Eine stationäre Pflegeeinrichtung ist eine Betreiberimmobilie. Baukörper und Betriebskonzept sind damit untrennbar miteinander verbunden. Wenn der Betreiber, wie immer häufiger in der Branche üblich, nicht auch der Bestandshalter ist, bedeutet das ein hohes Maß an gegenseitiger Abhängigkeit in Bezug auf Verbindlichkeit und Transparenz. Wie sich eine Zusammenarbeit erfolgreich partnerschaftlich gestalten kann, zeigt sich beim Wohn- und Pflegezentrum in Röbel an der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern. Die Einrichtung wurde vor rund einem Jahr von der Hamburger IMMAC Holding AG und der Betreibergruppe Convivo aus Bremen übernommen. Binnen eines Jahres haben die beiden Partner gemeinsam mit den Mitarbeitenden vor Ort eine nachhaltige Perspektive für die Menschen im Röbeler Haus geschaffen, wie Andreas Jantsch, Teamleiter Transaktion IMMAC Holding AG, berichten kann.
Herr Jantsch, in wie fern mussten Sie die Immobilie im Rahmen des Betreiberwechsels anfassen?
Andreas Jantsch: Zunächst ist das bei jeder Transaktion eine Frage, der wir uns gemeinsam mit dem künftigen Betreiber stellen. Als Betreiberimmobilie muss diese den konkreten betrieblichen Bedürfnissen des jeweiligen Betreibers entsprechen und bei Bedarf auch angepasst werden. Für uns als Eigentümer der Immobilie muss dabei natürlich auch die Rentabilität nachhaltig gesichert sein.
Im Fall des Pflegezentrums Röbel wurden die Räumlichkeiten bislang nur suboptimal ausgenutzt bei relativ schlechter Personalauslastung. Das Haus aus dem Jahr 2016 war bei einer Einzelzimmer-Quote von knapp 95 Prozent im vollstationären Bereich nur zu 65 Prozent ausgelastet. Strukturell brauchten wir hier auf Grund der zeitgemäßen Gestaltung und Ausstattung baulich nicht einzugreifen. Es war eher einer Frage des frischen Blicks. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Zwei der 35 Einheiten im betreuten Wohnen, die vom vorherigen Betreiber als Beratungsräume genutzt worden waren, sind mit wenigen Eingriffen ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt worden und können jetzt zusätzlich vermietet werden. Das entspricht dem Bedarf am Standort, erhöht die Effizienz des vorhandenen ambulanten Pflegedienstes und erhöht die Flächeneffizienz sowie Rentabilität des Objektes. Denn wir alle wissen, dass der Betreiber mit ambulanten Angeboten sein Geld verdient. Zweites Beispiel: Bisher wurde das Haus mit einer Catering-Lösung gefahren. Nun wurde eine eigene Küche und Reinigung mit energiesparenden Maschinen installiert. Diese Investition rechnet sich, da sie auch ein anderes Haus in der Umgebung bedient. Wir konnten im stationären Teil zudem durch die Wiederbelebung „stillgelegter“ Bereiche die Belegung um knapp 30 Prozent steigern, so dass die Einrichtung jetzt zukunftsfähig aufgestellt ist.
Auf Betreiberseite stehen die sozialen Investitionen im Hinblick auf die Bewohnerinnen und Bewohner und die Mitarbeitenden im Fokus. Neben Lohnerhöhungen sowie einem umfangreichen Vorteils- und Gesundheitspräventionsprogramm schuf zusätzliches Personal, beispielsweise im Küchenbereich, Entlastung und erhöhte gleichzeitig die Versorgungsqualität für die Bewohnenden. Mit der Einführung einer neuen Verwaltungs- und Dokumentationssoftware und unternehmensweiter Kommunikationstools wurde die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt und nachhaltig verbessert.
Wir finden, das Wohn- und Pflegezentrum Röbel ist damit ein gelungenes Beispiel für die nachhaltig positive Entwicklung einer Pflegeeinrichtung im Rahmen einer aktiv gelebten partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Immobilieneigentümer und -pächter. In erster Linie zufriedenere Bewohnerinnen und Bewohner durch einen spürbaren Zugewinn an Betreuungsqualität, gesicherte Zukunftsperspektiven für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung, das Ausschöpfen regionaler Synergieeffekte auf Betreiberseite und ein nachhaltig stabiles Investment für den Investor.
Das klingt ideal! Wo sehen Sie die Herausforderungen bei solch einer Partnerschaft?
Andreas Jantsch: Es kommen verschiedene Aspekte zusammen. Zum einen geht es im besten Sinne um die Wertsteigerung der Immobilie. Hier hatten wir eine solide Ausgangssituation. Entscheidender sind aber auf lange Sicht die weichen Faktoren wie Transparenz und Vertrauen in der Beziehung zueinander. Es braucht gegenseitig ein partnerschaftliches Verständnis. Neben dem Einblick in die Zahlen ist es der gemeinsame Blick auf das Objekt. So konnten wir Stellschrauben erkennen und sind das sehr strukturiert angegangen. Wir haben Meilensteine identifiziert und zeitliche Fristen für die Investitionen vereinbart. Letztlich verfolgen wir mit der Wirtschaftlichkeit das gleiche Ziel, jeder mit seinen Mitteln, aber in einer gewissen Abhängigkeit. Der Vorteil ist, dass wir in dieser Konstellation gegenseitig die blinden Flecken beim anderen identifizieren können – denn die Gefahr einer gewissen Betriebsblindheit bleibt, wenn man den Fokus nicht erweitert.
Die Lösung besteht also in einer klaren Rollenverteilung: Wir haben die Investoren- und Convivo hat die Betreiberbrille auf. Gemeinsam gibt es einen Pachtvertrag, in dem wir uns beide wiederfinden müssen. Für uns ist es wichtig, eine Pacht zu vereinbaren, bei der wir von der Refinanzierbarkeit überzeugt sind. Damit gehen wir ganz offen und transparent um.
Wir sind beispielsweise auch bereit, unsere Zahlen aus der technischen Due Diligence offenzulegen. Auch hier gehen wir gegenüber unserem Betreiber offen mit den identifizierten Themen um. Um unsererseits bezüglich der wirtschaftlichen Stärke des Betreibers Klarheit zu haben, erwarten wir aber auch Transparenz in der Betreiberkalkulation. Anhand von Benchmarks wollen wir insoweit auch die Wirtschaftlichkeit des Standortes aus Betreibersicht plausibel machen. Wer dazu nicht bereit ist, ist möglicherweise kein nachhaltiger Partner für uns. Andererseits kann aber auch ein sich neu etablierender Betreiber mit einem fundierten Betreiberkonzept und solider Hausbank-Finanzierung für uns attraktiv sein. Nur wenn der Standort das Potenzial hat, sich für beide Seiten dauerhaft zu rechnen, ist die Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gegeben. Einseitige wirtschaftliche Parameter oder Vertragskonstellationen bergen immer Stresspotenzial.
Apropos Nachhaltigkeit, wie sieht es mit Anforderungen an ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept aus – ob im Bereich Energie aber auch in der Unternehmenskultur?
Andreas Jantsch: Natürlich haben wir diese Thematik auf der Agenda. Beispielsweise setzen wir als IMMAC bei unseren Neubauprojekten bereits heute schon auf KfW-55-Standard. Klar ist, dass die ESG-Thematik künftig auch bei Bestandsobjekten eine entscheidende Rolle einnimmt und auf Käufer deutlich erhöhte Anforderungen in Bezug auf die technische Beurteilung der Nachhaltigkeit des Investments zukommen.
Abseits der energetischen Betrachtung im Hinblick auf den Klimawandel, verstehen wir Nachhaltigkeit auch im sozialen Sinne: Gerade Mitarbeiterwohnungen – als zusätzliche Incentives – diskutieren wir heute im Gegensatz zu noch vor fünf Jahren mit Betreibern immer öfter und mit großer Selbstverständlichkeit. Vor dem Hintergrund des sich stetig verschärfenden Personalmangels kann die Werthaltigkeit einer Pflegimmobilie damit nur gesteigert werden. Jeder Betreiber sagt uns, dass es ohne Zuzug aus dem Ausland nicht mehr geht. So erhält das Vorhalten eines attraktiven sozialen Umfelds für das Personal auch für uns eine zunehmende Bedeutung. Allen Erfahrungen nach gehen 70 Prozent der aus dem Ausland angeworbenen Fachkräfte wieder, wenn das, insbesondere in Form von attraktivem Wohnangebot, fehlt. Und das wollen wir nicht riskieren. Den Mietpreis kann der Betreiber wiederum in seine Kalkulation aufnehmen. So können wir gemeinsam aus der Not eine Tugend machen und die Attraktivität einer Pflegeimmobilie in doppeltem Sinne steigern.