Als echter Berliner liegt es Frank Zander schon seit den 1970er-Jahren sehr am Herzen, den eigenen Kiez zu unterstützen, sich einzumischen und auf die bedürftigen Menschen zuzugehen: „Mir geht es gut, und ich hab‘ ne tolle Familie, da kann man ruhig was abgeben …“ Bis heute ist der erfolgreiche Musiker, Schauspieler und Entertainer auf dem Boden geblieben und sieht es als Selbstverständlichkeit, seine Popularität auch für soziale Zwecke zu nutzen: www.obdachlosenfest.de.
Was verbinden Sie mit Weihnachten bzw. welchen Stellenwert hat das Weihnachtsfest in Ihrem Leben?
Frank Zander: Wir feiern immer sehr ruhig, im kleinen Kreis am Heiligabend. Meine Frau macht den Gänsebraten, und mein Sohn mit seiner Frau und unser Enkel dürfen solange nicht ins Esszimmer, bis Vadder mit der Glocke bimmelt und alles geschmückt ist. Das nervt zwar die Familie manchmal, aber ein bisschen Tradition muss bei unserem verrückten und chaotischen Lebenswandel schon sein. Dann folgt die Bescherung, und manchmal greife ich dann noch zur Gitarre, und wir stimmen gemeinsam ein paar Weihnachtslieder an. Also – ich freu mich schon, sowohl auf das große, als auch auf das kleine Weihnachtsfest …
Auch dieses Jahr findet im Dezember wieder „Weihnachten für Obdachlose und Bedürftige“ statt – zum 25. Mal im Estrel Convention Center. Wie kam es zu der Idee, eine solche Veranstaltung für die Armen unserer Gesellschaft durchzuführen?
Frank Zander: Nun ja, der Weg zum Bahnhof Zoo, um ein kleines Paket für Obdachlose abzugeben, gehörte schon vor 1995 zu meinem alljährlichen Weihnachtsritual. Vor 18 Jahren hatte meine damalige Plattenfirma die Idee, eine CD Veröffentlichung zu nutzen, um arme Menschen einzuladen. Dieses Beispiel kam von Bruce Springsteen, der in New York Obdachlose zu seiner CD-Release-Party einlud. Das Ganze war zwar gut gedacht, ging aber nach hinten los. Auf den Rat einiger Presseleute ließen wir die CD-Veröffentlichungsparty sausen und kümmerten uns nur um die 120 armen Menschen. Diese erste Feier im Schloss Diedersdorf war ein voller Erfolg und für uns eine wichtige und wunderbare Erfahrung.
Es wurden jährlich mehr Gäste, bis wir 1999 mit unserer Feier in das Estrel Festival Center zogen.
Ich lernte den Estrel-Hotelbesitzer (Herrn Streletzki) kennen, und seitdem durften wir unsere Feier im ganz großen Saal (Convention Center) veranstalten. In diesem Jahr erwarten wir circa 2.800 obdachlose, bedürftige und arme Menschen.
Wie wurde die Idee von Ihrem Umfeld aufgenommen, was hat sie besonders motiviert?I
Frank Zander: Also, ganz ehrlich: Es hatten viele Leute um mich herum damals etwas Bauchschmerzen, denn wir laden ja fremde Menschen ein, die auf der Straße leben. Es riecht nicht nach Parfüm, sondern nach Schweiß und Alkohol. Von vielen Seiten gab es anfangs Bedenken wegen der Sicherheit. Ich habe aber ein Grundvertrauen und wurde bisher nie enttäuscht. Wenn sich auch nur der Hauch von Stress bei unserer Feier andeutet, ist schon ein Nachbar am Tisch zur Stelle, der erklärt, dass dieses Fest nur funktioniert, wenn alle mitmachen und es eben keinen Ärger gibt. Somit reguliert sich alles von selbst.
Was vor vielen Jahren begann, hat heute Vorbildcharakter. Mehr als 3000 Gäste dürfen sich über ein vielfältiges Programm und ein gutes Gänseessen freuen. Wie viele Obdachlose gibt es eigentlich in Berlin, und hat sich die Zahl und die demografische Struktur in den vergangenen Jahren verändert (Stichwort: Altersarmut)?
Frank Zander: Na ja, so genau weiß ich das auch nicht. Die Hilfsverbände schätzen, dass es zwischen 4000 und 10.000 Obdachlose gibt, dazu kommen ja noch die Leute, die in den Notunterkünften leben. Es werden immer mehr, und es wird schlimmer, würde ich sagen, aber das ist nur mein Bauchgefühl.
Erhält jeder, der gerne teilnehmen möchte, die Möglichkeit dazu?
Frank Zander: Wir lassen über die sozialen Stationen in Berlin kostenlose Einlassbändchen verteilen. In Aufwärmstellen, Essensausgaben und Notübernachtungen der Stadt hängen Plakate, mit der Information, wo man sich die Bändchen abholen kann und wann die Busse zur Feier abfahren. Das klappt eigentlich sehr gut. Natürlich ist die Anzahl der Bändchen begrenzt, aber das versteht eigentlich jeder. Für Gäste, die ohne Bändchen am Tag der Veranstaltung zum Hotel kommen, haben wir noch ein Kontingent vor Ort, die von Sozialarbeitern verteilt werden. Sind auch diese Bändchen alle, haben wir als kleinen Trost noch Geschenketaschen.
Eine Weihnachtsfeier ist (eigentlich) ein fröhlicher Anlass. Doch die Teilnehmer müssen Tag für Tag mit ihrer schwierigen Lebenssituation umgehen Gibt es auch traurige Gespräche während der Veranstaltung? Was waren/sind für Sie die traurigste bzw. prägendsten Momente?
Frank Zander: Natürlich sind wir alle immer sehr gerührt und auch berührt, wenn die Ärmsten der Armen den Saal betreten. Es sind die Umarmungen und Tränen an der Eingangstür, die mich oft auch an meine emotionale Grenze bringen. Natürlich reichen ein paar kurze Sätze nicht aus, um das ganze Schicksal oder die Krankheit zu verstehen, aber ein Blick in die Augen verrät so viel … Danach bin ich dann erstmal platt und brauche ein Bier.
Einige der Gäste vertrauen mir ihre ganze Lebensgeschichte an und schreiben lange, berührende Briefe.
Oft sind es Schicksalsschläge, die durch Krankheit, Todesfall in der Familie oder Arbeitsverlust zustande kamen – dann folgt oft der Alkohol, und der Absturz nach ganz unten ist nicht aufzuhalten. Ich bin ein echter Berliner Straßenköter und kann mich beim Zuhören blitzschnell in die Lage versetzen. Nicht Mitleid, sondern Mitgefühl ist wichtig bei unserer Feier!
Was wünschen Sie für sich, für die Veranstaltung und für die Menschen, die daran teilnehmen, für die Zukunft?
Frank Zander: Das Beste wäre, wenn es unser Fest nicht mehr geben müsste, weil es keine Armut und keine Wohnungsnot in Berlin mehr gäbe. Aber bis dahin wünsche ich mir noch viel Zeit, Gesundheit und Kraft für meine Familie und mich selber, denn ich will ja 120 Jahre alt werden und noch viele verrückte Projekte auf die Beine stellen wie mein aktuelles Album „Urgestein“…(siehe auch https://frank-zander.de).
Herzlichen Dank!
Copyright Foto Frank Zander: Thomas Nitz