Die Carestone Gruppe aus Hannover plant, baut und vermarktet Pflegeimmobilien als Kapitalanlagen. Mit mehr als 25 Jahren Erfahrung, rund 2,6 Milliarden Euro platziertem Projektvolumen, über 19.000 geschaffenen Pflegeplätzen und mehr als 17.500 verkauften real geteilten Pflegeapartments ist Carestone der marktführende Entwickler und Anbieter für Pflegeimmobilien in Deutschland. Mit Ralf Licht, Chief Development Officer und von Hause aus Architekt, sprach Insa Schrader über die strategische Ausrichtung von Carestone und über Prämissen in der baulichen Gestaltung.
Herr Licht, wir erleben zurzeit in allen Lebensbereichen einen tiefgreifenden Wandel. Wo sehen Sie als Projektentwickler mit Ihren Pflegeimmobilien die strategischen Stellschrauben?
Ralf Licht: Wir liefern die gesamte Produktpalette für das Wohnen im Alter und das in Serie und hervorragender Qualität – sozusagen den VW-Golf der Pflegeimmobilien. Dabei denken wir im Idealfall an Hybrid-Formen, bestehend aus einem Haus mit stationärer und Tagespflege sowie betreutem Wohnen unter einem Dach. In unserem Auftrag hat das Marktforschungsinstitut Ipsos kürzlich deutschlandweit über tausend Seniorinnen und Senioren sowie Branchenexpertinnen und -experten quantitativ und qualitativ befragt. Die Ergebnisse und Trends solcher Erhebungen zu erfassen, richtig zu deuten und umzusetzen, ist ein wesentlicher Baustein für unseren Unternehmenserfolg. In diesem Fall unterstreichen die Marktforschungsexperten unseren Planungsansatz, der den Wunsch nach Individualisierung mit sozialer Teilhabe kombiniert.
Laut besagter Studie möchten drei Viertel der Befragten im Alter im urbanen Umfeld leben. Fast zwei Drittel fordern eine aktive Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben.
Ralf Licht: Entgegen der landläufigen Meinung sind ihnen dabei Services, die sie im Alltag unterstützen, sogar wichtiger als Gesundheitsangebote. All das zeigt: Altersgerechte Wohn- und Pflegeangebote im urbanen Raum stellen ganz neue Anforderungen an die Quartiers- und Stadtentwicklung sowie an die Immobilien selbst. Die Babyboomer sind aus unserer Sicht dabei die Impulsgeber für innovative Wohnformen und nachhaltige Pflegekonzepte in einer alternden Gesellschaft. Die Verknüpfung ins Quartier hinein ist entscheidend. Menschen im Alter wollen ins Leben, in die Mitte der Gesellschaft. Dafür ist eine sehr gute wohnortnahe Infrastruktur das A und O. Die Erreichbarkeit ist auch für Angehörige und Mitarbeitende ein wichtiges Argument.
In Deutschland fehlen laut aktuellem Pflegeheim-Rating-Report, der alle zwei Jahre vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erstellt wird, bis zum Jahr 2040 rund 300.000 Pflegeplätze. Die dafür erforderlichen Investitionen beziffern die Autoren auf bis zu 125 Milliarden Euro. Wie ist eine solche Mammutaufgabe zu stemmen?
Ralf Licht: In jedem Fall braucht es gute Konzepte und eine große Bereitschaft aller Akteure. Die Experten sind auch der Ansicht, dass öffentliches oder freigemeinnütziges Kapital allein nicht ausreichen wird. Diese Einschätzung teilen wir ebenso, wie ihre Forderung, den streng regulierten Markt für private Investoren attraktiver zu machen.
Wir denken hier aber über die einzelne Immobilie hinaus und schaffen einen Mehrwert auch jenseits unserer Häuser. Eben nicht nur durch die dringend benötigten Pflegeplätze, sondern auch monetär betrachtet: Wir kreieren ein wertvolles Asset für private Anleger aus der Mitte der Gesellschaft, die ihrerseits für das Alter vorsorgen möchten.
In Zeiten steigender Bodenpreise, wie kommen Sie überhaupt noch zu zentralen Standorten?
Ralf Licht: Das ist ohne Frage eine große Herausforderung. Denn im Wettbewerb mit anderen Immobilienklassen wie Büros oder klassischem Wohnen braucht es für die Realisierung einer Pflegimmobilie seitens der Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung zunächst immer auch den bewussten Entschluss für eine eher zukunftsgewandte Quartiersentwicklung. Gerade auch, weil der Pflegebedarf fast überall stetig wächst. Im nächsten Schritt erfordert es die notwendige Expertise und starke partnerschaftliche Zusammenarbeit, um einen attraktiven Standort dann auch optimal und bedarfsgerecht zu entwickeln.
Wir profitieren dabei von einem gewachsenen Netzwerk aus Betreibern, Architekten sowie anderen Entwicklern und Bauunternehmen, mit denen wir uns auch mal für ein Joint-Venture zusammentun. Wir arbeiten mit rund 25 Betreiber-Partnern, von jung und rasant wachsend über jahrzehntelang am Markt bis hin zum Branchenprimus. Zusammen analysieren wir die lokalen Gegebenheiten und Bedarfe sehr präzise. Unser Wissen wächst dabei von Jahr zu Jahr. Und: Wir kennen Betrieb! Ich selbst war lange auf der Betreiberseite tätig. Der Anteil der privaten Akteure hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Sorgt man für die richtigen Rahmenbedingungen, entstehen tolle Projekte und wertvolle Quartiersbausteine für die Städte von morgen, wie unsere aktuellen Beispiele in Villingen-Schwenningen, Gevelsberg oder Magdeburg zeigen.
Wo sehen Sie hinsichtlich Regulierung und Rahmenbedingungen beim Planen und Bauen Bedarf für Anpassungen?
Ralf Licht: Aktuell wird die Relevanz von altersgerechtem Wohnen bei der Quartiers- und Stadtplanung von den in der Studie befragten Experten als viel zu gering wahrgenommen. Hier wollen wir sensibilisieren, begeistern und als strategischer Partner alle Beteiligten für gemeinsame Themen an einen Tisch bekommen. Für altersgerechte Wohnformen wäre beispielsweise eine eigene Nutzungsart im Bauplanungsrecht oder eine entsprechende Quote denkbar. Senioren- und Pflegeimmobilien könnten mit staatlich gefördertem Wohnungsbau innerhalb der Sozialquote gleichgestellt werden. Eine diversere Sozial- und Altersstruktur in den urbanen Quartieren ist nicht nur notwendig, sondern wäre gleichzeitig eine echte Bereicherung. Wenn mehr attraktive Arbeitsplätze in der Pflege innerhalb der Innenstädte entstehen, gewinnen gleichzeitig auch die Betreiber als Arbeitgeber an Attraktivität. In Zeiten des Fachkräftemangels kann das ein entscheidendes Plus sein.
Und welche Rolle geben Sie dem Zukunftsthema Nachhaltigkeit?
Ralf Licht: Der Begriff Nachhaltigkeit ist inzwischen in aller Munde. Für uns als Entwickler ist eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie aber tatsächlich alternativlos – diese Meinung teilen wir mit der überwältigenden Mehrheit der Studienbefragten. In unserer Projektierung gehören dazu ganz konkret Aspekte wie Solarpanel, Heizen mit Erdwärme und Ladestationen für E-Autos oder E-Skooter, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Jeder Neubau entspricht selbstverständlich den KfW-Anforderungen. Es geht uns aber um viel mehr, es geht um einen ganzheitlichen Ansatz, um ein zyklisches Denken. Angefangen von fairen Konditionen bei der Herstellung wie auch bei Bezahlung der Produzenten bis hin zu einer guten Anbindung der Immobilie an öffentliche Verkehrsmittel. Natürlich haben wir auch die Materialien unserer Neubauten im Blick. Es zahlt sich für uns auf lange Sicht einfach aus, wenn wir Produkte wie Sanitärobjekte, Fenster und Fußbodenbeläge nutzerspezifisch weiterentwickeln. Wir setzen bei Standardprodukten auf, die wir individuell anpassen. Es geht um das Verständnis dieser Investitionen als Wertschätzung für die späteren Bewohnerinnen und Bewohner aber eben auch für die Mitarbeitenden. Den goldenen Wasserhahn braucht es dafür gewiss nicht.
Apropos, zurück zum VW, was zeichnet Ihre Häuser konkret aus?
Ralf Licht: Wer sie betritt, hat meist gleich einen vom Tageslicht geleiteten Ausblick in den Garten. Besucherinnen und Besucher treffen hier auf Menschen – ob Bewohnerinnen und Bewohner im Café oder die Mitarbeitenden aus der Verwaltung. Sinnvollerweise ist diese ebenfalls direkt am Eingang platziert. Aus Kommunikation wird Begegnung und Interaktion – beides strahlt aus bis tief hinein ins Quartier. Das sind Erkenntnisse aus unserem fortwährenden Lernprozess: Wir diskutieren diese weichen Faktoren auch sehr intensiv mit unseren Betreiber-Partnern und legen dabei großen Wert auf regelmäßige Einblicke in die Betriebe. Denn wir sind davon überzeugt, dass eine gute Planung im Vorfeld die Grundlage für eine gute Kommunikation im Haus ist.
Ein weiteres Element unserer Projekte ist das systemische Bauen. Darunter verstehen wir vor allem das Systematisieren von Prozessen innerhalb der Planung und noch vor der Bauphase. Hohe Qualität, etwa in der Materialität und im Design, schaffen später eine hohe Identität und Kontinuität – weniger Fluktuation und effizientere Abläufe. Eine optimierte Betriebsorganisation bildet sich schon im Grundriss ab, standardisierte Baubeschreibungen werden auf den Betreiber hin konfektioniert. Im Einkauf liegt ein weiterer Schlüssel für Stabilität und Verlässlichkeit hinsichtlich der Kosten. Bei den immer wiederkehrenden Prozessen und zahllosen Neubauprojekten erkennen wir ganz genau, was in der Praxis funktioniert und optimieren ständig. So steigern wir die Qualität, von der Gebäudestruktur bis hin zur Materialität. Das ist unser Beitrag für das große Ganze!