Der Druck auf Hersteller und Forschende ist enorm. Denn ein wirksames Medikament gegen die Alzheimer-Erkrankung ist immer noch in weiter Ferne. In den vergangenen Monaten berichteten die Medien von ernüchternden Zwischenergebnissen, die einige Wirkstoffe in den klinischen Studien erzielten. 

Ein Rückschlag war das Aus für das mit großen Hoffnungen gestartete Medikament Aducanumab. 

Im Dezember 2021 hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA die Zulassung zunächst verweigert. Grund: die nicht nachgewiesene Wirksamkeit und die zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen des Medikaments. Mitte dieses Jahres stellte der Hersteller den Vertrieb dann ganz ein, nachdem die staatliche US-amerikanische Krankenversicherung Medicare angekündigt hatte, die Therapie nur mehr in bestimmten Fällen zu zahlen. Schlechte Nachrichten gab es Mitte dieses Jahres auch für Crenezumab, einen anderen Wirkstoff. Zwar konnte er die Beta-Amyloid-Ablagerungen, die sogenannten Plaques, im Gehirn entfernen, den kognitiven Abbau aber nicht stoppen.

Große Aufregung verursachten die Betrugsvorwürfe gegen einen französischen Wissenschaftler. Er soll seine Forschung zu dem Eiweiß Beta-Amyloid manipuliert haben. Der Vorwurf schlug auch deswegen hohe Wellen, weil in die Amyloid-Hypothese – die Ablagerungen des Eiweißes verursachen Alzheimer – viel Geld und Energie gesteckt wird. Bei den umstrittenen Studien ging es um ein spezielles Molekül, das aber nur eines von vielen Beta-Amyloiden ist. Die Arbeit des französischen Wissenschaftlers ist in den letzten 15 Jahren sehr häufig zitiert worden. 

„Dennoch haben Lesnés Arbeiten keinen nennenswerten Einfluss auf die Alzheimer-Forschung gehabt, die sich auch ohne seine Veröffentlichung wohl kaum anders entwickelt hätte, als sie es getan hat.“ 

Prof. Dr. Thomas Arendt, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der AFI, der Alzheimer Forschung Initiative e.V.

Denn die negativen Ergebnisse der bisherigen klinischen Studien hatten nichts mit dem umstrittenen Eiweiß zu tun. Das Vertrauen in die Wissenschaft wurde durch den Vorfall dennoch erschüttert. „Es zeigt sich aber auch, dass die möglichen Auswirkungen dieser mutmaßlichen Fälschung auf die seitdem betriebene Alzheimer-Forschung in der aktuellen Berichterstattung an vielen Stellen übertrieben sind“, so Dr. Linda Thienpont, Leiterin der Abteilung Wissenschaft bei der AFI. 

Die Amyloid These steht aber wieder einmal auf dem Prüfstand. Sind die Ergebnissen der laufenden Studien mit Medikamenten weiterhin so enttäuschend wie bisher, muss sie wohl endgültig zu Grabe getragen werden. 

Doch es gibt noch eine ganze Reihe anderer Forschungszweige, die den Ursachen der Erkrankung nachspüren. Das Spektrum reicht von der Darm-Hirn Achse über die Gentechnik bis hin zum Einfluss des Lebensstils. Ein wichtiger Bereich ist die Früherkennung. Denn je früher die Erkrankung diagnostiziert werden kann, desto besser – so die Hoffnung – können Medikamente wirken. 

Weltweit forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher zu sogenannten Biomarkern, wie zum Beispiel zur Körpertemperatur oder zu Blutwerten. 

2022 veröffentlichte eine Forschungsgruppe der Ruhr-Universität Bochum die Ergebnisse einer Studie. Danach könnte Alzheimer schon bis zu 17 Jahre vor Ausbruch der Symptome entdeckt werden. Die Forscher hatten dafür in den Jahren 2000 bis 2002 Blutproben von Studienteilnehmern eingefroren. 17 Jahre später wurde bei 68 Personen aus der Gruppe Alzheimer diagnostiziert und mit 240 Kontrollpersonen ohne Diagnose verglichen. Ein spezieller Sensor erkannte in den Blutproben der Erkrankten die Fehlfaltung des Proteins Amyloid-Beta. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Tests zeigt der Sensor der Bochumer die Plaques früher und mit weniger Aufwand als diese an. Es wird allerdings eine Weile dauern, bis die Labore den Sensor nutzen können – noch befindet er sich in der Entwicklungsphase.

Mehr und mehr kristallisiert sich heraus, warum mehr Frauen als Männer von Alzheimer betroffen sind. Ursache ist nicht die höhere Lebenserwartung von Frauen, wobei das Risiko zu erkranken natürlich mit zunehmendem Alter zunimmt. Im Verdacht steht zum einen die verminderte Östrogen-Produktion in den Wechseljahren. Östrogen spielt für den Hirnstoffwechsel eine wichtige Rolle. Zum anderen weisen Studien daraufhin, dass Kinder und die Länge der reproduktiven Phase von Frauen das Demenzrisiko mindern. Eine amerikanische Studie brachte kürzlich das Hormon FSH ins Spiel, das zu Beginn der Menopause verstärkt ausgeschüttet wird. Die Versuche haben allerdings einen Haken. Sie wurden an Mäusen durchgeführt.

Trotz aller Hindernisse: Einen Teil des Risikos haben wir selbst in der Hand. 

Forschende schätzen, dass sich bis zu 40 Prozent der Alzheimer-Erkrankungen durch Prävention verhindern bzw. mildern lassen. 

Das wurde anhand weltweiter Daten von der internationalen Expertenkommission zur Demenzprävention in der Livingston Studie 2020 errechnet. Besonders die Faktoren mangelnde Bildung in jungen Jahren und unbehandelte Schwerhörigkeit haben einen großen Einfluss. Aber auch Rauchen, Depressionen, soziale Isolation und unbehandelte Hirnverletzungen können das Alzheimer Risiko erhöhen. Die Faktoren besitzen nicht überall auf der Welt dieselbe Bedeutung, sondern unterscheiden sich je nach den Lebensumständen. Für Deutschland scheinen vor allem Hörgeräte und Maßnehmen gegen Bluthochdruck wichtig zu sein. 

Foto: pixabay

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