Kyndryl (NYSE: KD) ist der weltweit größte Anbieter von IT-Infrastrukturdienstleistungen und betreut Tausende von Unternehmenskunden in mehr als 60 Ländern. Das Unternehmen entwirft, baut, verwaltet und modernisiert die komplexen, unternehmenskritischen Informationssysteme, auf die die Welt täglich angewiesen ist (www.kyndryl.com). Wir sprachen mit Markus Koerner, Deutschlandchef von Kyndryl.

In Deutschland hinken wir im Ländervergleich in Sachen Digitalisierung weiterhin hinterher. Was genau haben uns andere Länder voraus?

Markus Koerner: Länder, die allgemein als Vorbilder in Sachen Digitalisierung gelten, haben bereits früh auf umfassende Gesamtstrategien gesetzt – beispielsweise Estland oder die skandinavischen Länder. In Schweden nutzten bereits im Jahr 2014 96 Prozent (siehe dazu auch: 
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/schweden) der Bürgerinnen und Bürger eine elektronische Patientenakte, die ein integraler Bestandteil des dortigen digitalen Gesundheitswesens ist. Außerdem verfügt das Land über ein umfassendes eID-System, das bereits Anfang der 2000er-Jahre aufgebaut wurde und auf Bankkonten basiert. Die zugehörige Bank-ID-App ist sogar die meistgenutzte Anwendung in Schweden (siehe auch
https://www.statista.com/statistics/656152/top-ten-most-important-apps-in-sweden/). 

Dies spricht auch für eine höhere Digitalaffinität in der Bevölkerung.

Häufig wird Estland auch als Vorreiter für die Digitalisierung der Verwaltung genannt. Fast alle Behördengänge lassen sich dort digital erledigen, und ein elektronischer Ausweis ist seit mehr als 20 Jahren verpflichtend. Auch in diesem Land wurde Digitalisierung früh und umfassend umgesetzt. In Deutschland ist dagegen Digitalisierung oft noch ein Flickenteppich und wird durch Partikulardenken beeinträchtigt. 

Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Themen hier in Deutschland, die keinen Aufschub mehr dulden? Oder anders formuliert: Welche Basis muss geschaffen werden, damit die Digitalisierung wirklich gelingen kann?

Markus Koerner:

Digitalisierung ist vor allem eine Frage der Infrastruktur.

Dabei geht es einerseits um den Netzausbau bei Glasfaser und Mobilfunk. Andererseits brauchen wir mehr Kapazitäten in Rechenzentren, um moderne (Cloud-)Anwendungen zu betreiben. Ausreichende Kapazitäten für die Datenübertragung und -verarbeitung sind die unverzichtbare Basis für mehr Digitalisierung. Hinzu kommt noch die Herausforderung, dass der Ausbau aus Umwelt- und Kostengründen möglichst energiesparend erfolgen muss. 

Die IT-Infrastruktur des Gesundheitswesens in Deutschland muss dringend modernisiert werden. Ein Beispiel für eine erfolgreiche IT-Modernisierung bietet die Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, die Kyndryl mit seiner Expertise in der Beratung und Implementierung entlang der IT-Transformation begleitet. Wie und warum kam es zur Zusammenarbeit?

Markus Koerner: Die Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ist der einzige Supramaximalversorger in Rheinland-Pfalz und zählt somit zu den Betreibern kritischer Infrastrukturen. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen und behandelt jährlich mehr als 320.000 Menschen stationär und ambulant. Zudem gilt sie mit 8.700 Mitarbeitenden als einer der größten Arbeitgeber in der Region. Im Rahmen eines Campus-Umbaus entschied sich der Vorstand der Universitätsmedizin dazu, die IT-Infrastrukturen zu erneuern.

Da es sich dabei um ein wahres Mammutprojekt handelte, entschlossen sich die Verantwortlichen dazu, externe Partner mit ins Boot zu holen, um von deren Expertise zu profitieren.

Als weltgrößter IT-Infrastrukturdienstleister mit langjähriger Erfahrung und großer Präsenz im deutschen Markt sind wir bei Kyndryl für einen derartigen Auftrag gut aufgestellt. Besonders zu Anfang des Projekts konnten wir durch unseren IT-Healthcheck punkten, dabei haben Kyndryl-Experten den Reifegrad der IT-Infrastruktur der Universitätsmedizin Mainz begutachtet und bewertet.

Welche Rolle/Aufgaben kamen Kyndryl zu bzw. wie und mit welchen Leistungen hat Kyndryl die Universitätsmedizin konkret unterstützt?

Markus Koerner: Aus unserem Healthcheck haben Kyndryl-Experten eine Modernisierungs-Roadmap und Handlungsempfehlungen abgeleitet, die im Anschluss im Rahmen des IPSUM-Projekts (IT Infrastruktur-, Prozess- und Service-Optimierung der Universitätsmedizin Mainz) realisiert wurden. Dieses Projekt umfasste insgesamt drei Phasen: Bestandsaufnahme, Aufbau und Migration der neuen Infrastruktur sowie Prozess- und Service-Aufbau. Neben der initialen Bestandsaufnahme war Kyndryl an der Verlegung des Rechenzentrums der Universitätsmedizin an einen neuen Standort beteiligt.

Während des laufenden Betriebes konnten unsere Experten in nur wenigen Wochen fast 500 virtuelle und 70 physische Systeme migrieren, und dies bei minimaler Downtime. 

Was macht die Universitätsmedizin Mainz mit neuer IT-Infrastruktur so erfolgreich? 

Markus Koerner: Mit der neuen IT-Infrastruktur konnten wir gemeinsam die Basis für die kommenden Jahre legen, um neue medizinische Anwendungen effizient betreiben zu können. Sie bietet zudem entsprechende Reserven, um beispielsweise rechenintensive KI-Anwendungen zu nutzen. Die Pathologie der Universitätsmedizin hat im Herbst beispielsweise neue Hochleistungsscanner in Betrieb genommen, die dank KI-Unterstützung bereits winzige Veränderungen und Muster in pathologischen Befunden erkennen. Wir können davon ausgehen, dass es in den kommenden Jahren weitere Innovationen, etwa bei digitalen bildgebenden Verfahren mit KI-Unterstützung, geben wird. Die Daten, die dabei erzeugt werden, müssen schließlich alle verarbeitet und sicher gespeichert werden. Dafür ist die Universitätsmedizin Mainz nun optimal vorbereitet. Dank des Austauschs von alter Hardware spart der Betreiber zudem Energiekosten.

Durch den Einsatz moderner und energiesparender Hardware konnte der Energieverbrauch im Durchschnitt um 10 bis 15 Prozent reduziert werden. 

Wie profitieren sowohl das Fachpersonal als auch die Patienten von den (neuen) IT-Plattformen?

Markus Koerner: In der Vergangenheit führten zahlreiche Insellösungen und dezentralisierte Daten zu höchst komplexen IT-Landschaften, mit denen das Fachpersonal im Alltag konfrontiert warWaren die verschiedenen Systeme – einschließlich der IoT-Geräte sowie Kommunikations-, Verarbeitungs-, Management- und Monitoringlösungen – nicht miteinander vernetzt, wirkte sich das auf eine Vielzahl von Prozessen aus.

Eine moderne und resiliente IT-Infrastruktur bietet nun die Grundlage für den Aufbau neuer Anwendungen und Prozesse, die den Arbeitsalltag am Campus vereinfachen können.

Zudem zahlt die moderne IT-Infrastruktur auch positiv auf die Nachhaltigkeitsziele der Universitätsmedizin ein und sorgt für einen reduzierten Energieverbrauch. 

Inwieweit kann oder sollte die Universitätsmedizin Mainz auch Pflegeheimeinrichtungen als Vorbild dienen?

Markus Koerner: Mit 1.500 Betten, mehreren Hunderttausend ambulanten Fällen im Jahr und fast 8.000 Mitarbeitenden stellt die Universitätsmedizin Mainz eine ganz andere Größenordnung dar als ein durchschnittliches Pflegeheim. Hinzu kommt, dass viele medizinische Verfahren heute digital sind, das Rechenzentrum auch für die Forschung genutzt wird und sich Digitalisierung nicht nur auf die Verwaltung beschränkt, was im Pflegeumfeld eher noch der Fall ist. Eigene Rechenzentren wird man dort in der Regel auch nicht finden. Das soll aber nicht heißen, dass in der Pflege kein Potenzial für Digitalisierung besteht.

Ganz im Gegenteil: Effizientere Verwaltung und reduzierte Papierprozesse könnten den Mitarbeitenden in Pflegeeinrichtung wertwolle Zeit einsparen, die sie den Bewohnern widmen können.

Projekte mit vergleichsweise geringem Aufwand könnten dort beispielsweise die Einführung von moderner, Cloud-basierter Verwaltungssoftware sein. 

Besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.


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