In der letzten Woche erreichte uns die Nachricht vom Antrag der SPD-Fraktion „Rettungsprogramm für die Pflege – Was NRW jetzt tun muss!“ für den Landtag in NRW. Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege begrüßt es ausdrücklich, dass sich die SPD für die Pflege im Land stark macht. Grundsätzlich teilen wir in sehr vielen Punkten die dort vorgenommene Analyse und können den Einschätzungen der SPD-Landtagsfraktion zur aktuellen Situation weitgehend zustimmen. Wir würden aber gerne einige ergänzende und vertiefende Hinweise für die hoffentlich in Gang kommende Debatte über dringend notwendige Korrekturen in der Pflegepolitik übermitteln.
Beginnen möchten wir mit dem Thema der „finanziellen Absicherung“.
Grundsätzlich finden wir gut, dass der Antrag endlich das gerade laufende Sterben von Einrichtungen in den Fokus nimmt und Maßnahmen zur Problemlösung in die politische Debatte einbringt. Uns als Arbeitgeber in der Pflege erscheint es aber viel wichtiger in diesem Zusammenhang den Blick darauf zu richten, was die Ursachen dafür sind, dass die Einrichtungen und Dienste trotz konstant hoher Nachfrage in Schieflage gekommen sind. Inflation gibt es schließlich auch in anderen Branchen. Es ist offensichtlich, dass es in der Pflege systembedingte Mechanismen gibt, die schnellen, unbürokratischen und zielorientierten Maßnahmen entgegenstehen. In der stationären Pflege hat die Misere aus unserer Sicht mit dem GEPA und dem daraus folgenden Chaos in der Investitionskostenrefinanzierung begonnen. Stand „Heute“ haben wir für Einrichtungen, in denen bereits im Frühjahr neue Pflegesätze beantragt wurden, noch immer vielerorts keine Angebote vorliegen. In der ambulanten Pflege ist das Ringen um eine auskömmliche Vergütung in Zeiten von hoher Inflation und steigenden Personalkosten ebenfalls seit vielen Monaten im Gange. Sofern es dann irgendwann Angebote gibt, liegen diese unendlich weit von den tatsächlichen Ist-Kosten entfernt. Das Prinzip der Begegnung auf Augenhöhe mit den Kostenträgern ist nicht zuletzt durch die strukturelle Überforderung und Überlastung von Schiedsstellen, Pflegesatzkommission o.Ä. schon lange nicht mehr vorhanden. Folgeerscheinungen der Pandemie wie z.B. der erhöhte Personalbedarf durch eine massiv gestiegene Ausfallquote finden wenig Berücksichtigung! Damit wird die Pflege massiv im Stich gelassen!
Die Folge: Einrichtungen und Träger lassen sich aus der Not heraus auf Deals ein, um zumindest einen Teil der notwendigen Refinanzierung zu sichern, was in der Konsequenz jedoch zu finanziellen Schieflagen führt. Hier liegt aus unserer Sicht ein Systemversagen der Selbstverwaltung vor. Das Problem dabei: Politik schaut tatenlos zu. Hinweise aus der Praxis wurden und werden ignoriert! Genau hier sehen wir zwingenden Handlungsbedarf, wo Politik ansetzen und handeln muss, ansonsten sind die Mittel aus einem etwaigen Schutzschirm schnell verpufft und das Problem wird allenfalls nach hinten verschoben.
Es sollte unseres Erachtens daher zeitnah eine entscheidungsfähige Taskforce, bestehend aus Vertretern der Politik, Kostenträger und Leistungsträgerseite, geschaffen und mit der Erarbeitung kurz-, mittel- und langfristiger Lösungsschritte beauftragt werden! Auf die Mitarbeit der Ruhrgebietskonferenz-Pflege können Sie zählen!!
Finanzierung von Bau- und Sanierungsmaßnahmen.
Die Refinanzierung für Neubauten ist nicht ausreichend und muss dringend der Marktlage angepasst werden. So werden keine neuen Immobilien mehr gebaut. Schon heute laufen Ausschreibungen für zusätzliche Pflegeplätze in Kommunen und Landkreisen ins Leere. Die energetische Sanierung der Bestandsimmobilien ist ebenfalls ein riesiges Thema und wird nicht angegangen. Hier liegen in Sachen Klimaschutz enorme Potenziale brach. Ein weiteres „Bau“-Thema ist der Brandschutz, der sich vielerorts verselbstständigt hat. Die Brandschutzmaßnahmen sind nicht nur Kostentreiber, sie verhindern zudem eine wohnliche Gestaltung der Einrichtungen.
In Sachen Digitalisierung…
…muss die Finanzierung für Anschaffung, Implementierung sowie Betrieb endlich verbindlich und verlässlich gesichert werden. Erfolgreiche und nützliche Anwendungen, die längst in Modellprojekten erprobt wurden, müssen in die Fläche gebracht werden.
Endlich entbürokratisieren
Ein weiteres Thema für die NRW-Pflegepolitik ist die längst überfällige Reduzierung der Bürokratie und des damit verbundenen Prüfgeschehens. Die zahlreichen – zum großen Teil sinnlosen – Meldungen und das Erstellen von Konzepten muss endlich aufhören. Zudem müssen Prüfungen reduziert und besser aufeinander abgestimmt werden.
Handlungsfeld Ausbildung
Problematisieren müssen wir aus Sicht der Langzeitpflege auch die generalistische Ausbildung. Die Praxis zeigt, dass ein Großteil der Auszubildenden nach dem Examen die Altenhilfe verlassen und sich für den fast durchweg besser bezahlten Krankenhaus- und Klinikbereich entscheiden. So werden wir auf Dauer die Qualität in den Einrichtungen und Diensten nicht gewährleisten können.
Zum Schluss noch zwei Bemerkungen zu Themen aus dem Antrag, denen wir etwas entgegenhalten wollen:
1. In vielen stationären Einrichtungen wird den Angehörigen empfohlen, für den Bargeldbetrag (wir reden schon lange nicht mehr vom Taschengeld) ein Konto einzurichten, auf das die Sozialämter den Betrag dann überweisen. Benötigen sie dann in der Einrichtung Geld, zahlen die Träger das den Bewohnern*innen aus und holen sich den Betrag über die Nebenkostenabrechnung wieder.
2. Eine bessere Bezahlung der Pflege wird „traditionell“ in jedem Forderungskatalog aufgeführt. Dazu wollen wir klarstellen: Die Bezahlung ist gut! Aktuell werben zahlreiche Träger mit der vergleichsweisen guten Vergütung. In keiner anderen Branche werden so hohe Ausbildungsvergütungen bezahlt und der Pflege-Mindestlohn liegt – insbesondere in NRW – weit über dem bundesweit gültigen gesetzlichen Mindestlohn.