Martin Hölscher ist Leiter Markt und Analyse Sozialimmobilien bei der AACHENER GRUNDVERMÖGEN Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH. Zum Thema „Investitionen in Sozialimmobilien“ nahm er für den CareTRIALOG Stellung.
Wie hat sich der Pflegeimmobilienmarkt in den vergangenen Jahren verändert?
Martin Hölscher: Die Themen „Wohnen und Lebensqualität“ sind stärker in den Fokus gerückt. Dies gilt auch für stationäre Pflegeheime, vielmehr aber noch für die neu entstandene Assetklasse des Seniorenwohnens mit begleitenden Pflege- und Betreuungsangeboten, die weit über das betreute Wohnen hinausgehen. Insofern wird heute unterschieden zwischen Investitionen in die stationäre Altenpflege und in die neuen Wohn- und Betreuungsformen. Zudem spielen Änderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Bundesländer eine immer größere Rolle, insbesondere bei Entscheidungen für oder gegen den Erwerb stationärer Pflegeeinrichtungen. Besonders betroffen sind hiervon die Bundesländer NRW und Baden-Württemberg. Dort hat der Gesetzgeber rückwirkend in Eigentumsrechte der Immobilienbesitzer eingegriffen. Wenn Investoren sich nicht auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen verlassen können und sogar Eingriffe in bestehende Mietverträge hinnehmen müssen, überdenken sie zukünftige Investitionsentscheidungen deutlich zurückhaltender.
Ein weiteres großes Problem ist dadurch gegeben, dass die Entwicklung der Investitionskostensätze, über welche die Investitionen in stationäre Pflegeeinrichtungen refinanziert werden, bei Weitem nicht Schritt hält mit der Entwicklung der Bau- und Grundstückspreise. Hier kann Baden-Württemberg positiv benannt werden, wo sich Kosten- und Leistungsträger gemeinschaftlich auf eine realistische Größenordnung für den Preis/Platz bei neu zu errichtenden stationären Pflegeeinrichtungen geeinigt haben.
Ein weiteres großes Investitionshemmnis hat gar nichts mit Baukosten, Refinanzierung von Baukosten, Grundstücken etc. zu tun, sondern mit dem akuten und weiter ansteigenden Fachkräftemangel.
An sehr vielen Standorten besteht inzwischen wieder ein deutlicher Mangel an stationären Pflegeplätzen, aber der Arbeitsmarkt ist leergefegt von Pflegefachkräften. Insofern nützt die schönste neue stationäre Pflegeeinrichtung nichts, wenn die Betten wegen fehlender Pflegefachkräfte nicht belegt werden können.
Wie hat sich die Investitionsstrategie Ihres Unternehmens in den vergangenen Jahren verändert und warum?
Martin Hölscher: Seit 2007 investiert die Aachener Grundvermögen mit dem A.B. Saniga-Fonds in das Segment Sozialimmobilien. Für den A.B. Saniga-Fonds werden stationäre Pflegeeinrichtungen, teilweise ergänzt um einige betreute Wohneinheiten, erworben. Von Beginn an wurde große Sorgfalt auf die Auswahl der Betreiber dieser Einrichtungen wie auch auf die bauliche Qualität gelegt. Insofern wurde bis heute behutsam ein Portfolio von 14 Einrichtungen aufgebaut. Mit weiteren Investitionen in das Segment der stationären Pflege sind wir sehr zurückhaltend. Dies liegt zum einen in den oben genannten Entwicklungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und des Fachkräftemangels begründet. Bezüglich der gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen wir eine absolute Überregulierung. Ein weiterer Grund ergibt sich für uns aber auch aus den sich ändernden Erwartungshaltungen insbesondere der Babyboomer-Generation. Fragen Sie einmal in Ihrem Bekanntenkreis, wer im Alter in ein Pflegeheim heutigen Standards umziehen möchte?!
Welche Investitionsstrategien verfolgt Ihr Unternehmen hinsichtlich einer guten Zukunftssicherheit?
Martin Hölscher: Grundsätzlich investieren wir dort, wo wir uns auskennen. Dies gilt mit Blick auf das Produkt sowie mit Blick auf den Standort. Dabei stehen für uns Investitionen in die Segmente Wohnen) und WohnenPlus in den nächsten Jahren eindeutig im Fokus. Investitionen wie in das Projekt Riviera in Berlin-Köpenick oder in das Quartier Fahrenkrön in Hamburg-Bramfeld sind hier beispielgebend. Und wenn es nach uns geht, war dies erst der Anfang. Kommen Angebote, die qualitativ unseren Ansprüchen gerecht werden, werden wir auch in Zukunft solche zukunftsweisenden Projekte begleiten.
In welchen Segmenten finden Investitionen bevorzugt statt? Was sind die Gründe?
Martin Hölscher: Eindeutig in die neuen Wohn- und Betreuungsformen. Hierin sehen wir ein zukunftssicheres Investment, welches auf die veränderten Anforderungen der zukünftigen Nutzer („Babyboomer“) die richtige Antwort gibt.
Welche Kriterien müssen die Betreiber unabdingbar erfüllen?
Martin Hölscher: Ihr erstes und vordringliches Interesse muss in der optimalen Betreuung und Versorgung der ihnen anvertrauten Menschen liegen, denen sie mit innovativen Wohn- und Betreuungskonzepten ein sicheres und gutes Zuhause bieten. Dabei schauen sie in erster Linie auf die Ressourcen, die diese Menschen zu ihnen in die Einrichtungen beziehungsweise Wohnangebote mitbringen und wie sie sie dabei unterstützen können, diese Ressourcen auch im hohen und sehr hohen Alter noch nutzen und zur Entfaltung bringen zu können. Optimaler Weise verfügen diese Betreiber dabei nicht über ein Stand-alone-Angebot in der betreffenden Region, sondern über ein breit gefächertes Angebotsportfolio, sodass die Einrichtung in ein umfassendes Dienstleistungsangebot des Betreibers selbst eingebettet ist. Genauso wichtig ist aber auch das Netzwerk zu Dritten, über welches der Betreiber bestenfalls bereits verfügt beziehungsweise an dessen Aufbau er aktiv mitwirkt. Aber natürlich müssen die Betreiber, die mit uns einen Generalmietvertrag eingehen, auch über eine gute Bonität verfügen und als ordentliche und gewissenhafte Kaufleute im Markt agieren. Wie wir, sollten sie an einem langfristigen Engagement in der zur Verfügung gestellten Immobilie interessiert sein. Unsere Mietverträge haben eine Laufzeit zwischen 20 bis 25 Jahre plus Option.
Wir sind vom Selbstverständnis her Bestandshalter. Dies bedeutet, dass wir nicht beabsichtigen, unsere Immobilien vor Ablauf der Mietverträge wieder zu veräußern, um kurzfristige Gewinnoptimierungen zu generieren. Wie wir sind auch unsere Anleger an langfristigen und nachhaltigen Investments interessiert.
Welche Anforderungen stellen Sie an Standorte und Konzepte?
Martin Hölscher: Die Frage nach den Konzepten wurde zum überwiegenden Teil schon mit der Antwort auf Ihre vorherige Frage beantwortet. Und auch die Antwort auf die Frage nach den Standorten erschließt sich bereits aus dem vorher Gesagten. Da wir mit einer Langfristperspektive an unsere Engagements herangehen, müssen auch die Standorte eine langfristig positive wirtschaftliche Entwicklungsaussicht aufweisen. Aktuell herrscht nahezu überall in der Bundesrepublik ein hoher Bedarf an Pflegeplätzen wie nach adäquaten Angeboten im Bereich des Servicewohnens und der neuen Wohnformen im Alter. Wir beschäftigen uns vor unseren Investitionsentscheidungen aber auch intensiv mit der Frage, wie es damit in 20 oder 25 Jahren bestellt sein wird und ob dann auch an diesen Standorten noch, neben der Nachfrage nach diesen Angeboten, auch noch die erforderliche Kaufkraft zur Verfügung steht, um diese Angebote bezahlen zu können. Generell schließen wir aber Engagements in kleineren Städten und Gemeinden nicht von vornherein aus. Wenn das Grundstück über die für diese Standorte zwingend erforderliche Zentralität verfügt, ein gut vernetzter Betreiber mit einem überzeugenden Konzept zur Verfügung steht und die zuvor genannten Zukunftsparameter stimmen, prüfen wir auch solche Investitionsmöglichkeiten mit großer Ernsthaftigkeit.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen der Zukunft?
Martin Hölscher: 1. Es sind gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die einerseits den Verbraucherschutz ausreichend berücksichtigen, auf der anderen Seite aber Betreibern wie Investoren Luft zum Atmen lassen und die Verbraucher nicht entmündigen.
2. Gerade in den Ballungszentren sollten die Städte dazu bewegt werden, attraktive Grundstücke für Wohnen im Alter beziehungsweise Quartierslösungen zur Verfügung zu stellen.
3. Es sollte der Zugang ausländischer Fachkräfte auf den deutschen Arbeitsmarkt umfassend erleichtert werden. Gleichzeitig wäre es wünschenswert, die Personalanforderungen und den Personalmix für den stationären Pflegebereich neu zu definieren.
Besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen!