Jeniffer Neitzke ist Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege in einem Krankenhaus in Frankfurt.Bereits im Alter von 17 Jahren entschied sie sich für die Ausbildung als Pflegefachkraft, um mit Herz und Verstand pflegebedürftigen Menschen zu helfen. Sie schätzt sehr, dass es ein so vielfältiger Beruf ist, bei dem sie die Patient:innen sowohl beim Gesundwerden tatkräftig unterstützt als auch in ihren schwersten Stunden zur Seite steht. Auch heute würde sie sich wieder für die Ausbildung entscheiden, wenn sie die Wahl hätte. Sie ist sich sicher: „Mir fällt kein anderer Beruf ein, bei dem ich so viel bewirken könnte“.
Der internationale Tag der Pflege soll die Arbeit von Pflegefachkräften wie Frau Neitzke würdigen. Denn an Anerkennung mangelt es nach wie vor deutlich, erklärt sie: „Viele Leute haben eine falsche Vorstellung von unserem Beruf. Sie denken, dass wir hauptsächlich für die Körperpflege alter Menschen zuständig sind. Aber wir leisten so viel mehr in der Pflege. Wir verstehen uns auch als Wegbegleiter:innen und Seelentröster:innen und tragen viel Verantwortung. Denn oftmals sind wir die ersten, die an Ort und Stelle sind, wenn etwas mit den Patient:innen nicht stimmt.“
Die fehlende Anerkennung ist jedoch nur eine der zentralen Probleme in der Pflege. Deutlich prekärer ist laut Frau Neitzke der Personalmangel, der sich seit der Corona Pandemie noch verstärkt hat. Viele haben sich in dieser schweren Zeit dazu entschlossen, den Beruf niederzulegen, was für die verbleibenden Fachkräfte eine noch höhere Belastung bedeutet. Das wirkt sich auch auf die Patient:innen aus und es kommt häufiger zu akuten Notfällen.
Doch Jeniffer Neitzke denkt lieber an Lösungen, anstatt den Kopf hängen zu lassen. Sie hat fünf Forderungen formuliert, mit denen es gelingen kann, die Pflege in Deutschland zu verbessern – zum Wohl der Pflegefachkräfte und der Patient:innen:
Mehr Mitsprache bei politischen Entscheidungen
„Es gibt zwar die Bundespflegekammer, die die Interessen der Pflegekräfte vertreten soll. Jedoch hat diese derzeit nur drei Mitgliedsorganisationen, da es bisher nur in wenigen Bundesländern Berufsverbände für die Pflege gibt, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz. In Hessen ist das Vorhaben einen solchen Verband zu gründen, leider ganz gescheitert. Hier müsste mehr geschehen, damit sich die Bundespflegekammer für eine Vereinheitlichung der Gesetzeslage, eine Verbesserung der Ausbildungskonditionen sowie eine angemessene Personaluntergrenze einsetzen kann. Das wäre ein sehr wichtiger Schritt.“
Bessere Bedingungen für Auszubildende und Praxisanleiter:innen
„Als Praxisanleiter:innen müssen wir die Auszubildenden neben der normalen Arbeit auf der Station anleiten. Dabei ist die Zeit ohnehin schon immer sehr knapp. Die Arbeit, die wir hier zusätzlich leisten, sollte mehr Wertschätzung erfahren und uns müsste mehr Zeit dafür zur Verfügung stehen. Denn die Ausbildung unserer Nachwuchskräfte ist extrem wichtig. In der dreijährigen Grundausbildung wird die Basis gelegt und in der anschließenden Fachausbildung für die Intensivpflege wird sehr viel Fachwissen innerhalb von zwei Jahren vermittelt. Zum Vergleich: In der Schweiz dauern Grund- und Fachausbildung insgesamt sechs Jahre. Ich kann mir vorstellen, dass die Ausbildungs-Abbruchquoten von derzeit knapp ein Drittel geringer wäre, wenn wir den Stellenwert der Ausbildung anders gewichten würden.“
Anerkennung – und zwar auch finanziell
„Ich begrüße es, dass bei den aktuellen Corona Prämien genau definiert wurde, welche Pflegefachkräfte wie viel erhalten sollen. Doch einige Berufsgruppen wie beispielsweise Rettungskräfte wurden bei den Boni ganz vergessen. Zudem sind diese Summen bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es braucht generell ein höheres Gehalt, um den Beruf langfristig attraktiver zu machen, weniger Fachkräfte zu verlieren und auch für Nachwuchstalente mehr Anreize zu schaffen.“
Flexiblere Dienstplangestaltung
„Für viele Menschen ist es inzwischen eine Selbstverständlichkeit geworden, dass sie flexible Arbeitszeiten haben und beispielsweise zwei Stunden später anfangen können, wenn sie mit ihrem Kind eine Untersuchung beim Arzt haben. Das ist für die meisten Pflegekräfte eine Wunschvorstellung, die nicht ihrer Realität entspricht. Nur wenige Kliniken können es sich leisten, einen Springerpool zu haben. Das macht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwierig und führt oftmals sogar dazu, dass wir als Pflegekräfte unsere eigene Gesundheit zum Wohl der Patient:innen hinten anstellen.“
Mehr Sicherheit und Zusammenhalt dank Digitalisierung
„Ich bin davon überzeugt, dass die Digitalisierung einen entscheidenden Beitrag leisten kann, uns zu unterstützen. Die digitale Patientenkurve beispielsweise zeigt die wichtigsten Daten der Patient:innen an und gibt uns mehr Sicherheit, da sie uns ermöglicht nach einem Schema vorzugehen. Wir arbeiten mit ihr im Team strukturierter zusammen, da alle Beteiligten die Infos der Patient:innen jederzeit einsehen und bearbeiten können. Auch der Messenger Siilo, mit dem wir wichtige Updates auf Station im Gruppenchat teilen, ist ein Beispiel dafür, wie sichere, digitale Anwendungen uns wertvolle Zeit sparen und die Kommunikation untereinander verbessern können. Ich würde mir wünschen, dass wir uns über den Messenger und in Videokonferenzen auch mehr informell über die eigenen Erfahrungen austauschen würden. Eine bessere Vernetzung würde den Zusammenhalt im eigenen Kollegium und mit Pflegekräften aus anderen Einrichtungen mit Sicherheit stärken. Und mehr Teamzusammenhalt brauchen wir dringend.“