Auf dem Impfpflichtgipfel der Ruhrgebietskonferenz-Pflege am 27. Januar 2022 haben Vertreter*innen des zuständigen Landesministeriums und der Gesundheitsbehörden einer Vielzahl von Kommunen im Revier unisono betont, dass eine Verständigung auf einheitliche Vorgehensweisen und die Festlegung von standardisierten Bewertungskriterien zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht aktuell in weiter Ferne liegt. Selbst grundlegende Zuständigkeits- und Verfahrensfragen sind ungeklärt. Außerdem beklagen die Kommunen, dass sie weder personell noch fachlich die Umsetzung gewährleisten können. Auch aus dem Bundesministerium für Gesundheit heißt es jetzt, dass Mitarbeitende über den 16. März 2022 hinaus beschäftigt werden dürfen, bis die Gesundheitsämter ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot aussprechen.

Unter diesen Umständen fordert die Ruhrgebietskonferenz Pflege gemeinsam mit anderen Verbänden und Organisationen ein Moratorium für die einrichtungsbezogene Impflicht. Das bedeutet die Aussetzung des Vollzugs für Bestandsmitarbeitende in den Pflegeeinrichtungen und -diensten. Der Aufschub sollte mindestens so lange dauern bis bundesweit einheitliche Vorgehensweisen abgestimmt und verabschiedet sind. Nach deren Veröffentlichung sollten Behörden und Träger noch mindestens vier Wochen Vorlauffrist zur Umsetzung erhalten

Bis zum 15.03.2022 müssen – Stand heute – alle Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen und -diensten nachweislich entweder geimpft bzw. genesen sein oder ein anerkanntes ärztliches Attest, das sie nicht geimpft werden können, vorlegen. Andernfalls droht ihnen ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot. 

Die Gesundheitsämter, die in NRW für die Begutachtung der nicht geimpfter Mitarbeitenden sowie die Entscheidung über Sanktionen bzw. Betretungsverbote zuständig sind, sehen momentan keine Möglichkeit, diese Aufgabe personell auch noch übernehmen zu können. Allein in Essen werden rund 2.500 ungeimpfte Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen erwartet, denen am 16.03.2022 ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot ausgesprochen werden müsste, zumindest vorübergehend und bis zur Begutachtung. Eine Begutachtung dauert, so das Gesundheitsamt, rein vom Verfahrensablauf, bis zu 6 Wochen. Die Gesundheitsbehörden sehen die Verantwortung für die Umsetzung bei den Arbeitgebern. Diese weisen das entschieden zurück, da das Infektionsschutzgesetz genau diese Entscheidung den Gesundheitsbehörden und eben nicht den Arbeitgebern zuweist.  Den Arbeitgebern, mit Ausnahme der Krankenhäuser, fehlt es zwangsläufig an der medizinischen Kompetenz zur geforderten Begutachtung ärztlicher Zeugnisse zur Nichtimpfbarkeit der ungeimpften Mitarbeitenden. Die Länder können diese Begutachtung und die daraus resultierenden Entscheidungen anderen Behörden zuweisen, aber eben nicht den Arbeitgebern.

Das Gesetz sieht explizit vor, dass von der Durchsetzung der Impfpflicht abgesehen werden kann, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Doch auch dafür fehlt es bislang in jeder Hinsicht an Kriterien und Maßstäben. Die zu erwartenden regionalen und trägerspezifischen Unterschiede sind kolossal. Bislang kann niemand einschätzen, wie hoch die Fluktuation der Mitarbeitenden tatsächlich sein wird. Angesichts der Tatsache, dass aktuell die Fehlzeiten durch Krankheit und Quarantäne in der Omikron-Welle schon sehr hoch sind, droht bereits bei einer relativ niedrigen Fluktuation wegen der Impfpflicht eine Gefährdung der Versorgungssicherheit in den Krankenhäusern und der Langzeitpflege. 

Bei der aktuell hohen Belastung in den Einrichtungen und Behörden ist ein Flickenteppich bei der Umsetzung zu erwarten, der das Zutrauen in die Behörden genauso belasten wird wie das Vertrauen der Beschäftigten in die Arbeitgeber. 

Die Arbeitgeber lehnen es ab, dass die Verantwortung für die Durchsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auf ihre Schultern abgelegt wird.  Die Gesundheitsbehörden sind in der Pflicht. Ist diese Pflicht nicht erfüllbar, muss bis zur Klärung der behördlichen Zuständigkeit der Vollzug des §20a IfSG ausgesetzt werden. 

Zugleich müssen die Arbeitgeber für den Gesetzgeber die arbeitsrechtlichen Konsequenzen des Bundesgesetzes, die scheinbar nicht ausreichend bedacht wurden, klären. Denn bei unterschiedlichen Abläufen und unklaren Kriterien erwarten die Unternehmen eine Vielzahl von Arbeitsgerichtsprozessen, die Personalressourcen binden und viel Geld kosten werden. Ressourcen und Geldmittel, die an anderer Stelle dringend benötigt werden und in keiner Vergütungsverhandlung seitens der Pflegekassen anerkannt werden. Sprich: die Einrichtungen bleiben auf den Kosten sitzen. Auch wird im Augenblick jeder Kopf und jede Hand gebraucht.

Die Ruhrgebietskonferenz Pflege fordert deshalb ein Moratorium, damit Politik und Verwaltung ausreichend Zeit für die Entwicklung geeigneter Abläufe und Vorgaben haben, um dann mit den notwendigen Ressourcen für eine Umsetzung sorgen zu können. Die gegenseitige Zuweisung von Verantwortung und Zuständigkeit muss aufhören. Angesichts der Vielzahl von ungeklärten Fragen ist ein Aufschub unabdingbar. 

Mehr Informationen über die Ruhrgebietskonferenz-Pflege:
www.ruhrgebietskonferenz-pflege.de

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