Studien zur Lage der Pflege finden eher selten den Weg in die Tagesmedien. Das gelang jedoch der Studie „Ich pflege wieder, wenn…“ der Arbeitnehmerkammer Bremen, des Instituts Arbeit und Technik Gelsenkirchen und der Arbeitskammer des Saarlandes. Gefördert wurde die Studie durch die Hans Böckler Stiftung. Das zentrale Ergebnis der Umfrage: Die Hälfte der Teilzeitkräfte und 60 Prozent der Ausgestiegenen wären bereit, in den Beruf zurückzukehren beziehungsweise könnten sich ein Aufstocken der Stunden vorstellen. Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung kommentierte in der Pressekonferenz: „Es ist also möglich, den Teufelskreis, dass immer weniger zu noch weniger Pflegekräften führen, zu durchbrechen“.
„Das Ergebnis hat uns schon überrascht. Eine solch große Bereitschaft zur Rückkehr hatten wir nicht erwartet.“
Jennie Auffenberg, Referentin für Gesundheits- und Pflegepolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
Die Studie ist ihrer Form einzigartig, weil es die erste wissenschaftlich fundierte Studie mit einer so großen Teilnehmeranzahl ist.
An der Online-Befragung haben bundesweit rund 12.700 ehemalige und aktive Pflegekräfte teilgenommen. Anlass war die Bremer Pilotstudie, die für Bremen eine hohe Zahl an Rückkehrwilligen ermittelt hatte. Die große Studie sollte dieses Potenzial für ganz Deutschland untersuchen.
Mehr Personal, eine angemessene Bezahlung und verlässliche Arbeitszeiten. Das wünschen sich die befragten Pflegekräfte am allermeisten. Die Forderungen sind natürlich nicht neu.
„Neu war, dass das Miteinander eine große Rolle spielt. Die Kollegialität wurde in der Befragung sehr hoch bewertet. Die Pflegekräfte wünschten sich auch mehr Wertschätzung durch Vorgesetzte.“
Jennie Auffenberg
Die Umfrage untersuchte, ob die Rückkehrwilligen sich aktiv um eine neue Arbeit in der Pflege bemühen. Immerhin ein Drittel der Befragten hatte sich bereits mit Stellenangeboten beschäftigt, knapp sechs Prozent standen im Kontakt mit einem Arbeitgeber. Alle überlegen mindestens einmal im Monat, in den Beruf zurückzukehren.
Die Frage aller Fragen ist nun: Wie schnell können sich Arbeitsbedingungen ändern, um dem Notstand in der Pflege zumindest etwas zu entschärfen. Denn der Mangel an Fachkräften wird in Zukunft noch dramatischer werden als bisher gedacht. So errechnete der Barmer-Pflegereport vor einigen Monaten die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf etwa sechs Millionen Menschen. Bislang ging man noch von rund fünf Millionen aus. Das bedeutet aber auch, dass in acht Jahren noch weitere 180.000 Pflegekräfte zusätzlich fehlen werden. Außerdem werden sich etwa 500.000 Pflegefachkräfte in den nächsten zehn bis zwölf Jahren in die Rente verabschieden. Und bekanntlich dauert es mittlerweile durchschnittlich 230 Tage, bis die Stelle einer Krankenpflegefachkraft besetzt werden kann, 210 Tage sind es bei Altenpflegefachkräften.
Eine Forderung stellen die Autoren der Studie an die erste Stelle:
Eine Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Pflegebedarf ausrichtet. Für die stationäre Langzeitpflege existiert sie bereits (im Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, GVWG).
Mitte nächsten Jahres soll sie mit einer Quote von maximal 40 Prozent der insgesamt zu erreichenden Personalausstattung in Kraft treten. Ob die Quote die Situation der Pflege verbessern wird, ist jedoch alles andere als sicher. „Das kann nur ein erster Schritt sein. Aber immerhin hat der Koalitionsvertrag der Bundesregierung in Aussicht gestellt, das Verfahren zu beschleunigen, damit möglichst schnell 100 Prozent erreicht werden“, zeigt sich Referentin Auffenberg vorsichtig optimistisch. Auch die ambulante Langzeitpflege braucht ein neues Konzept für die Personalbemessung. Im Krankenhausbereich gelten immer noch die oft kritisierten Personaluntergrenzen. Hier hat die Selbstverwaltung im GVWG die Aufgabe erhalten, ein vergleichbares Personalbemessungsinstrument wie in der stationären Langzeitpflege zu entwickeln. Es wird aber mindestens bis Ende 2024 dauern, bis die Vorschläge auf dem Tisch liegen. Bis dahin soll eine Interimslösung helfen. Die PPR 2.0, quasi die Pflegepersonalregelung (PPR) von 1992 reloaded. Auf die Welt gebracht hat sie vor zwei Jahren ein Bündnis, das sonst selten Einigkeit zeigt, nämlich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die Gewerkschaft ver.di und der Deutsche Pflegerat. Die Einführung der PPR 2.0 steht im Koalitionsvertrag. Ob sie tatsächlich kommt, ist unklar. „Aus dem Gesundheitsministerium hört man zu diesem Punkt unterschiedliche Dinge“, erklärt Jennie Auffenberg.
Weniger kostenintensiv als die neue Personalbemessung sind andere Wege, die den Pflegeberuf trotzdem ein bisschen attraktiver für Rückkehrerinnen machen können. Und die sich schneller umsetzen lassen.
In der Umfrage nannten die Befragten verlässliche Dienstpläne als genauso wichtig wie eine angemessene Bezahlung.
Springerpools oder Mobilteams sind hier eine Möglichkeit für diejenigen, die ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen wollen und bei Bedarf auf den Stationen aushelfen. Oder man gestaltet zum Beispiel bestimmte Dienste attraktiver durch höhere Bezahlung oder durch einen Freizeitausgleich. Wichtig war den Befragten aber auch die Wertschätzung durch Vorgesetzte. Ein relatives einfaches Mittel, die Zufriedenheit mit der Arbeit zu erhöhen. Unter Umständen müssen sich Führungskräfte also fortbilden, damit sie ihre Leitungsfunktion besser wahrnehmen können. „In all diesen Bereichen tut sich zwar einiges, aber es ist noch viel Luft nach oben“, sagt Jennie Auffenberg.