„Pflegepolitik ist mehr als Infektionsschutz!“
Gemeinsam mit dem Streetartkünstler Thomas Baumgärtel setzt die Ruhrgebietskonferenz-Pflege ein Zeichen für die Rückkehr zur Normalität in der Pflege und lässt die „Impfbanane“ an den Glockenturm auf dem Pflegecampus des Christophoruswerkes in Duisburg Meiderich sprayen.
„Seit über zwei Jahren leben und arbeiten wir im Ausnahmezustand. Wir brauchen endlich eine Perspektive für unsere Mitarbeitenden und die Menschen, die bei uns leben. Pflegepolitik ist mehr als Infektionsschutz.“
Ulrich Christofczik, Vorstand vom Christophoruswerk in Duisburg und Sprecher der Arbeitgeberinitiative Ruhrgebietskonferenz-Pflege
Während überall im Land die Schutzmaßnahmen zurückgefahren werden und ein Stück Normalität im Alltag der Menschen einkehrt, herrscht in der Pflege weiterhin Alarmstimmung. Ulrich Christofczik: „Dieser Zustand ist auf Dauer zermürbend. In unseren Einrichtungen leben die Menschen ihren Alltag mit Hilfe- und Unterstützungsbedarf. So war es wenigstens vor der Corona Pandemie. Seit zwei Jahren leben die Bewohner*innen und deren Angehörige mit der Angst vor Ansteckung mit Kontaktbeschränkungen und unter extrem kontrollierten Bedingungen. Ein Ende ist nicht absehbar. Pflegepolitik ist auf Coronabekämpfung reduziert. Ich nenne das Politikversagen!“
Es fehlt ein ernst gemeintes Dankeschön
In den Einrichtungen und Diensten der Mitglieder aus der Ruhrgebietskonferenz-Pflege sind rund 98 % der Bewohner*innen durch eine Impfung geschützt und fast 99 % der Beschäftigten haben sich freiwillig immunisieren lassen. „Da fehlt uns von der Politik ein ernst gemeintes Dankeschön. Stattdessen werden wir mit der Debatte über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht immer wieder von Politik und Medien mit Vorwürfen und Vorhaltungen konfrontiert, die den Beschäftigten ihr Verantwortungsbewusstsein absprechen“, spitzt der Vorstand des größten Pflegearbeitgebers in Duisburg zu. Der gerade verabschiede Pflegebonus ist für ihn „Geldverschwendung, auch wenn ich die Bonuszahlung unseren Mitarbeitenden von Herzen gönne. Vielen Beschäftigten wäre aber mit zusätzlichen Kolleg*innen, die mit anpacken, mehr geholfen. Dazu bräuchte man aber wohl ein weiteres Sondervermögen zur nachhaltigen Investition.“
Sprayaktion am Glockenturm
Mit der „Impfbanane“ wurde jetzt ein Zeichen gesetzt. Die Arbeitgeber aus der Pflege wollen damit noch einmal daran erinnern, wie hoch die Impfbereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeitenden ist und zum anderen ist damit die Forderung nach einem Weg zurück in die Normalität verbunden. Jedem in der Pflege ist klar, dass diese Normalität eine andere sein wird als die vor der Corona-Pandemie. Dennoch muss die Teilhabe an der Gemeinschaft, die Mitwirkung am gesellschaftlichen Leben auch für Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf in Zukunft wieder möglich sein.
„Pflegeheime sind keine Schutz- und Verwahranstalten. Sie sind Orte des Lebens und der Gemeinschaft. Wir haben jahrelang für ein besseres Image der stationären Pflege gekämpft und dabei große Fortschritte erzielt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Corona-Pandemie das alles wieder zunichte macht.“
Silke Gerling, Geschäftsbereichsleitung beim Diakoniewerk Essen und ebenfalls Sprecherin der Ruhrgebietskonferenz-Pflege
Die Impfbanane ziert seit Montag den Glockenturm auf dem Pflegecampus des Ev. Christophoruswerkes in Duisburg Meiderich. „Jedes Mal, wenn diese Glocken läuten, soll es ein Weckruf für die Politikerinnen und Politiker im Lande sein, die Pflege nicht zu vergessen und endlich für nachhaltige Rahmenbedingungen zu sorgen“, fasst Ulrich Christofczik den Sinn und Zweck der Sprayaktion zusammen.
Schluss mit den „Hinhaltemaßnahmen“
Zum Schluss wird er dann auch noch grundsätzlich: „Wo bleibt die lange versprochene Pflegereform? Es werden Expertengremien eingerichtet und Modellprojekte ausgeschrieben. Das sind alles Hinhaltemaßnahmen, mit denen Politiker*innen längst überfällige Lösungen auf die lange Bank schieben“. Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege fordert die Bildung einer Umsetzungskommission aus Praktikern und anwendungsorientierten Wissenschaftler*innen, die dafür sorgen, dass die Erkenntnisse aus bisherigen Studien endlich ausgerollt werden. Es gibt aus Sicht der Arbeitgeber kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem. Außerdem fordern die Arbeitgeber endlich ein Pflegezukunftsgesetz in Anlehnung an das Krankenhauszukunftsgesetz, mit dem 4,3 Milliarden Euro für die Digitalisierung in Krankenhäusern und Kliniken bereitgestellt werden sollen. Für Ulrich Christofczik ist es “ein Unding, dass die Pflege in Sachen Digitalisierung nicht gleichgestellt wird. Wir werden mit Almosen und einer Unzahl von Förderprogrammen für Modellvorhaben abgespeist. Das sind alles nur kleine Tropfen auf einen Berg mit heißen Steinen!“
Hintergrundinformationen zu Thomas Baumgärtel:
Der international bekannte Künstler Thomas Baumgärtel hat seit 1986 mehr als 4.000 Kunsteinrichtungen weltweit mit der Spraybanane als besondere Orte der Kultur ausgezeichnet und damit eine hohe mediale Präsenz erreicht. Die gelbe Banane wurde zum Markenzeichen des Künstlers, eine Frucht, die er konsequent als Bedeutungsträger einsetzt. Eigentlich sollte Baumgärtel Mediziner werden und absolvierte seinen Zivildienst in einem katholischen Krankenhaus. Dort arbeitete er in der chirurgischen Ambulanz auf der Intensivstation und im OP. Während der Pandemie hat er auf über 60 Gebäuden (Kliniken, Krankenhäuser Pflegeheimen, Sozialstationen und Impfzentren) die Impfbanane als Zeichen der Hoffnung auf die Rückkehr der Normalität und als Dankeschön an die Mitarbeitenden für ihren Einsatz gesprayt. Anfangs klebte Baumgärtel sogenannte ‚Paste Ups‘ der Impfbanane in Nacht- und Nebelaktionen an medizinische Einrichtungen. Jetzt knüpft der Streetartkünstler Netzwerke und Partnerschaften, um mit der Impfbanane ein Zeichen für Solidarität und Rückkehr zur Freiheit zu setzen.