Welche Entwicklungen zeigt der Markt für Sozialimmobilien? Auf welche Tendenzen können wir uns in den nächsten Jahren einstellen? Wir sprachen mit Ulrich Schartow, Geschäftsführer der BFS Service GmbH, einer Tochtergesellschaft der Bank für Sozialwirtschaft. BFS Service ist ein Beratungsunternehmen für Kunden aus der Sozial- und Gesundheitswirtschaft und begleitet Immobilienprojekte von der Ideenfindung bis zur tatsächlichen Umsetzung.
Herr Schartow, wie lässt sich das Jahr 2018 in wenigen Sätzen charakterisieren?
Ulrich Schartow: Der Pflegemarkt ist für Investoren immer noch sehr attraktiv. Bei Transaktionen waren Pflegeheime mit weitem Abstand die beliebtesten Investitionsziele, dann kamen Seniorenresidenzen. Betreutes Wohnen spielte im Vergleich eine geringere Rolle. Wir sehen einen ungebremsten Zustrom an Kapital, der sich in Transaktionen manifestiert. Auch der Konzentrationsprozess auf der Betreiberseite schreitet weiter voran.
Welche Gesellschaften waren 2018 bzw. in den Jahren davor besonders aktiv?
Ulrich Schartow: Bei den privaten Betreibergesellschaften kann man mittlerweile von einem Konkurrenzkampf an der Spitze sprechen. Das gilt vor allem für Korian und die Private-Equity-Gesellschaft Nordic Capital, die ja 2017 von dem US-Finanzinvestor Carlyle den Altenheimbetreiber Alloheim übernommen und den Expansionskurs weiter fortsetzt hat. So hat Nordic Capital dann 2018 beispielsweise den Kölner Pflegeheimbetreiber CMS gekauft.
Also geht das bisherige Wachstum weiter?
Ulrich Schartow: Ja, weil die Sozial- und Gesundheitswirtschaft kaum konjunkturabhängig ist, wenn man sie zum Beispiel mit dem Hotelmarkt vergleicht. Das führt zur Stabilität des Marktes. Das wissen auch ausländische Investoren. Und Deutschland ist da besonders interessant, weil es groß ist und in der Mitte Europas liegt. Das ist der große Pluspunkt. Die Frage ist eher: Wo bekomme ich die Kaufobjekte her? Das ist bekanntlich in Ballungsräumen sehr schwierig. Diese mangelnde Verfügbarkeit ist ein begrenzender Faktor.
Das gilt ja auch für Neubauten. Werden denn überhaupt noch Neubauten errichtet?
Ulrich Schartow: Doch, es wird gebaut, wenn auch in geringem Ausmaß. Ein neuer Aspekt ist hier, dass sich die Struktur der Investments verschiebt. Es stehen nicht nur die singulären Pflegeheime wie noch vor fünf oder zehn Jahren im Fokus, sondern die Tendenz geht hin zu Komplexeinrichtungen mit Tagespflege, betreutem Wohnen, stationärer Pflege und anderen Nutzungen. Das war früher anders.
Viele Einrichtungen sind sanierungsbedürftig. Welchen Schwierigkeiten sehen sich Investoren und Betreiber bei Sanierungen gegenüber?
Ulrich Schartow: In erster Linie einem höheren Baukostenrisiko. Neubauten lassen sich besser strukturieren und planen. Sanierungen sind deutlich anspruchsvoller. Ich muss ja zum Beispiel überlegen, welche Etagen bleiben in der Nutzung, welche nicht, was kostet mich das, was ist, wenn die Bewohner nach dem ursprünglichen Plan zurückziehen sollten, aber dann das Objekt nicht fertig ist. Oder die Wand ist nass und schimmelig. Solche Risiken machen Sanierungen risikoreicher und teurer. Es gibt aber noch einen anderen Punkt, der bei Sanierungen unbedingt zu beachten ist.
Welchen denn?
Ulrich Schartow: Wenn ein 30 Jahre altes Pflegeheim umgebaut werden muss, sollte ich wissen, wie viel Plätze benötigt werden. Wieder 100 wie vorher? Was ist für die nächsten 30 Jahre marktfähig? Für welches Angebot bekomme ich Mitarbeiter, wenn ich heute schon zehn Freistellen habe, die ich nicht besetzen kann, weil die Pflegekräfte fehlen. Investoren müssen sowohl die Nachfrageseite, also die zukünftigen Pflegebedürftigen, als auch die Mitarbeiter im Blick haben. Der Mangel an Fachkräften ist ein Riesenproblem.
Bremst der Pflegekraftmangel die Investitionsbereitschaft?
Ulrich Schartow: Nein. Es ist genug Geld da, vor allem bei institutionellen Investoren, die in die Immobilien und Betreibergesellschaften investieren können. Geld ist nicht das Problem. Aber Geld pflegt ja nicht Menschen. Hier ist es für ein Unternehmen entscheidend, ob es in der Mitarbeitergewinnung erfolgreicher ist als andere Betreiber. Unternehmen müssen schauen, wie sie sich verbessern können, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden.
Wie hoch schätzen sie insgesamt den Bedarf an Investitionen im Bereich der stationären Pflege?
Ulrich Schartow: Wir gehen bis 2021 bundesweit allein in der stationären Pflege von einem Investitionsbedarf in Höhe von ca. 19 Milliarden Euro aus, sowohl für den Bestand als auch für den Neubau. Und davon geht ein großer Anteil in die Sanierung von Gebäuden.
Kann man noch weiter in die Zukunft blicken?
Ulrich Schartow: Grundsätzlich gibt es auch für die nächsten Jahre einen hohen Investitionsbedarf. Aber da komme ich zu einer anderen Frage, die wir vorhin schon einmal kurz angesprochen haben – wie viele stationäre Plätze brauchen wir? Wir können zwar sagen, wie viele Pflegebedürftige es 2030 geben wird, weil eine hohe Korrelation zwischen Pflegebedürftigen und Alter besteht. Ich halte es aber für falsch, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass in gleicher Größenordnung die entsprechenden Pflegeplätze gebraucht werden, was das oft gemacht wird. Wir bestimmen schließlich mit, wie gepflegt und wo gepflegt wird. Wenn es gelingt, die häusliche und die ambulante Pflege zu stärken, braucht man nicht so viele Pflegeplätze.
Eine abschließende Frage: Besteht Ihrer Ansicht nach die Gefahr, dass die Pflegequalität unter privaten Investoren leidet?
Ulrich Schartow: Diese Befürchtung wird tatsächlich immer wieder geäußert. Doch gemäß den Erfahrungen aus meiner beruflichen Praxis ergab sich für mich noch nie eine Bestätigung für die These, dass ein systemischer Zusammenhang zwischen privaten Investments und mangelhafter Pflegequalität besteht. Und auch unabhängig von diesem subjektiven Eindruck sind mir keine statistisch validen Zahlen, etwa in Bezug auf die MDK-Noten, bekannt, die diese Vermutung stützen würden. Insofern sehe ich diese Gefahr nicht.