1998 gründete Felix Waechter mit Sibylle Waechter das Büro WAECHTER + WAECHTER Architekten BDA mit Sitz in Darmstadt. Derzeit arbeiten rund 25 Mitarbeiter zusammen, die sich auf öffentliche Bauten sowie Schul- und Sozialbauten konzentrieren. Zu den bekanntesten Bauten von Waechter + Waechter gehören das neue Historische Archiv in Köln, das Theater- und Opernhaus in Heidelberg und der Hessische Landtag in Wiesbaden. Die architektonische Qualität von Waechter + Waechter Architekten BDA wurde nicht nur durch mehrere Wettbewerbserfolge, sondern auch durch zahlreiche Auszeichnungen und Publikationen der realisierten Bauten gewürdigt. Wir sprachen mit Prof. Dipl. Ing. M.Arch. Felix Waechter BDA.

Wie haben sich in den vergangenen Jahren speziell die Anforderungen an die Architektur im Hinblick auf die Bedürfnisse älterer Menschen verändert?

Prof. Felix Waechter: Eine Gesellschaft, die auf jeden Einzelnen angewiesen ist, muss sich um jeden Einzelnen bemühen. Durch den Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung wird unsere Gesellschaft älter, und zwar mit vielen Fragen und Herausforderungen, die damit einhergehen. Gleichzeitig steigt der Wunsch, möglichst lange selbstständig und selbstbestimmt im Alter zu wohnen.

Das wiederum führt dazu, dass tendenziell der Pflegegrad derer, die in Einrichtungen leben, sowie der Anteil der Demenzkranken steigt.

Welche Anforderungen müssen Sie vor allem in Bezug auf die Innenarchitektur berücksichtigen, wenn für ältere, pflegebedürftige Menschen gebaut wird?

Prof. Felix Waechter: Wir suchen in unseren Projekten für die Pflegebedürftigen eine dem Wohnhaus ähnliche, das heißt kleinteilige und wohnliche Atmosphäre. Kein mehr oder weniger abgeschlossenes Heim, keine Institution.

Sondern einen Wohnort, der den Grundsätzen von Individualität, Normalität und Autonomie entspricht und sich im besten Sinne der Inklusion in die Nachbarschaft einfügt.

Ganz nach dem Motto: „Haus statt Heim“.

Welche Funktionalitäten sind aus architektonischer/innenarchitektonischer Sicht unabdingbar (geworden)?

Prof. Felix Waechter:

Wir sind der Meinung, dass Licht, Luft und Sonne als heilende Kräfte wesentlich die Lebensqualität beeinflussen – mit einer großzügigen Öffnung nach außen in den öffentlichen Raum und die Natur, um zugleich auch Teilhabe zu ermöglichen.

In diesem Kontext stellt sich die besondere Frage: Wie kann in Zeiten der Klima- und Bauwende ressourcensparend und klimagerecht gebaut werden. Im Wissen, dass Gebäude und Infrastrukturen für mindestens 40 Prozent aller Treibhausgasemissionen und für 50 Prozent des Verbrauchs natürlicher Ressourcen verantwortlich sind, muss im Zuge des gesellschaftlichen Diskurses zum Klimawandel und auf dem Weg, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, das Bauen neu diskutiert werden. Dabei muss der Anteil jener Baustoffe, deren Herstellung und Verarbeitung mit besonders hohem Energieaufwand und CO2-Emissionen verbunden sind, zwingend auf ein Minimum reduziert werden. 

Bauen mit dem Kohlenstoffspeicher Holz ist nicht die einzige, aber vielleicht die effizienteste Methode, um CO2-Emissionen zu vermeiden. Zudem ist Holz zirkular wiederverwend- oder kompostierbar. Bei Projekten unterschiedlichster Bauaufgaben versuchen wir daher, die Tragstruktur effizient und ressourcenschonend in Holz umzusetzen, immer wieder in Skelettbauweise, um Adaptionen an wechselnde Nutzungen und Anforderungen zu ermöglichen.

Und welche architektonischen/innenarchitektonischen Anforderungen werden heutzutage an die Arbeitsplätze von Pflegekräften gestellt?

Prof. Felix Waechter: Gute Abläufe und kurze Wege sind Grundvoraussetzungen, um die Betreuung für die Patientinnen und Patienten zu maximieren. Zugleich ist eine ansprechende, eine den Bewohnerinnen und Bewohnern und Mitarbeitenden respektierende und wohlfördernde Architektur unabdingbar. Die Frage, ob wir uns in einem Raum behaglich fühlen, wird von allen Sinnen – Tasten, Hören, Sehen, Riechen, Schmecken – bestimmt. In unserer Zeit wird oftmals der Sehsinn privilegiert.

Nachgewiesen ist jedoch zum Beispiel, dass sich der Geruch von einem Raum am stärksten einprägt und in der Erinnerung oftmals längst vergessene, verblasste Bilder wachruft.

Wir suchen in unseren Projekten immer wieder die heitere, freundliche und doch bergende Atmosphäre. Uns interessiert dabei die Wahrhaftigkeit, die Echtheit dessen, was man sieht; natürliche Materialen, statt der immer cleaneren, undurchdringbaren Oberflächen der Surrogate aus Steintapete und Laminat. Statt der dünnen, nach kurzer Zeit verschlissenen Oberfläche drückt das natürliche Material seine Herkunft und mit seiner Patina zugleich auch die Geschichte des Gebrauchs aus, vermitteln die unverkleideten Oberflächen Authentizität und Gewissheit und sprechen alle Sinne an. 

Können sich Funktionalität und Ästhetik in Gesundheits-/Pflegeheimbauten eigentlich ergänzen?

Prof. Felix Waechter: „Es ist die Pflicht der Architektur, Nützliches, Praktisches und Zweckmäßiges in etwas Schönes zu verwandeln“, so Karl Friedrich Schinkel. Es geht also um mehr.

Es geht um die Schönheit, gerade auch für die Schwächsten der Gesellschaft!

Wir haben versucht, aus dem Nützlichen und Praktischen, den Vorgaben und Funktionen, den Regeln und Normen eine auch für die Bewohnerinnen und Bewohner klar verständliche, identitätsstiftende Architektur zu entwickeln, die sich zurückhaltend und angemessen in den gebauten und den landschaftlichen Kontext einfügt. Gleichzeitig öffnet sich das Haus und lädt Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeitende und Nachbarn zur Begegnung ein.

Inwieweit haben sich die Grundrisse im Vergleich zu früher verändert?

Prof. Felix Waechter: Auch wenn es sich nicht verändert hat: Für uns ist eine wichtige Qualität der Grundrissgestaltung die Begegnung, das informelle Gespräch und der Austausch zwischen den Bewohnern.

Gerade bei dieser Bauaufgabe muss Architektur Räume bieten, Räume zur eigenen Entfaltung sowie auch zur Begegnung, um Bindungen zu ermöglichen und anzubieten.

Welche Wohnkonzepte haben sich aus Ihrer Sicht durchgesetzt bzw. welche (neuen) Wohnkonzepte/Wohnformen im Alter werden die Architektur in den nächsten Jahren maßgeblich prägen?

Prof. Felix Waechter: Alle Projekte und Wohnformen, die das selbstständige Wohnen im Alter ermöglichen und im höchsten Maße unterstützen und fördern. 

Gibt es ein/zwei Vorzeige-/Leuchtturmprojekte, die Sie dazu gern vorstellen möchten?

Prof. Felix Waechter: Ja, sehr gern.

1.) Seniorenwohnen St. Josef in Niederrad, Frankfurt am Main:

DAM-Preis für Architektur in Deutschland – 2018 – Shortlist,
Vorbildliche Bauten in Hessen – 2017 – Auszeichnung,
ICONIC AWARDS – 2016 – Winner Architecture Domestic,
Mehrfachbeauftragung – 2012 – 1. Platz.

Fotos Seniorenwohnen St. Josef:  © Thomas Ott, www.o2t.de

In Würde altern – eine klare aber zurückhaltende Architektur soll die persönliche Entfaltung im Seniorenwohnhaus St. Josef des Caritasverbands Frankfurt ermöglichen. Die Idee des betreuten, aber selbständigen Wohnens in der Gemeinschaft wird durch die Anordnung von insgesamt 35 Wohnungen nach Süd, West und Ost um einen gemeinschaftlichen Innenhof gestärkt. Der Hof ist Identifikations- und Kommunikationsraum für die Bewohner der 24 barrierefreien und zehn rollstuhlgerechten Wohnungen sowie der Wohngemeinschaft. Vom Laubengang ergeben sich schöne Blicke in den wohl proportionierten Außenraum. Die Erschließung ist so hell, einladend und freundlich, die Orientierung immer einfach und fördert die zufällige Begegnung, lädt ein zum Plaudern mit den Nachbarn. Vor- und Rücksprünge der Wohnungswände gliedern räumlich die Erschließungsflächen. Hervorheben: Die Wohnungen haben Haus- und nicht Zimmertüren, um das Gefühl der Selbstständigkeit zu stärken.

2.) Generationenzentrum Burgweinting, Regensburg:

Wettbewerbserfolg 2022 – 1. Preis.

Visualisierung Generationenzentrum Burgweinting: © bloomimages
Generationenzentrum Burgweinting, Regelgeschoss (Wettbewerb)

Ein Hof, Synonym und Urform gemeinschaftlichen Wohnens, bildet das Herz des neuen Pflegeheims. Je zwei der sechs Wohngruppen sind auf einer Ebene um einen vierseitig umschlossenen, damit allseitig geschützten, begrünten Innenhof angeordnet. Ausblicke und Einblicke in den Hof ermöglichen eine einfache Orientierung und stärken die Kommunikation.

Alle Bewohnerzimmer sind nach außen gerichtet, mit einem Höchstmaß an Privatheit ohne Einblick.

Eine heitere, freundliche und doch bergende Atmosphäre prägt die Zimmer; bodentief verglaste Fenster ermöglichen den Bewohnern sitzend und liegend Ausblick in die Umgebung. Die geschlossenen Wandflächen geben Schutz und dienen als Vorlage für Vorhänge beziehungsweise zur Möblierung. Fallarmmarkisen aus Screengewebe dienen als Sonnenschutz, Vorhänge als Sichtschutz. 

Statt dunkler Flure entstehen kurze Kommunikationszonen, die zur Begegnung- und zum Austausch zwischen den Bewohnern einladen. U-förmig wird der gemeinschaftlichen Wohn- und Essbereich, der sich über Schiebetüren zur Loggia in den Innenhof erweitert und von hier großzügig belichtet wird, umschlossen. Die Flächen sind offen, laden ein zum Treffen, Verweilen und Beobachten des Kommens und Gehens, die offen gestaltete Küche zum Mitmachen.

Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

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