Der vom Bundeskabinett favorisierte 1.500-Euro-Bonus für Pflegekräfte in der Corona-Krise stößt bei den Gesellschaftern der Ruhrgebietskonferenz Pflege auf Kritik. Als „populistisch, ungerecht und nicht wirklich zu Ende gedacht“ bezeichnete Ulrich Christofczik, Vorstandsmitglied des Ev. Christophoruswerkes in Duisburg, die Einmalzahlungen. Stattdessen solle das Geld lieber in eine nachhaltige und radikale Reform der Pflegeversicherung investiert werden, so der Sprecher der Arbeitgeberinitiative in einem Statement zum 1. Mai. Die im Dezember 2018 gegründete Ruhrgebietskonferenz Pflege ist ein trägerübergreifender Zusammenschluss von 40 Gesellschaftern mit rund 15.000 Pflegekräften.

Unterstützung erhält Christofczik aus Essen. Nach einer Umfrage unter den Einrichtungsleitungen fasst Silke Gerling, Geschäftsbereichsleiterin Alten- und Behindertenhilfe im Diakoniewerk Essen, die Stimmung so zusammen: „Die Leitungskräfte verweisen darauf, dass in der Corona-Krise auch Haustechnik und Verwaltung einen hervorragenden Job machen und fragen sich, warum diese Mitarbeitenden weniger bekommen sollen. Wieso bleiben die Verkäufer im Lebensmittelhandel, die Paketboten und Lkw-Fahrer außen vor?“ In ihrem Unternehmen werde die geplante Einmalzahlung rundweg als „Gewissensberuhigung“ abgelehnt.

Echte Perspektiven statt Gießkannen-Boni
Die von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vertretene Position findet bei der Ruhrgebietskonferenz Pflege dagegen breite Zustimmung.

„Der Minister hat Recht: Wir brauchen in der Pflege faire und attraktive Arbeitsbedingungen.“

Roland Weigel, Koordinator der Konferenz aus Gelsenkirchen

Pflege brauche keine Boni mit der Gießkanne, sondern differenzierte und gut überlegte Instrumente und Strategien, um die Einkommensunterschiede zwischen stationärer und ambulanter Pflege zu beseitigen und die Digitalisierung voranzutreiben, zum Beispiel für Videosprechstunden mit Hausärzten oder Therapeuten.

„Geld allein kann’s nicht sein. Eine so eindimensionale Sichtweise hat die Pflege nicht verdient.“

Roland Weigel

IAT fordert „Rückkehr in eine aufgewertete Normalität“
Über neue Perspektiven für die Pflege in Nach-Corona-Seiten wird in Gelsenkirchen längst konkret geforscht. In dem Diskussionspapier „Soziale Dienstleistungsarbeit und Corona-Pandemie: Rückkehr in eine aufgewertete Normalität“ schreibt Michaela Evans, Direktorin des Forschungsschwerpunktes „Arbeit und Wandel“ am Institut Arbeit und Technik (IAT), im Anschluss an die besondere Aufmerksamkeit in Corona-Zeiten sei eine „Rückkehr in den Normalzustand“ für viele soziale Dienstleistungsberufe zu wenig. Nach Applaus und anerkennend gemeinten Boni steht nun die strukturelle Aufwertung der Arbeit an.“ Die geforderte Aufwertung müsse auf fünf Handlungsfeldern geschehen: gerechtere Einkommen, neue Kompetenzprofile und bedarfsgerechte Verantwortung, bedarfsgerechte Digitalisierung, gestärkte Vertretung der Interessen.

„Die Aufwertung sozialer Dienstleistungsarbeit in Deutschland ist kein Selbstzweck, sondern wird systematische Vorteile für die Gesellschaft haben. Nach Bewältigung der Pandemie kann es nicht darum gehen, einfach in das Alte zurückzufallen. Eine aufgewertete Normalität für die sozialen Dienstleistungsberufe muss das Ziel sein.“

Michaela Evans, Direktorin des Forschungsschwerpunktes „Arbeit und Wandel“ am Institut Arbeit und Technik (IAT)

Mehr Informationen:
www.ruhrgebietskonferenz-pflege.de

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