Laut der Bertelsmann-Studie „Jetzt Alle?! Digitale Souveränität von Älteren – Eine Befragung zu digitalen Kompetenzen“ nutzten in Deutschland im Jahr 2019/20 rund neun von zehn Bürgerinnen und Bürgern das Internet, doch stieg unter diesen Menschen die Gruppe älterer Personen mit einem niedrigen Bildungsabschluss zuletzt kaum, stellt die Initiative D21 in ihrem jährlichen Digital-Index fest (Initiative D21 e.V. 2020). Dabei können Ältere in vielerlei Hinsicht von digitalen Technologien profitieren, sei es durch die Nutzung von Gesundheitstechnologien oder Kontakthalten über digitale Kommunikationstechnologien wie E-Mail oder Messenger-Dienste. Der „DigitalPakt Alter“, der im August vorgestellt wurde, soll ältere Menschen bei der digitalen Teilhabe unterstützen und wird von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen. Älteren Menschen fehlt es häufig an Kompetenz und Erfahrung, an Unterstützung, sich einzufinden und oftmals an Geld für die Ausstattung, um auch digital am Leben teilzunehmen. Deshalb haben das Bundesseniorenministerium und die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorgansiationen gemeinsam mit den Partnern Bitkom – Bundesverband Informationswirtschaft und neue Medien e. V. – und der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände die Initiative Mitte August 2021 gestartet. 

Der Initiative greift die im achten Altersbericht genannten Herausforderungen auf: Ältere Menschen sollen beim Einstieg und im Umgang mit digitalen Medien unterstützt werden und geeignete Lernangebote erhalten. Die vielen bestehenden Ansätze zur Stärkung der digitalen Teilhabe Älterer sollen gesammelt und es soll aufgezeigt werden, wo genau Handlungsbedarf besteht. Die Initiative versteht sich als Bündnis, dem sich bereits zehn Partnerorganisationen aus Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft angeschlossen haben. Das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und damit auch die digitale Partizipation für alle Generationen, bedürfe gerade in diesen herausfordernden Zeiten besonderer Aufmerksamkeit, betonte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Bürgermeister Ralph Spiegler, für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Zeitgleich startete der Unternehmenswettbewerb „Seniorenfreundlich. Digital.Erfolgreich“ gestartet. Der Wettbewerb richtet sich an Unternehmen, die sich bereits jetzt in vorbildlicher Weise darum bemühen, ältere Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Digitalisierung ihrer Angebote mitzunehmen. Interessierte können sich online informieren und bewerben.

Diskrepanz zwischen Forschung und Praxis

Der technologische Fortschritt geht rasant voran, im Rahmen der assistierenden Technik hat sich die Anzahl der Lösungen innerhalb der letzten fünf Jahre verdoppelt. Allerdings lässt sich eine große Diskrepanz zwischen Forschung und Praxis beobachten. Das Problem scheint in den Schnittstellen im Bereich des Wissenstransfers zu liegen und strukturelle Gründe in Bezug auf Förderprogramme zu liegen. Das führt dazu, dass die Markreife oft nicht erreicht wird. Die Lösungen finden sich in unterschiedlichen Bereichen: Hierzu gehört das Feld vernetzter Assistenzsysteme (AAL – Ambient Assisted Living) wie etwa Hausnotruf und Herdabschaltung gesteuert durch eine Smartwatch oder eine App auf dem Smartphone. In diesem Kontext spielt die gesellschaftliche Debatte im Hinblick auf ethische Fragen immer wieder eine Rolle. Zur ethischen Evaluation sozio-technischer Arrangements wurde ein Modell (MEESTAR) entwickelt, um den Grad der ethischen Bedenklichkeit einzuordnen. Das Modell sieht vier Stufen der ethischen Bewertung vor.

Auch Aspekte von Komfort im Sinne von „Smarthome“ wie zum Beispiel die Lichtsteuerung zählen zu digitalen Lösungen. Spiele und Robotik im Hinblick auf Kommunikation zu Verwandten und Freunden sowie die körperliche und kognitive Aktivierung ist ein weiterer stark wachsender Bereich – nicht zuletzt im Rahmen der Pandemie zur Förderung der Interaktion und gegen Einsamkeit. Hierbei ist zwischen „Casual Games“ zur Unterhaltung und Steigerung der Lebensfreude – am Tablet – und „Serious Games“ – als Spielkonsole – mit einem ganzheitlichen, oftmals gesundheitlichen Nutzen, wie etwa virtuelles Kegeln, zu unterscheiden. Im Rahmen eines Praxistests einer Konsole in 100 deutschen Pflegeeinrichtungen hat sich eine verbesserte Stand- und Gangsicherheit, Motorik und Koordination, sowie Ausdauer und Stärkung sozialer Bindungen und Kommunikationsbereitschaft bei den Bewohnerinnen und Bewohnern gezeigt. Unter dem Begriff „Soziale Robotik“ versammeln sich technische Lösungen, die emotionale Bedürfnisse bedienen wie etwa die künstliche Robbe „Paro“ als Schmusetier oder digitale Assistenten, die im Haushalt unterstützen – teilweise auch aus der Ferne gesteuert mit externer Video-Verbindung zu Angehörigen oder professionellen Anbietern.

Wer sich im wachsenden Dschungel der Angebote einen Überblick für die individuellen Bedarf verschaffen will, kann „B-TIP“ (Bewertung assistiver Technologien in der Pflege) konsultieren. Das Instrument, entwickelt von Prof. Dr. Patrick Fehling an der IUBH (Internationale Hochschule) und im Arbeitsausschuss „Technik und Digitalisierung“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft aktiv, wird fortlaufend weiter angepasst. Es soll Menschen mit Demenz, Angehörigen und Fachkräften aus der Pflege soll dabei helfen, technische Produkte auf ihre Eignung für die eigene Lebens- bzw. Pflegesituation zu bewerten und miteinander zu vergleichen. 

Ein ebenfalls spannendes und wachsendes Feld sind Aspekte des Wissenstransfers und der Arbeitszufriedenheit für Personal bzw. Pflegende Angehörige. Mit der App „Supernurse“ etwa lässt sich spielerisch und in kleinen Häppchen im Alltag der eigene Wissenstand abgleichen und erweitern. Auch im Bereich der sogenannten „Erinnerungspflege“ im Rahmen der Biografiearbeit gerade mit Menschen mit Demenz können digitale Helfer unterstützen: Zumeist werden über eine App Szenen aus dem Leben visuell und akustisch erlebbar und ermöglichen eine besondere Gesprächsatmosphäre. Sie wird von Seiten der Pflegenden als besonders qualitätvoll für beide Seiten erlebt und steigert ihre Arbeitszufriedenheit. 

Herausforderung technische Ausstattung

Das Projekt „humaK – Mehr Kultur, Mehr Dialog, Mehr Freude“ ist aus der Corona-Pandemie hervorgegangen: Es will die kulturelle und digitale Teilhabe von älteren und pflegebedürftigen Menschen stärken und der gerade in den Lockdowns gewachsenen Einsamkeit entgegenwirken. Kulturelle Angebote können die Lebensqualität und -freude von Menschen in Betreuung (in Pflegeheimen oder zu Hause) verbessern. Was vor der Pflegebedürftigkeit und bzw. oder vor der Corona-Pandemie möglich war – individuelle Auswahl von kulturellen Angeboten und persönlicher Austausch – ist plötzlich nur noch eingeschränkt bis gar nicht möglich. Hier setzt „humaK“ an und hat ein Konzept entwickelt, das digitale und vor allem dialogische Veranstaltungsformate mit entsprechender Technik in die Alteneinrichtungen und später auch zu allein Lebenden Seniorinnen und Senioren bringt. Auf dem Dialog liegt dabei der Fokus. Es geht also nicht um passive Berieselung sondern um aktives Mitwirken und einen Austausch auf Augenhöhe. Das Projekt ist zunächst lokal in Wiesbaden gestartet und soll in einem nächsten Schritt bundesweit angeboten werden. 

Apropos „dialogische Ansätze“: Entscheidend für erfolgreiche Lösungen ist selbstredend die aktive Einbindung der verschiedenen Nutzergruppen in die (Weiter-)Entwicklung von Soft- und Hardware. Dabei ist aktuel die technische Ausstattung in Alteneinrichtungen wie auch bei vielen Seniorinnen und Senioren zu Hause oftmals eine große Herausforderung für die Macher wie auch die Finanzierung. Im Falle von humaK wird das Angebot wohl kaum wie auch andere Kulturangebote nicht allein über Eintrittsgelder finanzieren lassen. Dabei soll das Angebot sich im Sinne der „Teilhabe für alle“ – und jenseits einer Pandemie – nicht allein auf ältere Menschen beschränken. Idealerweise ermöglicht es auch anderen Zielgruppen (Menschen mit Behinderungen, psychisch erkrankte Menschen etc.), ohne das Haus verlassen zu müssen, an interaktiven und inspirierenden kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen.

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