Das Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) in Stuttgart ist hierzulande das einzige Krankenhaus, das eine festangestellte Kunstbeauftragte beschäftigt. Kunst im Krankenhaus? Kliniken erkennen mehr und mehr, dass neben Hochleistungsmedizin auch ein heilungsförderndes Umfeld notwendig ist. Dort, wo die Sinne durch Kunst gezielt angesprochen werden, fühlen sich Patienten, Angehörige und Mitarbeiter gut aufgehoben und ihr Gesundungs- und Gesunderhaltungsprozess wird aktiviert. Das RBK geht diesen Weg mit zeitgenössischen, originalen Kunstwerken, seit die Robert-Bosch-Stiftung 1998 das Projekt „Kunst im RBK“ ins Leben rief. Mit Isabel Grüner, festangestellte Kunstbeauftragte am RBK, sprach Insa Lüdtke über ihre Arbeit.
Frau Grüner, was macht eine Kunstbeauftragte im Krankenhaus?
Isabel Grüner: Das lässt sich in zwei Sätzen kaum umreißen, denn mein Aufgabengebiet ist sehr vielfältig. Wenn mich Kollegen sehen, sagen Sie, „jetzt kommt die Kunst“. Das zeigt schon ein wenig, dass ich als studierte Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin mit Erfahrungen im Museumsbereich eine absolute Exotin im Haus bin. Ich bin aber sehr froh, in einem solch spannenden Umfeld mit einem so breiten Spektrum zu arbeiten. Im Krankenhaus bildet sich schließlich das ganze Leben ab – von der Geburt bis zum Tod. Hier ist Kunst genau richtig, mit den großen Themen beschäftigen sich Künstler seit jeher.
Zurück zu Ihrer Frage: Ich bin zum einen verantwortlich für die Sammlung von rund 800 Werken. Das bedeutet, dass ich sie nach und nach inventarisiert, und ihnen im Haus einen Platz gebe, bei Umzügen wandern sie vorübergehend ins Depot und andere werden ausgestellt. Eine weitere Aufgabe ist die Konzeption und die Koordination von Kunst-am-Bau- Projekten mit den Künstlern und Architekten. Last but not least gehört es auch zu meiner Arbeit, die Kunst intern sichtbar zu machen etwa mit Führungen oder Texten zur Kunst, die bei den jeweiligen Kunstprojekten aushängen. Viele der Mitarbeiter, die hier schon jahrelang arbeiten, kennen unser Kunstkonzept noch gar nicht.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Kunst sowie die Künstler aus?
Isabel Grüner: Ich schlage Künstler oder einzelne Kunstwerke vor. Gemeinsam mit einer Kunstkommission und der Krankenhausleitung werden einzelne Werke und Projektentwürfe ausgewählt. Wie bei einem Museum oder einer Galerie geht es uns um einzigartige Positionen. Schließlich bieten wir hier Spitzenmedizin auf höchstem Niveau – das muss sich auch in der Kunst widerspiegeln. Wir wollen, wenn es um Kunst im Krankenhaus geht, also weg vom Image einer gefälligen Deko hin zu einer ernsthaften Auseinandersetzung.
Gleichzeitig wollen wir nicht abgehoben sein, sondern mit den Werken Menschen berühren. Diese Auswahl ist also gar nicht so einfach.
Letztlich haben wir in stets in unseren Entscheidungen Geschick bewiesen, Künstler zu gewinnen, die sicher mit Raum umgehen können – das ist sicherlich ein ganz entscheidendes Kriterium.
Ein weiteres ist die Professionalität der Künstler, die ein Studium an einer Staatlichen Akademie abgeschlossen haben und die Kunst hauptberuflich praktizieren.. Wenn es nicht um Kunst am Bau, sondern um gehängte Exponate geht, stehen durch die baulichen und betrieblichen Bedingungen im Krankenhaus, wie etwa ein Wandschutz auf den Stationsfluren- eher schmale Querformate im Fokus.
Welche Ideen verfolgen Sie mit der Kunst im Haus, gibt es ein Konzept?
Isabel Grüner: Durchaus! Vielfalt ist sicherlich die Kernidee. Wir laden mindestens drei Künstler zu einem Wettbewerb ein, wenn eine Station, ein Funktions- oder ein Durchgangsbereich – etwa vor den zentralen Fahrstühlen, der sich über mehrere Geschosse erstreckt-gestaltet werden soll. Dadurch bekommt jeder Bereich ein individuelles Erscheinungsbild. Damit wollen wir eine gewisse Abwechslung in die Krankenhausmonotonie bringen, die Menschen mit den unterschiedlichen Positionen sinnlich anregen und ihnen bei der Orientierung im Haus helfen.
Schließlich ist unser Anspruch, dass die Kunstprojekte die spezifischen Patientenbedürfnisse etwa einer Geburtsstation oder einer Intensivstation berücksichtigen.
Daneben gestalten wir auch Wartebereiche oder lange Flure. Hier geht es eher darum, dem Betrachter mit farblichen und motivischen Gestaltungen den Stress des Wartens zu mildern und den Weg optisch abwechslungsreich zu gestalten. So sollen also Patienten, Besucher und Mitarbeiter quasi im Vorübergehen die Möglichkeit erhalten, etwas Abstand zum Krankenhausalltag zu gewinnen.
Sie hatten schon erwähnt, dass Sie die Kunst in Architektur integrieren. Wo sind hier die Herausforderungen?
Isabel Grüner: Ich sage mal so, Kunst und Architektur sollten idealerweise eine Einheit bilden. Ich erlebe sehr häufig, dass Architekten Künstler zuerst einmal als Konkurrenz betrachten und sich schwertun, in gestalterischen Fragen gleichberechtigt mit ihnen zusammenzuarbeiten. Letztlich ist auch ein Umdenken bei Bauherren und Auftraggebern notwendig, Künstler bereits in der Phase 0, also zu Beginn der Entwurfsphase, miteinzuladen.
Natürlich stellt uns das Gebäude auch vor Herausforderung, die Künstler oft sehr geschickt lösen: Die oftmals geringen Deckenhöhen sind ein Thema. Apropos Decke, hier haben wir es mit Lüftungsauslässen und Revisionsklappen zu tun. Gerade auf den Intensiv- und Notfallstationen, wo Patienten oft ausschließlich auf dem Rücken liegen, sind Decken wichtige Gestaltungsbereiche.
Auf der anderen Seite setzen uns auch manche Kunstwerke selbst Grenzen, sie im Krankenhaus auszustellen. So ist die hohe Lichtintensität für so manches Werk ein Problem, gerade Fotografien vertragen nur geringe Menge an Licht. Solche Aspekte schränken die Platzierung manchmal schon ein. Allerdings bergen – Zwänge auch eine Chance für so kreative Lösung: So hat ein Künstler etwa die schmalen Flure durch auf Spiegelfolien geplottete Motive optisch erweitert. Oder die Lüftungsrosetten werden von den Künstlern in ihre künstlerischen Deckengestaltungen integriert, so dass sie ihre Dominanz verlieren.
Wie ist die Resonanz auf die Werke und Ihre Arbeit?
Isabel Grüner: Grundsätzlich wird die „Kunst im RBK“ sehr positiv bis begeistert aufgenommen. Sie füllt ein Vakuum, das die moderne schmucklose Architektur hinterlässt. Wir haben auch interaktive Kunstprojekte realisiert, bei der Patienten und Mitarbeiter mit einbezogen wurden. Das Wortkunstprojekt von Rupprecht Matthies etwa, das er auf den Passagenwänden gegenüber der zentralen Aufzügen realisiert hat, gehört heute noch zu den Lieblingsprojekten der Mitarbeiter. Es hat unmittelbar etwas mit ihrer Arbeit, und ihrer Motivation zu tun und regt sie jeden Tag anders an.
Kunst ist ein Angebot. Nicht jede Art von Kunst spricht jeden an. Aber ich bin überzeugt, dass bei der Vielfalt an künstlerischen Themen und Stilen bei uns im Haus, jeder Patient und jeder Mitarbeiter etwas findet, dass ihn anspricht und berührt. Das bestätigt sich auch in den Rückmeldungen in unserer Feedback-Box. Manchmal wird Kunst nicht erkannt, weil sie sich so harmonisch in die Architektur einfügt. Die Grenzen zwischen Kunst und Design sind zuweilen fließend, nur dass Kunst immer individuell in ihrer Aussage bleibt.
Im Sinne von Healing Environment, einer Bewegung im Health Care Design, die es schon seit den 1980er Jahren vor allem in den englischsprachigen und skandinavischen Ländern gibt, ist es unstrittig, dass sich eine stimmungsvolle Umgebung positiv auf den Genesungsverlauf auswirkt. Ob es dabei einen Unterschied macht, ob es eine Fototapete oder eine gerahmte Fotografie ist, ist sicherlich eine Geschmacks- oder Stilfrage. In jedem Fall ist es sinnesärmer und damit auch schmerzhafter ohne Kunst. Leute verstehen es als Wertschätzung, wenn ihr Umfeld mit Kunst individuell gestaltet ist, sie nehmen diese aufmerksame Geste sehr persönlich. In zahlreichen Studien aus dem angelsächsischen Sprachraum ist mittlerweile bewiesen, dass Kunst in den Patientenzimmern die Aufenthaltszeit verkürzt und die Einnahme von Schmerzmitteln verringert.
Was meine Arbeit als Kunstbeauftragte angeht, ist es sicherlich weiterhin wichtig, die Wirkung der Kunst zu evaluieren, um aus den daraus gewonnen Erkenntnissen Rückschlüsse für weitere patientenorientierte Kunstprojekte ziehen zu können. Das bedeutet nicht, dass die Künstler dadurch in ihrer ideellen und gestalterischen Freiheit eingeschränkt werden. Sie bekommen lediglich klarere Leitlinien vorgegeben, an denen sie sich orientieren können.
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