Sozialwerk Harreshausen e. V. (www.cswh.de/) war seit vielen Jahren Eigentümer des an die Bebauung angrenzenden Ackers. Auf Anfrage des Vorstands war die Kommunalpolitik einstimmig dafür, eine Bauleitplanung zu gestatten. Das Sozialwerk hat nun die Erschließung komplett übernommen und verpachtet das erschlossene Grundstück an die Genossenschaft. Die Mieter zahlen dann je nach individuellem Grundstückanteil eine kleine monatliche Pacht über die Genossenschaft. 


Die Lage nahe der Pflegeeinrichtung hat natürlich zur Folge, dass die dort etablierten Angebote (Gastronomie mit Mittagstisch/Essen auf Rädern, Wäscherei und Reinigungsdienst, Technischer Dienst) mit genutzt werden können.

Das Seniorenzentrum betreibt dort 82 stationäre und Kurzzeitpflegeplätze und eine Tagespflegeeinrichtung mit 20 Plätzen, die ebenfalls bei Bedarf mit belegt werden können. Das Angebot von häuslicher Pflege in den barrierefreien Häusern macht zudem eine nahezu uneingeschränkte Versorgung „zu Hause“ bis zum Lebensende möglich.  

Wodurch zeichnen sich die Bungalows aus?

Tom Best: Aus jahrelanger Praxis und 52 vergleichbaren Bungalows, die von den Planern 2020/2021 im Landkreis Karlsruhe (www.bg-eden.de/) errichtet wurden, konnten optimierte Grundrisszuschnitte entwickelt werden. Jedes Gebäude ist freistehend, hat keinen Keller und kein Dachgeschoss. Ein Außenabstellraum und ein Carport gehören zu jedem Haus. Die Bodenplatte ist als direkt temperierte Bodenplatte ausgeführt. Sie ist von unten mit 20 Zentimeter Perimeterdämmung gedämmt und wird direkt mit Parkett/Fliesen belegt. Die Außenwände sind aus mehrlagigem Massivholz mit einer Holzfaser-Außendämmung, die verputzt wird. Das Sparrendach ist mit einer Mineralfaser-Einblasdämmung voll gedämmt. Die Außenabstellräume und der Carport sind aus zimmermännischer Holzkonstruktion.

Das in allen 19 Häusern verbaute Holz wächst übrigens komplett in Bayern in 6 Minuten und 40 Sekunden nach (!).
Eine Besonderheit ist der technische Ausbau. Die Temperierung der Bodenplatten und auch die Warmwasserbereitung erfolgt mit elektrischem Strom. Dazu wird auf allen Gebäuden Photovoltaik installiert und zu einer großen Anlage zusammengeschaltet. Diese wird über ein Mieterstrommodell vermarktet, womit bei Überschuss (im Sommer) Ökostrom verkauft und bei Bedarf (im Winter) Ökostrom zugekauft wird. Die Leistung mit 480 Kilowatt-Peak sorgt für einen rechnerischen Stromüberschuss von 200 Prozent. Durch die niedrigen Erlöse und den relativ teuren Zukauf rechnen wir mit einem Preis von circa 19 Eurocent pro Kilowattstunde für den echten Verbrauch. Im zentralen Technikgebäude ist ein Raum für Speichertechnologie vorgesehen.

Nach zwei Jahren Betrieb sollen die konkreten Zahlen für Erzeugung und Verbrauch ausgewertet werden, um dann eine entsprechend große Speicherkapazität zu schaffen (Tag-Nacht-Ausgleich).

Nebeneffekt ist, dass 14 öffentliche Ladepunkte entstehen und an jedem Haus eine Wallbox für E-Mobilität installiert werden kann. Jedes selbstverbrauchte Kilowatt Sonnenenergie senkt die Stromkosten aller.

Welche Zielgruppe(n) werden angesprochen?

Tom Best: Ganz klar spricht diese Modell Senioren an, die zeitlebens im eigenen Haus gewohnt haben, oft mit einer größeren Familie auf (heute) zu großen Grundstücken. Auch haben wir Mitglieder gewonnen, die ein Reihenhaus gebaut haben und nun die Treppen als Belastung wahrnehmen. Stehen die Kinder auf eigenen Beinen, haben oft selbst Familien gegründet, wohnen weit weg und spekulieren nicht auf das Eigenheim der Eltern, ist die Trennung von diesem nicht schwer. Bis auf zwei der künftigen Bewohner haben alle im eigenen Haus gewohnt. 

Nebenbei: Deren Erlöse überschreiten weit die einzubringenden Bausteine.

Wie wird das Angebot angenommen und wann rechnen Sie mit der Eröffnung? 

Tom Best: Nach ersten Informationen zum Projekt in 2018 war das Interesse bereits geweckt. 2021 im Januar haben wir eine Informationsveranstaltung (virtuell) abgehalten, bei der 60 Teilnehmer zugeschaltet waren (davon gibt es drei Videos auf der Website). Danach kamen Eintritte und direkte Bewerbungen für bestimmte Häuser dazu.

Alle Interessenten wurden von einem, von uns beauftragten Finanzberater gecheckt, damit sichergestellt ist, dass zum Beispiel auch beim Tod eines Partners der andere sich das Wohnen dort leisten kann.

Mitte 2021 wurden dann alle Verträge unterzeichnet. Auf der Warteliste stehen über 50 Adressen, einige Personen wurden Genossenschaftsmitglieder, um sich für später ein Nutzungsrecht zu sichern.
Im September 2021 lagen auch alle Handwerkerangebote vor, sodass trotz gewerkeweiser Vergabe eine hohe Kostensicherheit erreicht werden konnte. Im Oktober 2021 war der letzte Vertrag unterschrieben, bis Dezember 2021 die Bodenplatten (inklusive der elektrischen Heizmatten) bis auf drei betoniert. Am 22. Februar 2022 standen zum Richtfest die ersten vier Gebäude. Im kommenden September werden alle Häuser und die Außenanlagen fertiggestellt sein, und am 1. Oktober 2022 beginnen die Mietverträge zu laufen. 

Sind weitere Projekte dieser Art geplant?

Tom Best: Es gibt bereits Anfragen für solche Wohnparks in der südhessischen Region. Planungen laufen bereits, wo Kommunen über entsprechende Grundstücke verfügen und diese nicht spekulativ, sondern zum Nutzen ihrer älter werdenden Bevölkerung einbringen möchten.

Diese Projekte werden von der Lebensraum-Baugenossenschaft eG realisiert, die darüber so viel Potenzial entfalten will, dass sie nicht mehr ehrenamtlich, sondern hauptamtlich gemanaged werden kann.

Aktuell arbeiten die Vorstände ehrenamtlich, und die administrative Arbeit wird von den Projektarchitekten gegen Vergütung mit erledigt. 

Wir danken Ihnen für die Beantwortung unserer Fragen.

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