Mit Barcelona verbindet vermutlich jeder etwas anderes. Für den einen ist es Gaudí und seine faszinierenden Bauten, der andere denkt als Erstes an den FC Barcelona oder an Freddie Mercury und Montserrat Caballé. Wenigen fällt vermutlich „altersgerechte Stadt“ zu Barcelona ein. Das wird sich ändern.

Eine von CareTRIALOG und Biel Consulting organisierte Studienreise führte vom 13.09. bis 15.09.2023 nach Barcelona. Auf dem Programm standen die Besichtigung mehrerer Pflegeeinrichtungen, der Besuch des innovativen Start-ups cuideo, (ein Unternehmen, das Pflegekräfte über eine Plattform im jeweiligen Quartier vermittelt) sowie ein fachlicher Austausch mit der Stadtverwaltung Barcelona zum Thema „altersgerechte Stadt“. Aber auch die Kultur kam nicht zu kurz mit dem Besuch der beiden Gaudi-Bauten Sagrada Familia und Casa Battló.

Schon die ersten Schritte durch die Straßen der Stadt zeigten, wie altersgerechte Stadtentwicklung aussehen kann. In einer Nebenstraße des Hotels, in dem die Teilnehmer der Reise wohnten, befindet sich ein Pflegeheim. Vor dem Haus saßen entspannt einige Heimbewohner in lockerer Runde. Es war nicht zu erkennen, ob alle ohne Hilfe zu diesem Ort gekommen sind, vorstellbar ist es aber. Die Stadt hat einige Straßen umbauen lassen, sodass sie nun vorrangig für Fußgänger und Radfahrer genutzt werden können. Autoverkehr ist nur noch für Anwohner und Lieferanten mit Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h zulässig. Bordsteinkanten gehören der Vergangenheit an. Die entstandene schwellenfreie Fläche ist von alten Straßenbäumen überdacht und lädt zum Verweilen ein. Regelmäßig kann man sich auf Stühlen und Bänken niederlassen, wovon reger Gebrauch gemacht wird. Schnell können ein paar Sitzplätze zusammen geschoben werden und eine Gruppe sitzt plaudernd im Rund. Die entstandene Lebensqualität kann man kaum beschreiben. Allgemein fällt in Barcelona auf, wie breit Gehwege sind und wie oft Bänke und Stühle an kleinen Plätzen zum Verweilen einladen.

In den Gesprächen mit den Vertretern der Stadt Barcelona erfuhren die Teilnehmenden wie weitreichend das Engagement der Stadt im Bereich altersgerechte Lebensumfeld Gestaltung ist. Barcelona beteiligt sich seit Jahren am WHO Projekt „age-friendly-cities“. Ältere Einwohner haben bereits zu Beginn der Initiative den Akteuren der Stadt einen Maßstab für deren Arbeit auferlegt: „Erklär mir nicht, was das Problem ist, such mir die Lösung!“ Diesem Spruch immer im Blick werden verschiedenste Projekte in den von der WHO adressierten Bereichen

  • Gemeinschaft und Gesundheitsfürsorge 
  • Soziale Teilhabe 
  • Respekt und soziale Inklusion 
  • Bürgerbeteiligung und Beschäftigung 
  • Kommunikation und Information
  • Transport 
  • Wohnen 
  • Außenräume und Gebäude 

entwickelt. Die Beteiligung der Bürger gehört bei allen Aktivitäten dazu. 

Besonders nach den Jahren der Corona-Pandemie wurden die Aktivitäten verstärkt, mit älteren Menschen in Kontakt zu kommen, um eine Vereinsamung zu verhindern. Ältere Menschen in Barcelona leben zu 80% im Eigentum. Dadurch kann es schnell zu einer Vereinsamung kommen. Zugang zu Pflegeplätzen ist in Spanien kostspielig und oft mit langen Wartezeiten verbunden. Viele pflegebedürftige Menschen müssen in ihren eigenen Wohnräumen zurechtkommen, weil ihnen keine Alternative zur Verfügung steht. Für diese Menschen und ihre Familien möchte die Stadt Angebote unterbreiten, die ihnen den Alltag erleichtert. Die barrierefreie Gestaltung von Straßenräumen gehört dazu. 

Ein anderer interessanter Ansatz, der von der Stadt Barcelona verfolgt wird, ist die Bildung von Betreuungsquartieren für die häusliche Pflege. Für ein Quartier ist immer das gleiche Team von Pflegekräften verantwortlich. So entsteht Vertrauen und das Gefühl der Sicherheit bei den pflegebedürftigen Einwohnern, weil immer dieselben Personen zur pflegerischen Unterstützung vorbei kommen. Die Pflegeteams stimmen sich immer wieder auch mit den Ansprechpartnern der Stadt ab, die für die Betreuung des Quartiers zuständig sind. Ein dem deutschen Kümmerer vergleichbares Konzept sichert, dass eine Person im Blick behält, wer welchen Unterstützungsbedarf hat.

Die Besichtigung verschiedener stationärer Pflegeeinrichtungen hat große Unterschiede zu den vergleichbaren Angeboten in Deutschland gezeigt. Die übergroße Mehrheit der Bewohnerzimmer sind Zweibettzimmer auf oft kleiner Fläche. Ausgestattet mit Bett, kleinem Schrank sowie Stuhl und Wandbord sind die Zimmer aus deutscher Sicht eher spartanisch. Die BewohnerInnen hielten sich während unserer Besichtigungen zumeist alle in den großzügigen Gemeinschaftsräumen auf. Angeboten werden zusätzlich zu den auch in Deutschland üblichen Aufenthaltsräumen – immer auch Bibliotheksräume und Räume für Physiotherapie. Da die Pflegeheime immer angestellte Physiotherapeuten haben, werden täglich Therapien für die Bewohner angeboten. Zudem ist eine medizinische Versorgung durch einen Arzt sichergestellt, auch diese können wie die Krankenschwestern angestellt sein. In den kommunalen Einrichtungen sind sie sogar verbeamtet.

Barcelona bietet noch viele weitere Projekte, die das Leben für ältere Menschen und Pflegebedürftige erleichtern und soziale Einbindung sichern. Es lohnt sich dorthin zu schauen und sich für Initiativen in Deutschland Anregungen zu holen.

Das waren drei inspirierende Tage mit vielen Eindrücken von Stadt und Menschen, intensiven Fachgesprächen und Impulsen für die eigene Arbeit. Vielen Dank dafür!


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