Sonst drängen sich Tausende von Besuchern in den Hallen des City Cube in Berlin. Dieses Jahr saßen etwa 2500 Teilnehmer vor ihren Bildschirmen, um der Auftaktveranstaltung des Hauptstadtkongresses per Videostream zu folgen. Im Mittelpunkt der Diskussion: Auswirkungen und Konsequenzen der Pandemie auf Krankenhäuser, Medizin, Pflege, Gesundheitsversorgung und Gesundheitswirtschaft? Einen gewaltigen Schub erhält auf jeden Fall die Digitalisierung, so das Fazit der Praktiker. Digitale Anwendungen werden jetzt viel besser akzeptiert, sowohl bei Ärzten und Pflegekräften als auch von Patienten. Das zeigt sich auch am Beispiel der Corona-App, die in dieser Woche an den Start ging. Unter großem Andrang, denn in den ersten 30 Stunden wurde sie 6,5 Millionen Mal (knapp 10 Millionen Downloads bis 19.06.) heruntergeladen. 

„Das freut mich sehr. Das sind sechs Millionen Gründe, warum es dieses Virus jetzt schwerer hat sich auszubreiten.“ 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Die App arbeitet dezentral und erlaubt es, mögliche Kontakte mit Infizierten anonym nachzuverfolgen. 

Bei der Entwicklung der App hätten Google und Apple etwas von deutschen Ingenieuren gelernt. Es sei „nicht die erste App, aber mit Sicherheit eine der besten, wenn nicht die Beste. Das ist schon ein ziemlich gutes Produkt“, lobte der Minister.

Deutschland ist – fürs erste – ziemlich gut aus der Krise gekommen. Bei dieser Einschätzung waren sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde einig. Geholfen hat dabei unter anderem, so Martina Wenker, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, dass „wir einen Vorlauf von zwei bis drei Wochen hatten, um die Krankenhäuser leerzuräumen, und viele Singlehaushalte im Gegensatz zu den Ländern im Mittelmeerraum“. Ein Pluspunkt war auch die enge Zusammenarbeit der Krankenhäuser, die sonst eher in Konkurrenz zueinander stehen. 

„Auch in den Kliniken haben Teams eng zusammen gearbeitet, die das vorher nicht so gut kannten wie zum Beispiel Apotheker, Ärzte, Hygieniker und Kommunikationsexperten.“

Axel Ekkernkamp, Chef des Unfallkrankenhauses Berlin

Jedes Krankenhaus besitze jetzt gut funktionierende Pandemiepläne. Die gab es zwar vorher auch schon, aber „viel stand da nicht drin“.  

Enorm gestiegen ist die Wertschätzung, die Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegekräfte aus der Bevölkerung erhalten. Das ergab eine große Umfrage der Ärztezeitung sowie von Springer Pflege unter diesen Berufsgruppen. 

Auffallend ist allerdings, dass die Pflegekräfte überwiegend der Meinung waren, die Wertschätzung würde sich nicht lange halten.

„Die Sorge ist berechtigt. Pflege hat immer noch keine ausreichend gute Lobby.“ 

Vera Lux, Managementberaterin für Pflege und Health Care und ehemalige Pflegedirektorin der Unikliniken Köln

Sicherlich gestärkt worden seien aber digitale Formate der Aus- und Fortbildung in der Pflege. 

Mehr Aufmerksamkeit erhält zukünftig auch die gesundheitliche Daseinsvorsorge, ein bislang vernachlässigtes Thema. Das betrifft nicht nur mangelnde Testkapazitäten und Mund-Nasen-Masken. „Man muss sich in solchen Krisenzeiten zum Beispiel auch Gedanken machen über die Kinder im ersten Lebensjahr, deren Impfprogramme dann nicht eingehalten werden können“, erklärt der Gesundheitsunternehmer Heinz Lohmann. Für eine besseres Gesundheitswesen sind die fast 10 Milliarden Euro gedacht, die die Bundesregierung aus ihrem Konjunkturpaket zur Verfügung stellt. Davon gehen ca. zwei Milliarden in die Bevorratung, unter anderem in die Produktion von medizinischer Schutzausrüstung in Deutschland. Vier Milliarden Euro bekommen die Gesundheitsämter, die eine wichtige Rolle bei dem Kampf gegen die Pandemie spielten, technisch zum Teil aber noch kümmerlich ausgestattet sind.

„Es kann nicht sein, dass die Labore zum Teil noch Faxe an die Gesundheitsämter schicken mussten.“

Jens Spahn

Drei Milliarden Euro erhält der Krankenhaus Strukturfonds zusätzlich um die digitale Infrastruktur auszubauen und um mehr Notfallkapazitäten vorhalten zu können. Eine nationale Initiative soll sich um die Versorgung mit Impfstoffen kümmern. Für die Forschung und Produktion sind hier 770 Millionen Euro vorgesehen. Aber auch Europa muss in Sachen Impfstoffe wieder eigenständiger werden. Die EU-Gesundheitsminister beschlossen daher auf einer Ministerratssitzung vergangene Woche, mehr Impfstoffe bereitzuhalten.

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