Das neue Pflegeheim „De Klinkenberg“ in Ede (NL).

Genau heute vor einem Jahr bezogen die Bewohner das neue Pflegeheim der Stiftung Vilente „De Klinkenberg“ in Ede (NL) und ich begleite Besucher aus der Schweiz durch das Haus. Es gab schon viele Interessenten die sich das Projekt angesehen haben: Niederländer, Deutsche, Japaner. Wir sind mit Managerin Patricia und mit Pflegeleiterin Petra verabredet, und es gibt Kuchen, zur Feier des Tages. Patricia und Petra erinnern sich an den Umzugstag vor einem Jahr: alles war gut vorbereitet, aber spannend war es trotzdem. Wird alles klappen? Und wie werden die Bewohner sich eingewöhnen? Patricia zeigt mir ein Video das sie heute Morgen machte: der Innenhof hat sich in ein Theater verwandelt, und die Bewohner schauen von den Balkonen einer Trachtentanzgruppe zu. Eine Bewohnerin ist Mitglied dieser Gruppe und wird jeden Dienstag zum Tanzen abgeholt, genau so wie sie es früher auch tat. Sie ist immer noch Teil der Gesellschaft.

„Zuhause bei Vilente, Vilente bei Ihnen Zuhause“ ist die Vision von Vilente, und genau diese Vision war die Grundlage für diesen Entwurf für 133 Wohnungen für Pflegebedürftige.

Das neue Domizil sollte kein Pflegeheim im konventionellen Sinne werden, aber es sollte ein wirkliches Zuhause bieten für 70 dementiell erkrankte und 50 somatisch erkrankte Bewohner, sowie 13 Reha Plätze.

Die Bewohner sollten alle eine geräumige Zweizimmerwohnung bekommen. Eine Wohnung mit französischem Fenster (Frau Robben sitzt immer mit ihrem Stuhl an diesem Fenster), den eigenen Möbeln, den eigenen Erinnerungen. Eine Bewohnerin freut sich besonders, dass sie jetzt wieder ihre eigene Bettwäsche in ihrem Schrank aufbewahren kann. Ehepaare wohnen hier zur Zeit nicht, aber Platz für zwei wäre da. Um dieses eigene Zuhause finanzieren zu können musste das Konzept Pflegeheim neu erfunden werden. Es gibt nichts was an ein Pflegeheim erinnern könnte: keine Rezeption, keine Therapiesäle, kein Restaurant, keine Großküche, keine Lagerflächen usw. Es gibt zwölf Wohngemeinschaften für jeweils zehn Bewohner, die jeweils ihre eigene Zweizimmerwohnung haben. Jede Wohngemeinschaft hat eine gemeinschaftliche Küche und ein gemeinschaftliches Wohnzimmer mit Terrasse.

Es gibt keine verschlossenen Türen, das ist nicht nötig, erklärt Patricia unseren Schweizer Gästen. Die Anordnung der Wohngruppen und die Gruppierung der vier Gebäude um einen gemeinschaftlichen Innenhof bewirken ein Gefühl von Zuhause sein. Die Bewohner fühlen sich wohl und geborgen, und sie haben deswegen nicht das Bedürfnis wegzulaufen. Von den 70 dementiell Erkrankten tragen ca. 7 Bewohner einen Chip bei sich.

Ein GPS System kann die Bewohner zuordnen wenn sie sich weiter als 500 Meter vom Haus entfernen.

Manche Bewohner gehen in der Nachbarschaft spazieren oder besuchen selbständig ein Café in der Innenstadt. Sie bekommen dort einen Kaffee und gehen wieder nach Hause. Die Nachbarschaft ist informiert, manchmal kommt ein Anruf, dass ein Bewohner ‚gefunden‘ wurde. Fünf Jahre nun hat Vilente Erfahrung mit diesem System, und es gab in der Zeit nur zwei Bewohner für die die offene Umgebung nicht geeignet war. Sonst ergaben sich nie Probleme. Das offene Gebäude bietet Freiheit und Schutz zugleich, das ermöglicht den Bewohnern einen guten Umgang mit der gebotenen Freiheit.

In den Wohngemeinschaften wird selbständig gekocht. Der Speiseplan wird von den Wohngemeinschaften selbst zusammengestellt, es wird selber eingekauft oder im Internet bestellt. Im letzten Sommer hatte man, als es so heiß war, nicht immer Lust zu kochen, und es wurde auch schon mal Pizza bestellt. Ich erinnere mich an so manchen Sommertag hier: die Balkone waren besetzt, der Innenhof voller Stimmen, irgendwo klang Gesang.

Es macht mich immer glücklich hier zu sein und den Alltagsgeschichten zu lauschen. Zu hören, dass das Gebäude den Bewohnern und den Versorgenden ein glückliches Umfeld verschafft. Zu sehen, wie die Schränkchen, die wir bei den Eingangstüren der Wohnungen zur Erkennung der eigenen Haustür entworfen haben, liebevoll von den Bewohnern oder der Familie mit persönlichen Gegenständen bestückt wurden. Ob da nicht auch schon mal was wegkommt, fragen die Schweizer Gäste? Eigentlich nicht, sagt Patricia, und wenn, dann kommt es irgendwann wieder zurück. Es wird in Möglichkeiten gedacht, der Wunsch der Bewohner steht zentral.  Vielleicht ist es diese unproblematische Grundeinstellung, die dazu führt, dass die Bewohner sich zuhause fühlen?

Ich stehe an meinem Lieblingsplatz im 2. Obergeschoß und blicke auf den Innenhof und den Streichelgarten. Eine Frau sitzt draußen im Rollstuhl und bewegt leicht ihren Kopf hin und her. Eine andere Frau im Rollstuhl sonnt sich. Am Zaun hockt ein Vater mit seinem Kind im Gras, sie füttern die Alpakas durch das Gitter. Sie sind aus der Nachbarschaft, erzählt Patricia. Manchmal ist die Welt doch in Ordnung, denke ich. Auch dann noch wenn man alt, schwach und bedürftig ist. Ich bin froh, das ich als Architekt einen Beitrag dazu leisten kann.

Jarno Nillesen, Architekt Partner Wiegerinck Architekten

Kontakt: J.nillesen@wiegerinck.nl

Projektdaten:

Auftraggeber: Stichting Vilente, Ede (NL)

Raumprogramm:  120 Zweizimmerwohnungen für demenziell erkrankte und somatisch erkrankte Bewohner,  13 Reha Plätze.

Fläche: 10.880 M2 BGF

Entwurf – Fertigstellung: 2015 – 2018

Zusammenarbeit:

Innenarchitektur (Konzept): Studio id+

Raumprogramm: BBN

Statik: Bartels Ingenieurs

Haustechnik: Ingenieursbureau Linssen

Landschaftsentwurf: Poelmans Reesink

Copyright Fotos: Wiegerinck Architekten

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