Ein junger Medizinjournalist gibt mit seinem Buch „Sterben lernen“ praktische, ehrliche und würdevolle Unterstützung

Tut das Sterben nach einer langen Krankheit weh? Wie kümmert man sich um Sterbende in ihren letzten Stunden? Was für Dokumente sollte jeder seinen Angehörigen zuliebe ausfüllen? Menschlich, lebhaft und unverkrampft gibt Felix Hütten Antworten auf die unzähligen Fragen zum Sterben, über die wir alle viel zu selten sprechen. Von medizinischen Details über Ratschläge für den Umgang mit Ärzten oder die schwierige Frage nach dem Abstellen der Maschinen bis hin zur Trauer danach: Ohne falsche Tabus erzählt dieses alle angehende Buch vom Sterben, das zu jedem Leben dazugehört. Insa Lüdtke sprach mit dem Autor über gutes Sterben im Pflegeheim und im Krankenhaus – die Orte wo statistisch gesehen hierzulande heute die meisten Menschen sterben.  

Herr Hütten, warum schreiben Sie als relativ junger Mensch ein Buch über das Sterben?

Felix Hütten: Naja, ich glaube, das Thema kennt keine Altersgrenze. Auch junge Menschen dürfen und sollten sich damit befassen. Ich bin während des Zivildienst das erste Mal mit dem Thema in Kontakt gekommen, ich war Sanitäter beim Rettungsdienst. Seitdem verfolgt es mich quasi – privat wie beruflich. Auch als Redakteur der Süddeutschen Zeitung beschäftigt mich das Thema, nicht zuletzt durch zahlreiche politische Debatten zum Thema „Sterbehilfe“.

In Zeiten von Fachkräftemangel ob im Pflegeheim oder im Krankenhaus. Was braucht es hier, für gutes Sterben?

F.H.: Allen voran Personal!

Gute Sterbebegleitung ist keine Frage komplizierter Technik oder ausgefeilter OP-Methoden.

Den allermeisten Menschen hilft neben der klassischen medizinischen Versorgung Ansprache und Aufmerksamkeit. Manche Sterbende tun sich schwer damit, zuzugeben, dass sie psychisch leiden oder Schmerzen haben. Das herauszufinden, braucht ein waches Auge, Ruhe und auch Erfahrung. Es muss letztlich jemand da sein für diese Menschen, und zwar rund um die Uhr. Sterben richtet sich nun mal nicht nach Dienstplänen.

Wir reden über Sterben – das sollte das Krankenhaus im Besten Fall ja verhindern. Letztlich kann eine Unternehmenskultur, die das Sterben nicht als Scheitern betrachtet, sondern als eine Option – und Sterben als Prozess versteht, der zum Leben gehört. So kann sich das auch auf alle anderen Bereiche auswirken wie etwa einen menschlichen, empathischen Umgang mit Patienten, Angehörigen und der professionellen Teams untereinander bis hin zu einer transparenten Fehlerkultur.

Wie sehen Sie neben der menschlichen Dimension die Bedeutung der räumlichen Bedingungen im Krankenhaus, wenn es um gutes Sterben geht? 

F.H.: Menschen haben am Lebensende unterschiedliche Bedürfnisse, wie in gesunden Tagen eigentlich auch. Manche sehnen sich nach Rückzug, andere fühlen sich schnell isoliert und einsam. Eine ideale Krankenhausumgebung bietet also verschiedene räumliche Angebote, die auf diese individuellen Anforderungen eingehen können. 

Manchmal hilft eine halbe Stunde Sonne tanken auf der Terrasse, manchmal Ruhe im eigenen Patientenzimmer. Angehörige schätzen zudem eine Übernachtungsmöglichkeit, und zwar im Idealfall nah dran am Sterbenden, um immer da sein zu können. Und, wenn es vorbei ist, einen Abschiedsraum. Das ist ganz wichtig. 

Wie eben schon gesagt, geht es nicht darum, Sterben und Leben voneinander zu trennen – im Gegenteil, es geht um ein integriertes Verständnis. Bildlich gesprochen gilt es also, jedwede Schwellen abzubauen. Trotz notwendiger Anforderungen an Technik und Hygiene ist letztlich für alle Nutzergruppen ein wohnliches Ambiente wünschenswert – auch was den Betriebsablauf angeht, ist Zufriedenheit sicher ein entscheidender Faktor. 

Apropos, in Ihrem Buch gehen Sie immer wieder auf die Wichtigkeit von Kommunikation ein – sowohl mit dem Sterbenden selbst aber auch zwischen Angehörigen, Ärzten und Pflegern. Einrichtungen müssen sich immer stärker als Unternehmen dem Wettbewerb stellen. Ist gutes Sterben „marktfähig“?

F.H.: Es spricht sich schnell herum, wenn ein Krankenhaus gute Palliativarbeit macht. Ein guter Ruf ist definitiv markfähig. Davon kann das ganze Haus profitieren. Natürlich muss man auch sehen, dass man mit Sterbebegleitung weniger Geld verdienen kann als mit anderen Disziplinen der Medizin, das ist leider so. Reden bringt halt weniger ein als operieren, dabei ist es genauso wichtig.

Und jetzt nochmal zum ersten Teil Ihrer Frage: Angehörige und Patienten befinden sich im Krankenhaus in einer Ausnahmesituation. Für Ärzte und Pflege hingegen handelt es sich um einen professionellen Rahmen mit gewissen Routinen. Allein dieser Umstand birgt Reibungspotential – für beide Seiten. Natürlich haben Ärzte und Pfleger die Aufgabe, ihr Fachwissen adäquat zu übersetzen. Auf der anderen Seite müssen Angehörige auch die Perspektive der Professionellen verstehen: Sie haben einen anderen Weg hinter sich und damit eine andere Sichtweise. Es geht also für beide Seiten darum, sich ohne Vorbehalte zu begegnen.

Könnte da auch Humor helfen? Sie betonen ja die Bedeutung von Humor beim Sterben. Wie geht das zusammen?

F.H.: Ach, das passt sehr gut zusammen. Kranke Menschen oder Menschen am Lebensende verlieren nicht automatisch ihren Humor, warum auch?

Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie fröhlich es teilweise auf Palliativstationen und Hospizen zugeht. Humor kann etwas Entlastendes haben, viele Menschen am Lebensende wollen überhaupt nicht, dass alle bierernst um sie herum sind.

Im Gegenteil. Es gibt sogar Studien, die zumindest Hinweise liefern, dass Humor tatsächlich einen therapeutischen Effekt hat. Man darf das nicht überbewerten, aber sollte es eben auch nicht vergessen.

Können wir hinsichtlich des gesellschaftlichen Tabus hierzulande, was Sterben angeht, von anderen Ländern oder Kulturen lernen? 

F.H.: Ich habe einige muslimische Patienten kennengelernt auf einer Palliativstation. Was mir sehr gefallen hat, war der Familienzusammenhalt, und übrigens auch der Humor in der Familie. Da wurde viel gelacht und es war immer jemand da, wenn der Patient Ansprache brauchte. Sicherlich steht in vielen Teilen der Welt mit weniger technischem Fortschritt, wie wir ihn hierzulande gewohnt sind, der menschliche Faktor stärker im Vordergrund.

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