Jenny Wortha ist stellvertretende Pflegedirektorin an der Charité in Berlin, und wir sprachen mit ihr über „Werkswohnungen im Bereich Pflege“.
Welchen Stellenwert haben Werkswohnungen bzw. arbeitsplatznahe Wohnungsangebote für Pflegekräfte bei der Gewinnung von neuen Mitarbeitern?
Jenny Wortha: Betrachten wir die aktuellen Rekrutierungszahlen, gewinnen wir zum einen in erster Linie viele neue ausgebildete Pflegekräfte, die bereits im Raum Berlin und Brandenburg wohnen. In dem Falle ist die Verfügbarkeit von Werkswohnungen nicht so ausschlaggebend. Zum anderen verzeichnen wir einen nicht zu vernachlässigenden Prozentsatz an Bewerbern und Mitarbeitern, die aus anderen Bundesländern sowie aus dem internationalen Ausland kommen. Für diesen Personenkreis hat das Thema „Werkswohnungen und arbeitsplatznahe Wohnungsangebote“ mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert erreicht. Und auch für junge Auszubildene aus der Umgebung, die eigenen Wohnraum für sich benötigen, sind die Angebote bei der Besetzung von Ausbildungsstellen attraktiv.
Tragen diese Maßnahmen und Angebote dazu bei, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Jenny Wortha: Auf jeden Fall – so die Erfahrungen, die wir bis jetzt gesammelt haben. Ich möchte dazu ein wenig ausholen. Denn ursprünglich haben wir die Werkswohnungen im Zuge der Rekrutierung von internationalen Pflegekräften angeboten. Es ist schier unmöglich, internationale Kollegen für das eigene Haus gewinnen zu wollen, wenn kein geeigneter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann, da die internationalen Pflegekräfte auf dem deutschen Wohnungsmarkt erstmal so gut wie keine Chance auf eine eigene Wohnung haben. Hier helfen wir mit möblierten Appartements zur Überbrückung aus, bis sie etwas Eigenes finden können.
Das heißt, mit ihrer Einreise stellen wir den internationalen Mitarbeitern in der Regel für etwa sechs bis acht Monate Wohnraum zur Verfügung. Aus dieser Situation heraus ist es deutlich einfacher, in Berlin eine eigene Wohnung zu finden.
Unsere Pflegekräfte verfügen dann über alle relevanten Unterlagen (z. B. unbefristeter Arbeitsvertrag, Visum, etc.), welche die Chance für eine Wohnungsanmietung deutlich verbessern. Außerdem helfen wir bei der Suche und begleiten die Mitarbeiter bei Wohnungsbesichtigungen.
Mit welchen Maßnahmen reagiert die Charité auf den Wohnungsmangel und welche unterschiedlichen Angebote werden konkret vermittelt?
Jenny Wortha: Da sind einerseits die bereits beschriebenen möblierten Appartements, die wir vorrangig unseren internationalen Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Insgesamt haben wir zurzeit etwa 120 möblierte Appartements angemietet. Doch auch nationale Pflegekräfte können diese Appartements temporär nutzen, sofern nicht alle Kontingente belegt sind. Ein zweiter Aspekt ist, dass wir Maklergebühren von bis zu drei Monatsmieten übernehmen – zum Beispiel, wenn eine Pflegekraft aus einem anderen Bundesland eine Wohnung in Berlin sucht und einen Makler dafür in Anspruch nimmt.
Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit kommunalen sowie privaten Wohnungsbaugesellschaften/Trägern?
Jenny Wortha: Hier muss man etwas differenzieren. Es gibt Wohnungsbaugesellschaften, die lehnen jegliche Zusammenarbeit mit Großunternehmen wie uns ab. Da es für diese Gesellschaften aufgrund des jetzigen Wohnungsmarktes nicht notwendig bzw. nicht lukrativ ist, sich längerfristig durch Kooperationsverträge fest zu binden. Doch genau diese Planungssicherheit benötigen wir. Andere Wohnungsbaugesellschaften agieren deutlich offener und bieten Großunternehmen die Möglichkeit, mehrere Wohnungen gleichzeitig anzumieten. Doch ist das für uns wiederum mit einem höheren logistischen Aufwand verbunden – denken Sie an Hausmeister, Verwaltungskosten usw.
In welchem Maße und von wem werden die Angebote bevorzugt angenommen?
Jenny Wortha: Bei den internationalen Pflegekräften handelt es sich in den allermeisten Fällen um Einzelpersonen, die die möblierten Appartements nutzen. Nach etwa sechs bis acht Monaten ist auch der Familiennachzug realistisch. In der Zwischenzeit haben diese Pflegekräfte sehr häufig bereits eine eigene Wohnung gefunden. Bei unseren Auszubildenden ist dieses Modell nicht so attraktiv, da es im Vergleich zu Berliner WG-Zimmern doch sehr teuer ist. Bieten wir auf dem hart umkämpften Berliner Wohnungsmarkt sehr günstige und arbeitsplatznahe Wohnungen an, müssen wir einen geeigneten Prozess finden, damit dieser Wohnraum nach Beendigung der Ausbildungszeit wieder neuen Auszubildenden zur Verfügung steht. Für uns als Unternehmen ist es in dem Falle nicht sinnvoll, wenn die Auszubildenden nach ihrem Abschluss diesen Wohnraum weiter nutzen.
Um hier passgenauere Lösungen anbieten zu können, planen wir als Unternehmen, eigene Wohnungen für Auszubildende in Kooperation mit Vermietern zu bauen. Idealerweise rechnen wir hier mit einem Zeithorizont von fünf Jahren bis zur Fertigstellung.
Welche Vorteile erwachsen aus der Bereitstellung von Wohnungen für Pflegekräfte?
Jenny Wortha: Ein ganz großer Vorteil besteht darin, dass wir durch die Bereitstellung von Wohnraum als attraktiver(er) Arbeitgeber auf dem Markt wahrgenommen werden.
Zudem stellen wir den zukünftigen Mitarbeitern auch eine Planungssicherheit zur Verfügung.
Denn es ist deutlich einfacher, einen Vertrag beim alten Arbeitgeber und eine Wohnung beim alten Vermieter zu kündigen und einen neuen Vertrag beim zukünftigen Arbeitgeber zu unterzeichnen, wenn der Wohnraum in der Nähe der neuen Arbeitsstelle von Beginn an sichergestellt ist.
Wir befinden uns immer noch in einer durch die Corona-Pandemie geprägten Zeit. Wird es aus Ihrer Sicht nach Corona noch schwieriger, Mitarbeiter für die Pflege zu gewinnen und zu binden?
Jenny Wortha: Ich hoffe, dass es durch die Corona-Pandemie eher leichter geworden ist, Mitarbeiter zu finden und zu binden. Wir haben zum Beispiel eine größere Anzahl an Mitarbeitern zusätzlich gewinnen können, die die Fachausbildung zur Pflegekraft ursprünglich mal abgeschlossen haben, aber später in einen anderen Beruf gewechselt sind. Corona-bedingt hatten wir dazu einen großen Aufruf über Social Media gestartet. Von diesen Mitarbeitern hoffen wir, dass sie nicht nur kurz in unserem Unternehmen bleiben, sondern in eine langfristige Beschäftigung übergehen.
Wir haben zudem die Erfahrung gemacht, dass viele unserer Pflegekräfte ihren Arbeitsplatz gerade in der jetzigen Situation als besonders krisenfest und zukunftssicher (sozusagen mit Jobgarantie) auffassen.
Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Branchen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken mussten.
Ich hoffe, dass dadurch das Image des Berufs aufgewertet und mehr Begeisterung für diesen Beruf generiert werden kann.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch!