Heute ist diese Wohnanlage, die in den letzten Jahren mehrere Erweiterungen durch zwei Neubauten erfuhr, zusätzlich auch offen für alle kulturinteressierten älteren Menschen, die ein Domizil suchen, in dem sich Wohnen und Kultur in einer einzigartigen Weise verbinden (www.marie-seebach-stiftung.de). Wir sprachen mit Bernd Lindig, Geschäftsführer der Marie Seebach Kultur Wohnen gemeinnützige GmbH, und Wissenschaftlicher Leiter Soziokulturelles Forum/FORUM SEEBACH der Marie-Seebach-Stiftung.

Warum wollte Marie Seebach gerade ein Haus für Schauspieler, Sänger usw. schaffen?

Bernd Lindig: Marie Seebach war tatsächlich europaweit als Schauspielerin bekannt. Heute würden wir sie sicherlich als einen Star bezeichnen. Sie lebte von 1829 bis 1897 und gehörte zu den damals wenigen Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihrer Tätigkeit zu nachhaltigem Wohlstand gelangten. Der frühe Tod ihres einzigen Sohnes Oskar Niemann im Jahre 1893 (im Alter von nur 32 Jahren) warf sie in eine tiefe Krise.

Gleichzeitig erlebte Marie Seebach, wie zahlreiche Künstlerkolleginnen und -kollegen im Alter in große Armut gerieten und keinerlei Unterstützung erfuhren. Beides führte wohl zu dem Entschluss, ihr eigenes Vermögen in die Verbesserung der Lebensumstände ehemaliger Bühnenkünstlerinnen und -künstler zu investieren.

Wegen der Unterstützung des damaligen Weimarer Fürstenhauses, insbesondere durch die Zuweisung eines Grundstücks auf der „Großmutterleite“ am Stadtrand, und da sie Weimar durch Auftritte im Hoftheater schätzte, entschied sie sich für Weimar als Standort. Ihre Schwester Wilhelmine Seebach gab damals ihre eigene Schauspielkarriere auf und leitete das Heim in den ersten Jahren.

Was ist das Besondere an dieser Seniorenresidenz, welches Konzept verfolgen Sie mit der Stiftung?

Bernd Lindig: Bis heute verfolgt die Marie-Seebach-Stiftung die Ziele aus der Gründungszeit, nämlich „dass alten oder berufsunfähigen Bühnenangehörigen und anderen kultur- und kunstinteressierten alten Menschen durch Aufnahme in ein Altersheim ein möglichst sorgenfreies Leben gewährleistet wird.“ (Zitat aus der Satzung)

Das Haus ist also mittlerweile offen für alle kulturell ambitionierten Menschen. In der Zeit nach der Wiedervereinigung kamen der Betrieb und die Unterhaltung eines Soziokulturellen Forums als Kontakt- und Koordinierungsstelle der offenen Altenhilfe und unser FORUM SEEBACH zur kulturellen, sozialen und spirituellen Bereicherung des Lebens alter Menschen hinzu.

Kultur und damit verbundene Begegnungen sind also auch heute die herausragenden Besonderheiten unseres Hauses.

Im Zentrum unseres kleinen Campus gibt es eigens einen zentralen Bau mit einem Konzert- und Veranstaltungssaal für bis zu 200 Personen und weiteren Räumlichkeiten für Ausstellungen, Seminare, Tagungen und Feierlichkeiten.

Wir organisieren dort rund 150 Konzerte, Lesungen und andere Veranstaltungen pro Jahr, die fast ausnahmslos kostenfrei und mittlerweile fester Bestandteil auch des Weimarer Kulturlebens sind.

Welche unterschiedlichen Wohn-/Pflege-/Betreuungsformen werden angeboten?

Bernd Lindig: Zum Angebot gehören ein Seniorenpflegeheim mit 81 Appartements und 21 Mietwohnungen mit begleitenden Service-Angeboten.

Was sind die typischen Tagesabläufe in der Stiftung (Bereich Pflege)?

Welche Aktivitäten werden angeboten, und wie werden die Angebote von den Bewohnerinnen und Bewohnern angenommen?

Bernd Lindig: Im Bereich der stationären Pflege greifen zunächst alle fachlichen, baulichen und organisatorischen Vorgaben für Pflegeheime in Deutschland. Auch die Finanzierung über Versorgungsverträge und Pflegesatzvereinbarungen ist identisch mit der in anderen Heimen. Bei der Pflege und Betreuung der Heimbewohnerinnen und -bewohner folgen wir allen modernen Qualitätsanforderungen. Kulturelle Angebote spielen jedoch eine besondere Rolle. Fester Bestandteil sind an vielen Tagen die Veranstaltungen im Forum, aber auch andere künstlerische Angebote. 

Regelmäßig trifft sich ein Chor aus Stiftsherrschaften und externen Chorsängerinnen und -sängern, auch eine Musikgeragogin und eine Gartentherapeutin arbeiten regelmäßig mit den Seniorinnen und Senioren in unterschiedlich großen Gruppen.

Für viele Menschen ist die daraus folgende Atmosphäre der Kultur das Zünglein an der Waage bei der Entscheidung für ihren Wohnort im Alter. Die genannten Angebote werden dementsprechend sehr gut angenommen. Unsere Konzerte beispielsweise haben meist mindestens 40-50 Zuhörerinnen und Zuhörer, häufig auch mehr.

Wie wichtig sind in der Stiftung die Themen Sicherheit, Komfort, Technik?

Bernd Lindig: Die Ausstattung erfüllt alle für Pflegeheime üblichen Anforderungen an die Sicherheit im Alltag. Selbstverständlich sind alle Bereiche barrierefrei erreichbar. Alle Zimmer im Heim sind Einzelzimmer mit eigenem Bad, viele Zimmer haben einen Balkon. Ein großzügiges Gartengrundstück lädt zum Aufenthalt oder auch zum Musizieren im Freien ein. Eine Küche im Haus bietet Mahlzeiten rund um die Uhr.

Das Mittagessen wird für alle, die ausreichend mobil sind, im „Restaurant“ im Forum serviert. Dieses Angebot nehmen auch Menschen aus der Wohnumgebung sehr gern und regelmäßig an.

Gibt es in der Stiftung technische/digitale Unterstützung? Welche Unterstützungen sind das?

Bernd Lindig:

Im gesamten Haus ist Internet über WLAN verfügbar, im Pflegeheim stehen einige Tablet-Computer zum Beispiel für Video-Telefonie zur Verfügung. Die Pflegedokumentation wird vollständig auf einer digitalen Plattform geführt.

Im Forum Seebach gibt es durch eine Spendenaktion seit 2021 eine fest installierte Leinwand mit einer Breite von fünf Metern sowie einen leistungsstarken Videoprojektor. Eine hochwertige Soundanlage ist ebenfalls vorhanden. Gemeinsam mit einem kommunalen Kino bieten wir öffentliche Filmvorführungen an oder genießen mit den Stiftsherrschaften Konzerte per Video-Streaming. Seit einigen Jahren haben wir dazu zum Beispiel ein festes Abonnement bei den Berliner Philharmonikern, speziell für Pflegeheime.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Marie-Seebach-Stiftung und deren Bewohnerinnen und Bewohner?

Bernd Lindig: Für alle Bewohner von Pflegeheimen in Deutschland wünschen wir uns eine verändere Systematik der Finanzierung.

Obwohl unsere Preise durchaus denen der Umgebung entsprechen, übersteigen die Zuzahlungen immer öfter die individuellen Möglichkeiten, sodass Sozialhilfe beantragt werden muss. Unsere Gesellschaft ist hier als Ganzes gefordert.

Die regelmäßigen positiven Rückmeldungen aus dem Haus, von Angehörigen und von externen Gästen bestätigen unser besonderes Konzept und bestärken uns in unseren Bemühungen. Unsere Angebote sollen auch in den nächsten 127 Jahren erhalten bleiben und sich entwickeln! 

Die Kultur- und Begegnungsarbeit der Stiftung erfährt seit diesem Jahr keine finanzielle Förderung mehr. Wir wünschen uns deshalb sehr, dass sich hier neue und unkomplizierte Wege der Unterstützung eröffnen. Dazu suchen wir intensiv nach öffentlichen und auch privaten Fördermöglichkeiten.

Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

Beitragsfotos: Bernd Lindig

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