Melanie Schlotzhauer (SPD) ist seit Dezember 2022 Senatorin und Präses der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg. Zudem ist sie stellvertretendes Mitglied des Bundesrates.

Wie würden Sie den aktuellen Status der Digitalisierung im Gesundheitswesen in Deutschland und speziell in Hamburg beschreiben?

Melanie Schlotzhauer: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen geht in Deutschland leider nicht in allen Themenfeldern so schnell voran, wie es wünschenswert wäre. Ein Beispiel: Wir sind das letzte Land innerhalb der Europäischen Union, das das E-Rezept einführt. Langsam kommt aber mehr Geschwindigkeit in den Prozess. Mit der Telematikinfrastruktur vernetzen wir immer mehr Gesundheitseinrichtungen und bringen notwendige technische Standards auf den Weg. 

Aus Hamburger Sicht nimmt die Digitalisierung des Gesundheitswesens einen hohen Stellenwert ein. Wir fördern beispielsweise die große Digitalisierungsinitiative Health Harbor Hamburg H³ und auch Themen wie die IT-Sicherheit und telemedizinische Netzwerke. Im Bereich der Pflege sind mittlerweile die meisten Hamburger Einrichtungen mit W-LAN ausgerüstet. Auch digitale Verwaltungsprozesse sind bereits die Regel. Bewohnerinnen und Bewohner profitieren von technischen Assistenzsystemen.

Die Telematikinfrastruktur selber ist in Hamburg allerdings noch zu wenig vertreten – wir erhoffen uns daher von der Modellregion einen Schub. 

Die erste Modellregion für digitale Gesundheit startete Mitte September in Hamburg. Die Hansestadt sowie ländliche Gebiete nördlich und südlich der Elbe haben Mitte September damit begonnen, das E-Rezept, die elektronische Patientenakte und weitere digitale Gesundheitsanwendungen in die Versorgung zu integrieren. Wie und warum wurde Hamburg als Modellregion ausgewählt?

Melanie Schlotzhauer: Als die Ausschreibung zu den Modellregionen veröffentlicht wurde haben wir uns sofort intensiv um eine Teilnahme Hamburgs bemüht.

Als Metropolregion profitieren wir von kurzen Wegen und starken Netzwerkstrukturen.

Mit dem Verbund aus ÄrzteNetz Hamburg, der Radiologischen Allianz und dem Labor Dr. Heidrich hat sich ein Konsortium gebildet, das direkt an der Versorgungspraxis arbeitet und die Herausforderungen kennt. 

Die Sozialbehörde unterstützt das Konsortium tatkräftig, auch in der Umsetzungsphase des Projekts. Wir freuen uns sehr über die positive Resonanz zahlreicher Praxen, Apotheken, Krankenhäuser und vieler weiteren Einrichtungen, die sich beteiligen wollen. Hamburg bringt so viel Kompetenz und Engagement in das Projekt ein.

Was sind die Ziele dieses Modellversuchs?

Melanie Schlotzhauer: Modellversuche sind Praxis-Checks. In der Vergangenheit gab es häufig Probleme, wenn digitale Anwendungen wie das E-Rezept flächendeckend ausgerollt werden sollten.

Die Nationale Agentur für Digitale Medizin – gematik hat daher die Modellregionen eingeführt, um die bereits zugelassenen Anwendungen vor einer bundesweiten Einführung zu testen. 

Wir schauen in den Modellregionen ganz genau hin, erproben die Anwendungen gemeinsam mit Einrichtungen und den Patientinnen und Patienten. Die so gesammelten Erkenntnisse geben wir weiter nach Berlin. In Hamburg können wir so neue Anwendungen frühzeitig kennenlernen einbinden und gegebenenfalls dafür Sorge tragen, sie an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten anzupassen.

Wer nimmt an den Tests der digitalen Gesundheitsanwendungen teil?

Melanie Schlotzhauer: Derzeit beteiligen sich mehr als 120 Gesundheitseinrichtungen aus Hamburg und dem Umland an der Modellregion. Dazu gehören Krankenhäuser, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Pflegeeinrichtungen, Apotheken, Physiotherapiepraxen, Hebammen und weitere. Auch ein Rettungsdienst und ein Gesundheitsamt sind mit an Bord. Wichtig ist auch die Unterstützung durch die Netzwerkpartner. Hier haben viele Krankenkassen, Kammern und Berufsverbände aus dem Gesundheitswesen sowie IT-Dienstleister ihre Unterstützung erklärt. Im Zentrum der Modellregion stehen dabei immer die Patientinnen und Patienten. Sie sollen von einer verbesserten Versorgung profitieren, und hierzu sammeln wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern wichtige Erkenntnisse.

Wie werden die Beteiligten eingebunden?

Melanie Schlotzhauer: Patientinnen und Patienten erreichen wir direkt vor Ort: in den Arztpraxen. Dort stellen die beteiligten Krankenkassen Informationsmaterial bereit.

Das Projektteam der TIMO (TI-Modellregion) bietet wöchentlich viele regelmäßige Termine und Sprechstunden für alle Einrichtungen an, um eine breite Kommunikation sicherzustellen.

Dazu gibt es regelmäßige Newsletter für alle Beteiligten. Zusätzlich hat das Projektteam extra für die Modellregion eine Kommunikationsplattform aufgesetzt. Darüber laufen zum Beispiel auch die Rückmeldungen der Einrichtungen, wie gut die Erprobungen funktionieren.

Welche Mehrwerte/Vorteile sollen konkret geschaffen werden?

Melanie Schlotzhauer: Ein ganz wichtiger Schritt ist aktuell die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Von der ePA versprechen wir uns einen handfesten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger. Sie erhalten einen digitalen Überblick über ihre Gesundheitsdaten und können diese einfach und datenschutzkonform weitergeben. Mittlerweile hat die Bundesregierung die ePA für alle ab 2025 angekündigt. In der Modellregion bereiten wir das bereits jetzt vor.

Auch das E-Rezept steht bei uns im Fokus. Perspektivisch können die Verordnungsdaten der Rezepte direkt in die Medikationsliste der ePA übertragen werden und so die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen.

Wir hoffen natürlich auch, dass wir als Vorreiter für andere Bundesländer dienen können, in denen die Anwendungen anschließend dann zum Einsatz kommen.

Wie bewerten Sie die Unterstützung der Bundesregierung in Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen? Welche Erwartungen/Wünsche haben Sie an die Politik?

Melanie Schlotzhauer: In der Modellregion erfahren wir eine sehr gute Zusammenarbeit mit der gematik. Das ist auch nötig, denn viele Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Digitalisierung kommen jetzt in die Umsetzung. Von der Bundespolitik erwarten wir dabei ein offenes Ohr für das, was wir nun länderseitig erproben.

Ich wünsche mir, dass unsere Erfahrungen und Ergebnisse direkten Einfluss auf die weiteren Ziele und Maßnahmen der Digitalisierung nehmen. 

Herzlichen Dank, dass Sie unsere Fragen beantwortet haben.

Foto: © Senatskanzlei/Daniel Reinhardt

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