Die EXPO REAL gilt als Leitmesse für Immobilien und Investitionen, die traditionell von Wohn- und Gewerbeimmobilien dominiert wird. Mit dem 9. Seniorenimmobilienforum – Pflegeimmobilien in Deutschland: Chancen und Herausforderungen 2026 rückte zwar auch die Pflege in den Blick, doch blieb dieses Thema auch 2025 mit nur einem Panel klar unterrepräsentiert. Angesichts von 5,7 Millionen Pflegebedürftigen Ende 2023 – 15 Prozent mehr als noch 2021 – wirkt das fast paradox: Während die Nachfrage nach Pflegeimmobilien massiv steigt, bleibt das Segment im Branchendiskurs ein Randthema. Das zeigt: Pflegeimmobilien sind kein Mainstream-Investment, sondern ein Nischenmarkt mit komplexen regulatorischen Rahmenbedingungen und spezifischen Betreiberrisiken – und gerade deshalb für spezialisierte Investoren von besonderem Interesse.
Qualität zählt mehr als Größe
Der Markt für Pflegeimmobilien ist stark fragmentiert: Die meisten Betreiber führen nur eine oder zwei Einrichtungen. Gleichzeitig steigt der Druck zur Konsolidierung. Vor diesem Hintergrund stellt sich für Investoren die Frage, wie sie Risiken streuen und zugleich stabile Erträge sichern können.
„Die Zusammenarbeit mit kleineren Betreibern kann funktionieren, aber der Trend geht dahin, dass große Betreiber größer werden und kleine verschwinden.“
Jens Nagel, Geschäftsführer Hemsö GmbH
Diese Einschätzung teilt auch Berthold Becker, Geschäftsführer von TSC Real Estate: „Während die Top-10-Betreiber rund 15 Prozent des Marktes ausmachen, beträgt der Anteil der größten 100 Betreiber rund 45 Prozent – da ist insofern noch Luft für Wachstum durch Akquisitionen und Effizienzsteigerung. Wir sehen zudem, dass die Betreibermargen mittlerweile wieder steigen und die Konsolidierung weiter voranschreitet.“ Alles an der Größe festzumachen, hält er allerdings nicht für zielführend: „Sechs bis sieben Heime sollten es schon sein, weil sonst die Skaleneffekte nicht mehr greifen. Deutlich wesentlicher ist die lokale Integration und Vernetzung im Einzugsbereich der Einrichtungen.“
Aus Projektentwicklersicht verfolgt Christian Möhrke, CEO von Cureus, eine klare Linie: „Mit kleineren Betreibern zusammenzuarbeiten, ist im Neubau schlicht nicht attraktiv.“
Nikolai Schmidt, Head of Health Care Real Estate bei Swiss Life Asset Managers, betont dagegen die Bedeutung von Betreiberdiversifikation und Vertrauen:
„Unter den privaten Betreibern gibt es einige, die sich durch hohe Qualität auszeichnen – bei anderen ist eine genauere Prüfung erforderlich. Um Vertrauen aufzubauen, suchen wir regelmäßig den Austausch mit dem Betreibermanagement, um zu verstehen, wie sie agieren und wohin sie sich entwickeln.“
Externe Experten aus dem Finanzierungsbereich sehen den Trend ähnlich. Gerhard Meitinger, Head of Real Estate Finance Germany bei pbb, betont: „Die Konsolidierung im Markt für Senior Living ist vor allem eine Reaktion auf die steigenden Anforderungen an Qualität und Effizienz. Trotz der Komplexität bietet der Sektor attraktive Wachstumschancen, wenn der Fokus auf stabilen, gut etablierten Betreibern liegt.“
Kapital kehrt zurück, eine neue Dynamik wird spürbar
Während die Diskussion um Betreiberstruktur und Qualität das Risikoprofil bestimmt, beeinflusst sie zugleich die Attraktivität von Pflegeimmobilien für Investoren – ein Faktor, der sich in zunehmender Marktbewegung zeigt. Nach zwei Jahren Zurückhaltung sehen viele Marktteilnehmer wieder Chancen im Pflegesegment. „Der Zeitpunkt für den Einstieg in Pflegeimmobilien ist sehr günstig. Wir haben ein gesundes Preisniveau erreicht“, erklärt Jens Nagel. Auch internationale Investoren zeigen ihm zufolge wieder verstärkt Interesse. Das beobachtet auch Berthold Becker:
„Deutsches Kapital ist sehr zögerlich, ausländisches weniger. Wir sehen Engagement aus Nordamerika, Asien und dem Mittleren Osten – vor allem bei Bestandsobjekten. Man versucht, Kapital in größeren Volumina zu investieren. Auch hinsichtlich Fremdfinanzierungen sehen wir insbesondere auf der Ebene der Senior Loans kein Problem.“
Nikolai Schmidt pflichtet ihm bei: „Sowohl internationale als auch deutsche institutionelle Investoren beschäftigen sich wieder mit dem Thema.“ Er weist jedoch darauf hin: „Dabei sind fundierte Beratung und aktives Asset Management entscheidend, um Vertrauen und Sicherheit zu schaffen.“ Auf der Finanzierungsseite zeichnet sich ebenfalls Bewegung ab: Gerhard Meitinger setzt auf eine Kombination aus Eigenkapital, Fremdfinanzierung und klaren Risikostrukturen. Und Christian Möhrke verweist auf die jüngste Zinssenkung und Förderprogramme: „Wir haben bei der KfW in kurzer Zeit fünf Projekte sichern können. Wenn die Renditeerwartungen gleich bleiben, müssen Mieten steigen oder Zinsen sinken – und Letzteres passiert derzeit durch die KfW. Das ist ein guter Schritt.“
Der Standort steht und fällt mit den verfügbaren Fachkräften
Die Entwicklung bei den Pflegeimmobilien folgt längst nicht mehr nur der Demografie, sondern der Verfügbarkeit von Pflegekräften. Erst wer Personal findet, kann langfristig Bestand sichern. „Die Verfügbarkeit und langfristige Bindung von qualifiziertem Pflegepersonal wird zu einem Schlüssel für den Erfolg von Pflegeimmobilien.“, kann Gerhard Meitinger bestätigen.
„Entscheidend ist die Fähigkeit, Personal zu halten. Da kann ein lokaler Betreiber teilweise nachhaltiger sein und mit besseren Rahmenbedingungen für Pflegepersonal punkten.“
Berthold Becker
Ein weiterer Erfolgsfaktor liegt in der demografischen Entwicklung am jeweiligen Standort. „Der Fokus muss darauf liegen, ob der Betreiber vor Ort Personal findet. In manchen Regionen wird ein Pflegeheim irgendwann nicht mehr gebraucht, weil niemand mehr dort lebt beziehungsweise arbeitet.“, erklärt Jens Nagel. Für ihn gilt daher: „Wir entwickeln, um zu halten – aber nur dort, wo der Standort langfristig tragfähig ist.“ Christian Möhrke bringt es aus Entwicklersicht auf den Punkt: „Wenn Betreiber und Projektentwickler gemeinsam einen Standort als gut bewerten und auch die Bank zustimmt, stehen die Chancen für eine nachhaltige Entwicklung sehr gut. Wir müssen Orte schaffen, an denen Menschen gern leben und arbeiten – das ist die Basis jeder erfolgreichen Pflegeimmobilie.“
Pflegeimmobilien – ein Wachstumsfeld mit Verantwortung
Eines wird während des Pflegepanels auf der EXPO REAL allerdings auch deutlich: Stabilität entsteht in diesem Markt nur, wenn Investoren, Betreiber und Politik Verantwortung gemeinsam tragen. „Senioren sind mehr denn je ein relevanter Teil der Gesellschaft, nicht nur Pflegebedürftige“, erinnert Berthold Becker. Der Blick müsse sich vom reinen Versorgungsobjekt hin zu einer integrierten sozialen Infrastruktur erweitern. Auch Gerhard Meitinger weist auf die gesellschaftliche Verantwortung hin: „Es geht darum, Lösungen für eine alternde Gesellschaft zu schaffen.“ Jens Nagel unterstreicht zudem die Resilienz des Segments: „Wir haben Insolvenzen auf Betreiberseite gesehen, aber kaum auf der Immobilienseite. Das Segment ist krisenarm – vorausgesetzt, man weiß, was man tut.“
Gleichzeitig wächst der Handlungsdruck. Christian Möhrke formuliert einen Appell, der über den Investmentkontext hinausreicht:
„Wir müssen Menschen für die Pflege begeistern. In der Pflege zu arbeiten, ist ein ehrenwerter Beruf, ebenso wie die Investition in diesen Bereich.“
Für Nikolai Schmidt ist der Kurs eindeutig: „Der Bedarf ist klar prognostizierbar. Jetzt muss schnell gehandelt werden, sonst verlieren wir weiter Zeit. Ohne politische Unterstützung wird es nicht gehen.“ Am Ende steht ein gemeinsames Verständnis: Die demografische Entwicklung schafft verlässliche Nachfrage, doch ohne Fachkräfte und kluge politische Rahmenbedingungen bleibt das Potenzial ungenutzt. Pflegeimmobilien sind weit mehr als nur ein interessantes und nachhaltiges Investment – sie sind ein Prüfstein für gesellschaftliche Verantwortung.
Foto: Nikolai Schmidt / Gerhard Meitinger / Berthold Becker