Menschen werden weiterhin immer älter und damit wächst zugleich die Anzahl an Menschen mit Gedächtnisproblemen. Eine dementielle Veränderung verlangt nach angepassten Pflegekonzepten. Dabei liegt neben der allgemein pflegerischen  Versorgung das Hauptaugenmerk auf der Betreuung dieser Menschen. Gerade mit Sicht auf diese Herausforderung wurde vor rund 20 Jahren in den Niederlanden der Herbergier entwickelt. Es handelt sich hierbei um eine Wohngemeinschaft von mehreren dementiell veränderten Menschen begleitet durch ein Unternehmerpaar, welches vor Ort wohnt und die zusammen mit Mitarbeitenden den Tag und das Leben der Betroffenen auf Basis von deren Wünschen gestalten. In einigen Punkten unterscheidet sich dieses Wohngruppenkonzept von denen in Deutschland anzutreffenden Wohngruppen für Demenz.

Sicht auf den dementiell veränderten Menschen – der Charme von Advanced Care Planning (ACD)

Ein Mensch mit der degenerativen Krankheit Demenz weist auf Grund von unterschiedlichen Ursachen diverse Verhaltensveränderungen auf. So kann sich die Gedächtnisleistung, die emotionale Befindlichkeit, die Orientierungsfähigkeit und vieles andere verändern. Die pflegerische Herausforderung liegt dabei u.a. in der Ansprache und dem Umgang mit den Menschen. Der gesamte Tag muss gestaltet werden und so liegt neben der grundpflegerischen Versorgung die größte Herausforderung in der Betreuung der Betroffenen. Deshalb haben sich international in den vergangenen Jahren gemeinschaftliche Wohnformen etabliert, die familienähnliche Strukturen aufweisen. Wenige Betroffene leben zusammen in einer Gemeinschaft und gestalten den Alltag gemeinsam.

In den Niederlanden wird stärker als in Deutschland nach dem pflegerischen Prinzip der Advanced Care Planning (ACP) gehandelt. Frühzeitig werden bei unterschiedlichen Krankheitsbildern langfristige Perspektiven in die pflegerische Entscheidung einbezogen. Dies wirkt sich auch auf das Konzept des Herbergier aus. Mit der Diagnose „Demenz“ beginnt die Palliative Phase des Betroffenen. Es wird also betont, dass es sich bei einer dementiellen Veränderung um einen nicht umkehrbaren Prozess handelt.  Entsprechend liegt der Schwerpunkt der Lebensgestaltung in dieser Phase auf der Realisierung von Glücksmomenten für den Einzelnen. 

Die Bewohner im Herbergier leben so in ihrer letzten Wohnstätte – mit entsprechenden Folgen. Es wird auf Nähe geachtet, wenig klinische Realität, Wünsche werden erfragt und wenn möglich erfüllt (aufstellen von einer “Bucket list”). Die (Entscheidungs-) Freiheit des Einzelnen wird höher gewertet als das eventuelle Risiko (wie selbstständig Fahrrad fahren) und es werden Ressourcentherapien gefördert, um die Medikamententherapie zu reduzieren.

Menschen mit dementieller Veränderung in der Gesellschaft – Offene Türen als zentrales Element

Auch in den Niederlanden wird seit einigen Jahren von staatlicher Seite die Aufmerksamkeit darauf gerichtet, dass Menschen mit Gedächtnisproblemen in und von der Gesellschaft gesehen und in diese integriert werden. So gibt es Werbeclips, die zu besten Sendezeiten vermitteln, wie ein Bürger einen dementiell veränderten Menschen im Straßenbild erkennt und wie er adäquat handeln kann. Schaut man sich internationale Veröffentlichungen an, dann wird das Ziel der Integrierung der Betroffenen in die Gesellschaft und im Kleinen in die Nachbarschaft immer wieder genannt.

Dem Konzept der Herbergier kommen zur Erreichung dieses Zieles niederländische Erfahrungen zugute. Zum einen haben die Niederländer eine langjährige Tradition, Menschen mit einem Handicap in die Gesellschaft aufzunehmen. Zum anderen spielt in den Niederlanden das Brauchtum eine Rolle, sich mit der Nachbarschaft bekannt zu machen. Auf Basis dieser Einbettung in die Gesellschaft ist ein wesentlicher Punkt bei dem Wohnkonzept “Herbergier Het open deuren beleid” – Grundsatz der offenen Türen. Alle Bewohner und Gäste können kommen und gehen, und die Türen werden nicht verschlossen. Die Integrierung in der Nachbarschaft ist dabei komplementär gestaltet. Die Nachbarn kommen nicht nur in die Häusern, sondern die Bewohner gehen auch in die Nachbarschaft hinaus.

Unternehmertum  – die Gastgeber sorgen für den Unterschied

Bei dem Bild einer Familie als Äquivalent zu einer Wohngruppe mit dementiell veränderten Menschen stellt sich als größte Herausforderung die wechselnden Ansprechpartner in der Gruppe durch Dienste, Krankheit und Urlaub. Beim Herbergier wohnt ein Gastgeberpaar in einer angeschlossenen aber separaten Wohnung. 24/7 sind dieselben Ansprechpartner für die Gemeinschaft da. So können Veränderungen wahrgenommen, die Gruppe gesteuert und Pflegeziele kontinuierlich eruiert werden.

Das Franchise Modell führt zu gewünschten Effekten: Die Richtung wird zentral vom Franchisegeber vorgegeben, der Unternehmer selber entscheidet sich für die Ausführung. Er steuert das Personal ebenso wie er an der Seite der Betroffenen steht. Durch die Sicherheit der Hintergrund Organisation DDN International kann sich das Gastgeber / Unternehmerpaar auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und für die Bewohner da sein. Wo er Hilfe braucht, wird er unterstützt. Gleichzeitig können so Kosteneinsparungen realisiert werden, die durch den Anreiz einer kleinen Unternehmung entstehen. Das Gastgeberpaar verkörpert eine Lebenshaltung.

Zufriedenheit der Mitarbeitenden – ein teamorientiertes Arbeitsumfeld als Kern

In den Niederlanden herrscht die gleiche Herausforderung in der Pflege wie auch in Deutschland – wie können Mitarbeitende in der Pflegeneu gewonnen und gleichzeitig gehalten werden. Gerade im Herbergier bestätigen sich internationale Vergleiche: je höher die Mitarbeiterzufriedenheit, je weniger Fluktuation beim Personal. Auch in herausfordernden Zeiten schaffen es Unternehmer mit ihren Wohngruppen Herbergier eine konstante Besetzung zu realisieren.

Mehrere Faktoren fallen dabei zusammen, wobei es selbstverständlich eine Varianz in Abhängigkeit vom Unternehmergeschick gibt. Kernanliegen der Mitarbeiter können in dieser Wohnform realisiert werden: Mitbestimmung durch Lean Management Ansätze, weniger Administration zugunsten mehr Beziehungsarbeit, persönliche Wertschätzung durch Unternehmer, angemessene Bezahlung usw. Durch viele kleine Schritte steigt die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und so bleiben sie dem Unternehmen treu.

Das Wohnkonzept Herbergier unterscheidet sich in einigen Punkten von den bestehenden Wohngruppen für Demenz in Deutschland. Die Unterschiede machen es sinnvoll, diese andere Wohnform in Deutschland zu etablieren. In Nordrhein-Westfalen werden erste Standorte besichtigt, um hier in 2024 den ersten Herbergier zu eröffnen – um so einen weiteren Baustein hinzuzufügen für das Wohl der Betroffen.

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