Die Juristin Martina Hannak ist Präsidentin des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, das den Bundesfreiwilligendienst zentral verwaltet.

Wie wichtig ist der freiwillige Einsatz für unsere Gesellschaft?

Martina Hannak: Bundesfreiwillige sind ein sichtbares Zeichen für das soziale Miteinander in unserer Gesellschaft. Besonders deutlich zeigt sich dies in den Einsatzbereichen des Pflegesektors.

Die Menschen, die sich täglich in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen oder mobilen sozialen Hilfsdiensten um die ihnen anvertrauten Personen kümmern, sind unverzichtbare Stützen einer lebenswerten und menschenwürdigen Gemeinschaft.

Durch den Bundesfreiwilligendienst (BFD) erhalten die Freiwilligen darüber hinaus die Möglichkeit, in dieses Berufsfeld einzusteigen. Eine Tätigkeit im Pflegebereich ist nicht nur eine erfüllende, sondern auch eine zukunftsorientierte und sichere Berufsperspektive. Warum also nicht die Zeit nach der Schule nutzen und in das Berufsfeld „Pflege“ hineinschnuppern? Ein freiwilliges Engagement in einer Klinik oder einem Hospiz, einer Einrichtung für Menschen mit einer Behinderung oder einem Altenheim ist eine gute Gelegenheit, um die persönliche Eignung für einen sozialen Beruf und eine entsprechende Ausbildung zu testen.

Menschen im Freiwilligendienst: Was sind das für Personen, die sich engagieren? Und wie viele sind zurzeit für den Bundesfreiwilligendienst tätig?

Martina Hannak: Die unten dargestellte Grafik zeigt die aktuellen Zahlen (Stand: 1. November 2023) aufgeschlüsselt nach Bundesländern, Alter und Geschlecht. Wie Sie sehen, waren im Oktober 2023 insgesamt 35.287 Menschen für den BFD aktiv (21.335 Frauen, 13.813 Männer, 105 divers, 34 ohne Angabe). Die größte Gruppe bilden dabei mit Abstand die unter 27-Jährigen (17.111 Frauen, 10.341 Männer, 101 divers, 28 ohne Anhabe), gefolgt von den 27- bis 65-Jährigen (3.959 Frauen, 3.207 Männer, 4 divers, 6 ohne Angabe). Bei den Personen über 65 Jahren engagieren sich je 265 Frauen und 265 Männer für den BFD. Die meisten Menschen sind in Nordrhein-Westfalen (7.612), Baden-Württemberg (6.112), Niedersachsen (4.159) sowie Bayern (3.397) und Sachsen (2.648) tätig. 

Für weitere Statistiken und Aufschlüsselungen möchte ich auf unsere Website verweisen. Im Pressebereich können Sie unter www.bundesfreiwilligendienst.de/servicemenue/presse, Menüpunkt: „Statistiken“, weitere Zahlen und Entwicklungen ablesen.

Ausführliche Informationen zum sozioökonomischen Hintergrund der Freiwilligen finden Sie im Abschlussbericht der gemeinsamen Evaluation des Gesetzes über den Bundesfreiwilligendienst, den Sie hier herunterladen können: www.bmfsfj.de/resource/blob/93202/de7b1c8ea1a882cf01107cb56bab4aa9/
abschlussbericht-gesetz-ueber-den-bundesfreiwilligendienst-und-jugendfreiwilligendienst-data.pdf

Welche Tätigkeiten dürfen in der Pflege übernommen werden und was bewirken die Freiwilligen im Pflegebereich?

Martina Hannak: Grundsätzlich dürfen Freiwillige im Bundesfreiwilligendienst für alle in der Pflege anfallende Tätigkeiten zur Unterstützung der Beschäftigten einer anerkannten Einrichtung im Pflegebereich eingesetzt werden, sofern für diese Tätigkeiten keine weiteren fachlichen Qualifikationen benötigt werden.

Das Bundesfreiwilligendienstgesetz schreibt vor, dass der Bundesfreiwilligendienst als überwiegend praktische Hilfstätigkeit geleistet wird.

Freiwillige dürfen nur mit Tätigkeiten betraut werden, die ihrem Alter und ihren persönlichen Fähigkeiten entsprechen. Der Bundesfreiwilligendienst ist damit arbeitsmarktneutral ausgestaltet, sodass durch den Einsatz der Freiwilligen keine hauptamtlichen Kräfte ersetzt werden.

Und inwiefern wird das Pflegepersonal durch die Freiwilligen konkret entlastet? Wie profitieren Pflegeheimbewohner von der Arbeit der Freiwilligen?

Martina Hannak: Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Angebot an Frauen und Männer jedes Alters, sich außerhalb von Beruf und Schule für das Allgemeinwohl zu engagieren. Freiwillige in Pflege- und Betreuungseinrichtungen unterstützen das hauptamtliche Personal und übernehmen Aufgaben, die im Alltag sonst vielleicht manchmal zu kurz kommen, beispielsweise Spaziergänge mit Patientinnen oder Patienten, aus der Zeitung vorlesen, längere Gespräche führen oder einfach nur zuhören. Damit wird der Freiwilligendienst für alle Beteiligten zu einem Gewinn.

Die Einsatzstellen profitieren von der engagierten Unterstützung der zeitlich befristeten Helferinnen und Helfer, die Freiwilligen erwerben wertvolle Lebenserfahrung und die Pflegeheimbewohner erhalten zusätzliche Aufmerksamkeit.

Welche Motive treiben die Freiwilligen in der Pflege an? 

Martina Hannak: Die Motivation der Freiwilligen ist so vielfältig wie die Möglichkeiten, die ein Freiwilligendienst bietet. Die einen möchten sich in einem sozialen oder ökologischen Einsatzbereich für die Gesellschaft engagieren, die anderen wollen die Zeit bis zur Ausbildung oder einem Studium sinnvoll überbrücken, ältere Freiwillige vielleicht ihre Erfahrungen weitergeben und an gesellschaftlichen Entwicklungen teilhaben.

Ob zwischen Schule und Studium, im Anschluss an eine Familienphase oder nach dem Einstieg in den Ruhestand, der Bundesfreiwilligendienst ermöglicht allen Generationen ein sinnstiftendes Engagement. Für Freiwillige aus dem Ausland bietet der Dienst darüber hinaus Orientierung, hilft bei der Integration und ist gerade im Pflegebereich eine Möglichkeit, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen.  

Welche (Lebens-)Veränderungen kann man bei den Freiwilligen durch ihren Einsatz in der Pflege beobachten?

Martina Hannak: Gerade für junge Menschen kann der Bundesfreiwilligen eine positive Station im Lebenslauf sein. Wer sich freiwillig engagiert, macht viele neue Erfahrungen, erhält Einblicke in soziale oder ökologische Berufsfelder und lernt viel über sich und die Gesellschaft.

Für die meisten Freiwilligen ist die Dienstzeit daher ein nachhaltiger Meilenstein, denn durch den freiwilligen Einsatz werden soziale, ökologische, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen vermittelt, die auch für den weiteren Lebensweg hilfreich sind.

Kann der Freiwilligendienst hilfreich in der Berufskarriere bzw. bei Bewerbungen sein?

Martina Hannak: Ein freiwilliges Engagement ist meistens eine Bereicherung für den eigenen Lebenslauf.

Rückmeldungen zeigen, dass Freiwillige in die Bereiche, in denen sie ihren freiwilligen Dienst gemacht haben, häufig auch beruflich einsteigen oder sich langfristig ehrenamtlich engagieren.

In zahlreichen Ausbildungs- und Studiengängen – vor allem im pädagogischen und pflegerischen Bereich – wird der Dienst auch als Praktikum anerkannt. Und bei der Bewerbung für ein Stipendienprogramm kann ein freiwilliges Engagement ebenfalls ein klarer Pluspunkt sein.

Wie kommen neue Freiwillige zum BFD? 

Martina Hannak: Wer sich für den Bundesfreiwilligendienst interessiert, findet unter www.bundesfreiwilligendienst.de nicht nur viele Informationen rund um ein freiwilliges Engagement, sondern über die Einsatzstellensuche auch die Adressen zahlreicher sozialer und ökologischer Einrichtungen in ganz Deutschland. Bei der Suche nach einer geeigneten Einsatzstelle helfen auch die regionalen Beraterinnen und Berater des Bundeamtes sowie die Zentralstellen gerne weiter. Alle wichtigen Kontaktdaten finden Sie ebenfalls auf unserer Homepage.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes beraten darüber hinaus bundesweit auf zahlreichen Ausbildungsmessen und Veranstaltungen, in Schulen und Berufsinformationszentren über die vielen Möglichkeiten, die ein Freiwilligendienst bietet.

Besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

Foto Martina Hannak: © BAFzA/Astrid Piethan

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