Die Heilpädagogische Hilfe Osnabrück bietet mit rund 1800 Mitarbeitern ein weites Dienstleistungsspektrum in der Behindertenhilfe, Pflege sowie den Querschnittsbereichen Bildung, Wohnen und Arbeiten. Heiner Böckmann ist seit 15 Jahren Geschäftsführer der Heilpädagogische Hilfe Osnabrück und verfügt über ein weites Erfahrungsfeld zum Thema Führung. Wir haben mit Herrn Böckmann darüber gesprochen, was er unter „Neuer Führung“ versteht und welchen Einfluss eine Wertekultur auf den Erfolg von Führung hat.

Neue Führung – Professionell. Inklusiv. Digital. Eigenverantwortlich – Empathische Wertekultur als nachhaltiger Lernprozess in Unternehmen

Herr Böckmann, was bedeutet grundsätzlich Führung für Sie?

Wenn wir grundsätzlich über Führung nachdenken, dann geht es mir um die Befähigung von Menschen, mit ihnen ein gemeinsames Ziel selbstbewusst und selbstverantwortlich zu erreichen. Besonderes Gewicht lege ich hier auf die Selbstführung. Diese zunächst bei der Führungskraft und dann auch bei den zu führenden Menschen. So nimmt „gute Führung“ den Menschen in seiner ganzen Individualität in den Blick und versucht, Visionen gemeinsam zu teilen.    

Was sind für Sie die Eckpfeiler einer „Neuen Führung“?

Für eine „Neue Führung“ bedarf es zunächst ein festes Fundament. Dieses Fundament basiert nach meiner Einschätzung auf einer – auch spirituellen – Grundhaltung, die die Würde jedes einzelnen Menschen in das Zentrum nimmt. 

Ein wesentlicher Eckpfeiler der „Neuen Führung“ ist die Beziehungsfähigkeit, die authentisch und verbindlich ausgerichtet ist. Ein weiterer Pfeiler ist Vertrauen: Vertrauen motiviert zu Entwicklung, Veränderung und Innovation.

Eine vertrauensvolle Haltung muss im Menschenbild der gesamten Organisation verankert sein. In solch einem Kosmos sind Mitarbeitende bereit, sich einzubringen, aktiv mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen.

Auch Verantwortung ist eine wichtige Säule einer „Neuen Führung“ und verantwortliches Handeln liegt nicht nur auf den Schultern weniger, sondern aller. 

Eine offene, aktive Lernkultur sehe ich als nächste Voraussetzung. Aus einer Vertrauens- und Verantwortungshaltung heraus kann Fehlverhalten thematisiert, analysiert und selbststeuernd in einen Lernprozess eingebracht werden. Dadurch werden Mitarbeitende befähigt, Veränderungen einzuleiten und Innovationen zu gestalten.

Herr Böckmann, Sie begreifen „Neue Führung“ als nachhaltigen Lernprozess besonders in Hinblick auf eine empathische Wertekultur. Was genau verstehen Sie darunter?

Das Teilen von individuellen Sehnsüchten und die Befähigung, gemeinsame Visionen zu entwickeln, empfinde ich grundlegend für eine „Neue Führung“. Hier halte ich es mit Antoine de Saint-Exupéry, dem es beim Bau eines Schiffes nicht um reine Managementmethodik geht, sondern vielmehr die Führungsaufgabe in der Befähigung der Menschen sieht, die „Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“ zu entwickeln und zu teilen.

Das Formulieren von Wünschen, das gemeinsame Sprechen und Aushandeln dieser individuellen Grundempfindungen führen für mich zu einer empathischen Wertekultur.

Dabei sind Respekt, Toleranz, Transparenz und Vertrauen wichtige Schlüsselhaltungen.

Wie kann man eine Wertekultur im Unternehmen verankern?

Erste Schritte einer Verankerung der Wertekultur ist der Austauschprozess in der Organisation über den gemeinsamen historischen Geschichtskontext: Wo komme ich/wo kommen wir her? Gleichzeitig gilt es, eine gemeinsame Zukunftsvorstellung zu entwickeln: Wo wollen wir hin?

Wir haben in einem sehr intensiven Leitbildprozess Werte und Werthaltungen auf allen Ebenen des Unternehmens diskutiert und uns verbindliche Prinzipien des gegenseitigen Umganges gegeben.

Führungsleitlinien haben wir aus einer gemeinsamen Wert-Haltung abgeleitet und sie dann in unseren „Leitlinien für Zusammenarbeit und Führung“ auf alle Mitarbeitenden übertragen. Diese gilt es nun, in einem ständigen Dialog zu reflektieren und mit begleitenden Maßnahmen der persönlichen und fachlichen Qualifikation zu festigen. 

Welche Eigenschaften sollte eine Führungskraft besitzen?

Als erstes hat sich eine Führungskraft selbst zu führen. Sie muss sich ihrer Grundhaltungen und Werte bewusst sein. Diese zeigen sich in den gelebten „Kleinigkeiten“ im Alltag: wie Höflichkeit, Achtung und Aufmerksamkeit.

Auch bedarf es einer Bewusstheit, wie ich als Führungskraft mit meinen Worten oder meiner Körpersprache wirke.

Selbstkritische Reflexion und auch die Bereitschaft, sich sagen zu lassen, wie andere mich wahrnehmen, was andere stört, gehört zu den Kerneigenschaften.

Es erfordert den Willen, ständig an sich selbst zu arbeiten: unakzeptables Verhalten abzulegen, bequeme Gewohnheiten zu verlassen und neues Verhalten zu üben, bestenfalls durch externe Unterstützung.

Welche Rolle spielt für Sie Eigenverantwortung und Mut?

Die Übernahme von Eigenverantwortung gilt für alle Mitarbeitenden. Sich als erstes selbst zu führen – sich ständig zu reflektieren. Hierzu gehört auch, sich so zu zeigen wie man ist – ohne Masken und unter Einbeziehung unserer verschiedenen intelligenten Zentren „Bauch – Herz – Kopf – Intuition“. 

Gleichzeitig sind alle aufgefordert, sich an der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Unternehmens zu beteiligen. Führung bedarf auch den Mut, sich aus eigener Initiative einzubringen und auch das Gegenüber dazu zu befähigen. Dies ist ein Lernprozess für alle. 

Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in den Führungsprozess ein, wenn ja, wie?

Mitarbeitende werden und sind fest eingebunden. Wenn Führungskräfte durch Vertrauen und Selbstführung agieren, dann können Sie Mitarbeitende zur gleichen Haltung befähigen und diese in die „Neue Führung“ einbeziehen.  

Natürlich arbeiten wir auch mit Mitarbeiterbefragungen und Mitarbeitergesprächen. Grundsätzlich aber wünschen wir uns die Ermutigung, dass Führungskräfte sich eine direkte Rückmeldung einholen. Auch die Reflexion unserer „Leitlinien für Zusammenarbeit und Führung“ erfolgt mit allen Mitarbeitenden.

Welche Stolpersteine oder Hinderungsgründe gibt es bei der Umsetzung von Veränderungsprozessen?

Es gibt viele Möglichkeiten, Entwicklungen zu verhindern. Hierzu zählen zum Beispiel:

  • Nicht wahrnehmen (wollen), welche Veränderungen am Markt stattfinden
  • Überheblichkeit (Arroganz) „wir wissen, wie es am besten läuft“
  • Hohes Beharrungsvermögen, an dem, was nicht mehr passt und trotzdem daran festzuhalten

Hindernisse können sogar pathologische Züge annehmen wie bewusstes Schlechtreden, Zerstörung von Werten, Feindseligkeiten, Misstrauen bis hin zu übergroßer Angst und Resignation der Mitglieder einer Organisation.

Herr Böckmann, wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was wünschten Sie sich als Geschäftsführer von Ihren Mitarbeitern zum Thema „Neue Führung“?

Ich wünsche mir von uns allen, dass wir gemeinsam diesen Prozess entwickeln und gestalten, offen, mutig und selbstkritisch; dass wir es schaffen, sämtliche Mitarbeitende mitzunehmen und diese sich befähigt fühlen, eigenständige Entscheidungen in Verantwortung zu fällen. 

Herr Böckmann, Vielen Dank für das Interview!

Weitere Information: www.os-hho.de

Foto Copyright: Detlef Heese 

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