Dr. Michael Held ist Vorstandsvorsitzender (CEO) der TERRAGON AG (Projektinvestments, Unternehmensentwicklung und Kommunikation). Er verfügt über eine mehr als 25-jährige Berufserfahrung als Projektentwickler. 1994 gründete er das Unternehmen TERRAGON, mit dem er sich von 1999 an auf die Entwicklung und Realisierung von Seniorenimmobilien spezialisierte. Gemeinsam mit seinem erfahrenen Team machte der in München aufgewachsene Unternehmer TERRAGON zu einem Marktführer im Bereich Service-Wohnen; www.terragon-ag.de/.

SDG (Social Development Goals), Green Deal, ESG (Environmental, Social and Governance): Inwieweit verfolgt Ihr Unternehmen bereits eine Nachhaltigkeitsstrategie? Wie sieht diese aus?

Dr. Michael Held: Wir nehmen das Thema auf jeden Fall sehr ernst und sind aktuell dabei, eine Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen zu entwickeln. Unsere Ansätze sehen wie folgt aus:

Environmental:

Die Einsparung von Primärenergie setzen wir vor allem über unsere Service-Wohnanlagen um. Die KfW-Effizienzhaus-Stufe 55 ist dort Standard. Ob wir zu weiteren Energieeinsparungen kommen, hier sei KfW 40 genannt, ist für uns insbesondere eine Frage der Einbeziehung der Unterhaltung bzw. des wirtschaftlich tragfähigen Betriebs unserer Service-Wohnanlagen. 

Hinsichtlich der Reduzierung bzw. Vermeidung von CO2-Emissionen versuchen wir, dort, wo es möglich ist, Brownfield Investments zu tätigen und Bestandsgebäude zu erhalten und umzubauen. Dieses Ziel kann einen Konflikt mit der Barrierefreiheit bedeuten. Sodass wir den Erhalt eines Gebäudes nur dann umsetzen können, wenn die Barrierefreiheit mit vertretbaren Mitteln herstellbar ist. So verhält es sich beispielsweise bei unserem Bestandsgebäude in Murnau, während es beim Umbau eines ehemaligen Kaufhauses schwierig ist, die erforderliche Barrierefreiheit zu erreichen. Jedoch ist die Barrierefreiheit ein ganz wesentlicher Punkt, da unsere Gebäude auch von der Nutzung bewegungseingeschränkter Menschen geprägt sind. 

Es ist bei Bestandsgebäuden also immer eine Sache der Abwägung zwischen dem ökologischen Ziel und dem Nutzungsziel.

Zudem agieren wir ressourcenschonend, da wir in der Regel nicht auf der grünen Wiese bauen, sondern auf vorgenutzten Grundstücken – zum Beispiel dort, wo es bereits früher eine Industrieansiedlung gab oder in städtischen Zentren.

Social:

Wir sind spezialisiert auf Service-Wohnen für Senioren. Und so gehören bei uns barrierefreie und rollstuhlgerechte Verkehrswege/Verkehrsflächen zum Standard. 

Außerdem sind wir dort aktiv, wo es eine hohe soziale Einbindung gibt (öffentlicher Nahverkehr, Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs, fußläufige Erreichbarkeit wichtiger Einrichtungen/Geschäfte/Dienstleistungen usw.).

Zu unserem Service-Wohnen-Gedanke gehört ganz klar, dass wir nicht nur die Einschränkungen des Alters sehen, sondern auch die Potenziale und Chancen.

Wie kann eine nachhaltige Unternehmensführung und -steuerung im Unternehmen umgesetzt werden (Herausforderungen, Chancen, Anreize)?

Dr. Michael Held: Wir arbeiten mit festen Standards (zum Beispiel Baustandards), die bei jedem Wohnungsbauprojekt umgesetzt werden.

Bei der Frage, inwieweit spielt die Umsetzung nicht nur für die Produkte, sondern auch für das Unternehmen selbst eine Rolle, verfolgen wir gegenwärtig einen mitarbeiterzentrierten Ansatz.

Zum einen stellen wir jedem Mitarbeiter Monatskarten für die öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung. Zum anderen kann jeder Mitarbeiter auf Firmenkosten über ein spezielles Abo Sport betreiben, um sich gesund und fit zu halten. 

Und gerade während der Pandemie haben wir unseren Mitarbeitern nicht nur eine ausreichende Anzahl an Tests zur Verfügung gestellt, sondern bieten nun auch betriebliche Grippeimpfungen an.

Des Weiteren haben wir eine familiengerechte Arbeitszeitgestaltung etabliert: zweimal in der Woche besteht die Möglichkeit vom Homeoffice aus zu arbeiten.

Zudem achten wir auf Equal Pay und Aufstiegschancen für unsere weiblichen Mitarbeiterinnen, die unser Unternehmen sehr stark prägen.

Wie können nachhaltige Kriterien berichtet und gemessen werden?

Dr. Michael Held: Da gibt es bis jetzt noch keine Festlegung und es fehlen uns noch die endgültigen Beschlüsse.

Doch wir sind auf dem Weg, die Nachhaltigkeitskriterien in unsere Geschäftsberichte als fixe Bestandteile miteinfließen zu lassen und zu verankern.

Was erwarten Sie von der Politik, um eine nachhaltigere und sozialere Zukunft gestalten zu können (Rahmenbedingungen und Planungssicherheit)?

Dr. Michael Held: Wir brauchen feste Rahmenbedingungen, um mittel- und langfristige Investitionsentscheidungen treffen zu können.

Und natürlich erwarten wir von der Politik, dass die Umstellung der Primärenergie usw. weiterhin stark gestützt wird – zum Beispiel die Förderung von KfW 55, die für uns wichtig ist. Und wir hoffen, dass sie kontinuierlich weitergeführt wird, weil sich unser Anlagehorizont, wenn wir neue Wohnprojekte starten, über fünf bis zehn Jahre erstreckt und die wirtschaftliche Kalkulation solcher Wohnanlagen mit einberechnet werden muss.

Wir benötigen also ausreichend lange Planungssicherheit bzw. eine entsprechende Anpassungszeit, die Dinge dürfen sich nicht von heute auf morgen ändern.

Anderseits empfinden wir es als sehr positiv, dass der nachhaltige Weg beschritten wird und wir dabei unterstützt werden. 

Wie beeinflusst/verändert die EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten Immobilieninvestitionen und attraktive Finanzierungen?

Dr. Michael Held: Die Problematik ist, dass es aktuell noch nicht eingepreist ist. Es stellt sich im Moment noch nicht so dar, dass man, wenn man den Kriterien entspricht, einen besseren Kaufpreis erzielt. Denn die Investoren suchen noch ihren Weg, welche Kriterien aufgestellt und eingehalten werden sollen. Momentan wird es noch nicht gratifiziert, wenn man den Nachhaltigkeitskriterien entspricht.

Doch ich bin ganz sicher, dass dies kommen wird.

Man wird zukünftig den Kriterien entsprechen müssen, um überhaupt geeignete Investoren finden zu können.

Das deutet sich an und ist im Entstehen.

Welche konkreten Auswirkungen hat die EU-Taxonomie auf Unternehmen: Was muss ganz konkret getan und nachgewiesen werden, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden (z. B. Baustoffe usw.)?

Dr. Michael Held: Genau das ist noch nicht ganz konkret klar. Erst einmal müssen die ökologischen Kriterien auf allen beteiligten Seiten bestimmt werden. Andererseits muss die Industrie die gewünschten Produkte dann im ausreichenden Maße produzieren können.

Doch bereits jetzt haben wir ja (auch Pandemie-bedingt) große Probleme mit Lieferkettenengpässe, mit dem Mangel an Baumaterial und der enormen Preissteigerungen bei Baustoffen und anderen Materialien, was sich wiederum direkt auf unsere Bauvorhaben auswirkt.

Und eins ist klar, letztendlich zahlt die erhöhten Kosten der Konsument. Egal, ob Industrie- oder Wohnungsbau, die Kosten landen entweder über Miete oder über eine breite Produktpalette beim Endverbraucher. Ein Bau dient aber immer auch der gesellschaftlichen Unterstützung, und so kommt wieder eine wirtschaftlich-soziale Komponente ins Spiel, die unbedingt berücksichtigen werden muss.

Gehen nachhaltige Investments zulasten der Rendite?

Dr. Michael Held: Ich würde sagen, langfristig ja.

Kurzfristig hat derjenige, der Nachhaltigkeitskriterien am schnellten umsetzt sicherlich Wettbewerbsvorteile und wird vielleicht sogar eine bessere Rendite erzielen können.

Mit der Zeit und mit einer Umsetzung auf breiter Front werden sich die Effekte hochwahrscheinlich angleichen.

Welche positiven Impulse können nachhaltige Anlage- und Investmentstrategien im Pflegeimmobilienmarkt auslösen (High Impact Investing)? Welche Erfahrungen haben Sie bis dato gemacht?

Dr. Michael Held: Das Service-Wohnen für Senioren ist unser Schwerpunkt, und hier stehen wir hinsichtlich Social Investment noch am Anfang.

Doch wir wissen auch, dass es fünf vor zwölf ist, und gerade die soziale Komponente ist im Bereich Seniorenimmobilien tragend.

Deswegen müssen wir soziale, ethische Investments in Zukunft berücksichtigen. Die zweite Komponente, die Environmental-Komponente, sehe ich über alle Asset-Klassen hinweg gleich.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch.

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