Sexualisierte Gewalt in Pflegeheimen ist ein relevantes Phänomen. Entsprechend wichtig ist deren Prävention. Grundlegend hierfür sind die Sensibilisierung und Schulung der Pflegenden. Dafür hat das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) wissenschaftsbasiertes Arbeitsmaterial entwickelt.

Sexualisierte Gewalt kommt in der stationären Langzeitpflege nicht nur ausnahmsweise vor. Diese kann in verschiedenen Konstellationen auftreten und alle Personengruppen, die in einer Pflegeeinrichtung zusammenkommen, betreffen. Opfer sexualisierter Gewalt werden zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bewohnerinnen und Bewohner oder Gäste der Einrichtung. Besonders verletzlich sind ältere pflegebedürftige Menschen. Sie können sich oftmals schlecht wehren, und sind tendenziell ausgeliefert. Aus verschiedenen Gründen wird ihre Not vielfach nicht erkannt, etwa weil sie aus Scham schweigen, weil sie sich nur schwer mitteilen können – und weil nicht aufmerksam hingeschaut wird. Die Forschung geht davon aus, dass die meisten Vorfälle im Verborgenen bleiben. 

“Sexualisierte Gewalt kann sich in vielfältiger Weise zeigen – durch Worte, Gesten, durch Körperkontakt aber auch in anderer Form. Sie muss nicht böswillig oder sexuell motiviert sein. Das Spektrum reicht von der Missachtung von Schamgrenzen z. B. bei der Körperpflege, erniedrigend empfundenen Bemerkungen, unangemessenen Berührungen, Fotografieren entblößter Personen bis hin zu massivem Missbrauch.”

PD Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP

Das Auftreten von sexualisierter Gewalt kann strukturell oder durch individuelle Faktoren, wie Erkrankungen, begünstigt sein. Und sie kann beispielweise von Mitbewohnerinnen oder Mitbewohnern in einer Einrichtung, dort Beschäftigten oder externen Dienstleistern, ehrenamtlich Unterstützenden oder Angehörigen ausgeübt werden. Die Auswirkungen von sexualisierter Gewalt auf die Gesundheit und Lebensqualität von Betroffenen können dabei schwerwiegend sein. Entsprechend kommt Einrichtungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine erhebliche Verantwortung für präventives Handeln zu – vor allem auch in Bezug auf die besonders vulnerablen Bewohnerinnen und Bewohner. 

Um hierbei zu unterstützen, hat das ZQP frei zugängliches Arbeitsmaterial für die professionelle Pflege entwickelt. Dieses entstand auf Basis von fünf Forschungsbeiträgen im Projekt “Sexuelle/Sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege in Deutschland”. Das Projekt wurde vom ZQP und der DHPol gemeinsam durchgeführt und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

“In manchen Einrichtungen ist sexualisierte Gewalt noch ein Tabuthema oder wird zumindest nur sehr begrenzt behandelt. Unsere Ergebnisse sollen insbesondere dazu beitragen, ein Bewusstsein für das Phänomen, mögliche Grenzüberschreitungen und differenzierte Wahrnehmungen – gerade auch im Kontext Demenz – zu stärken.” 

Dr. Simon Eggert, Leiter des Projekts am ZQP

Das Arbeitsmaterial bietet Wissen und praxisbezogene Anregungen zur Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Bewohnerinnen und Bewohner. Es ist dialogoffen angelegt und soll die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema und die Reflexion eigener Praxiserfahrungen fördern. Vermittelt werden bspw. Informationen über Erscheinungsformen und mögliche Anzeichen sexualisierter Gewalt sowie Einflussfaktoren. Zudem werden konkrete Anregungen für strukturelle, prozessbezogene und individuelle Maßnahmen zur Prävention aber auch zum Vorgehen bei Vorfällen gegeben. Die Präsentationsfolien und Arbeitsblätter können in Pflegeeinrichtungen sowie im Unterricht an Pflegeschulen eingesetzt werden. Sie richten sich primär an Pflegende und Leitungspersonen, können aber auch interdisziplinär zur Schulung aller Beschäftigten von Pflegeeinrichtungen auf allen Ebenen genutzt werden. 

Das Material sowie der Abschlussbericht zum Projekt sind über das ZQP-Portal  www.pflege-gewalt.de frei zugänglich, können kostenlos heruntergeladen und verwendet werden.

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