Bei der vierten Studienreise vom CareTRIALOG ging es dieses Mal in die Niederlande: Vom 08.-10. April machte sich eine Gruppe aus der Pflege, der Architektur und der Fachpresse auf nach Utrecht. Es standen Besichtigungen von Wohnkonzepten für Menschen mit Gedächtnisschwäche (so wird Demenz in den Niederlanden genannt) sowie Gespräche zum Thema Digitalisierung und Langzeitpflege auf dem Programm. Aber auch die Kultur kam nicht zu kurz mit Stadtrundgängen, einer Grachtenfahrt und einem Ausflug an die Nordseeküste.

„Über den Tellerrand schauen.“

Das war die vorherrschende Motivation der Teilnehmenden. Sich inspirieren lassen, Ideen aufgreifen, um diese dann ggfs. in der eigenen Einrichtung umsetzen. Die Kulturunterschiede zwischen den Niederlanden und Deutschland sind groß. Das machte Dr. Sabine Becker-Klunder, DDN-Franchise, in ihrem Impulsvortrag gleich zu Beginn deutlich. Die Niederländer lieben die Freiheit. Lieber selbständig als angestellt arbeiten. Häuser zu kaufen und wieder zu verkaufen, häufige Umzüge und sogar den Hausarzt zu wechseln (im Durchschnitt nach 7 Jahren), ist für Niederländer normal. Der Vortrag war ein guter Einstieg, um dann die Eindrücke und Gespräche besser einsortieren zu können. Und um auch zu verstehen, warum das Buurtzorg-Modell sich in Deutschland so schwertut. Im Video-Interview berichtete Marja Wubbels, eine der ersten Buurtzorg-Mitarbeiterinnen in den Niederlanden, von ihren Erfahrungen selbständig und selbstverantwortlich zu arbeiten und dazu mit einem eigenen Budget – und nicht eingebunden zu sein in zig Hierarchiestufen. Für sie war es genau das richtige Modell, da sie so viel näher am Menschen arbeiten konnte.

„Ich möchte gute Pflege leisten direkt am Menschen, ohne dass Dinge von oben bestimmt werden.”

Wohnkonzepte für Menschen mit Demenz

Utrecht stellte den perfekten Ausgangspunkt da, um von dort aus zu den verschiedenen Besichtigungen und Terminen aufzubrechen. Den Anfang machte ein umgenutztes Waisenhaus in ein Herbergier: Heute beherbergt das Gebäude eine Wohngemeinschaft für 16 Menschen mit Gedächtnisschwäche. 16 Mitarbeitende und das Gastgeberehepaar versorgen die BewohnerInnen. Das Besondere dieses Konzeptes ist, dass das Gastgeberpaar in einer Wohnung direkt im oder am Herbergier wohnt und somit 24/7 vor Ort ist. Das Gastgeberpaar schließt einen Franchisevertrag mit dem Unternehmen DDN-Franchise für 5 Jahre. Dieses Konzept wird jetzt auch nach Deutschland kommen. Die ersten Herbergier-Häuser sollen in Nordrhein-Westfalen realisiert werden.

Zentral im Ort gelegen, eine stilvolle Gestaltung und ein familiäres Miteinander machen den besonderen Charakter aus. Selbst die Bodenbeläge können von zu Hause mitgebracht und vor Ort eingebaut werden. Es ist kein institutionelles, sondern ein privates, familiäres Wohnen mit Pflege und Betreuung. Wichtig dabei ist auch die „offene-Tür-Philosophie“ – die BewohnerInnen können jederzeit das Gebäude verlassen. Einige tragen einen GPS-Tracker. Wie zufrieden und umsorgt sich die BewohnerInnen dort fühlen berichtete freudestrahlend ein älterer Herr, der seit 3 Monaten in diesem Haus lebt und sehr gut deutsch sprechen konnte.

Abgerundet wurde der erste Tag dann von einem geführten Standrundgang durch Utrecht mit anschließendem Abendessen in einem angesagten Restaurant.

Am zweiten Tag wurde das einzig neugebaute Herbergier besichtigt. Ein Gebäude in Modulbauweise errichtet mit einem Fokus auf energetischem und nachhaltigem Bauen. 

Direkt im Anschluss hatten wir das Vergnügen, eine umgenutzte Kirche zu bestaunen. Heute ist sie ein betreutes Wohnen für 21 Menschen. Die Apartments reichen von 31 – 41qm. Auch hier fanden wir wieder eine stilvolle Gestaltung vor.

Die Langzeitpflege in den Niederlanden

Zum Mittagessen stieß eine „Mantelzorg-Maklerin“ dazu. Mantelzorg ist ein Modell, um An- und Zugehörige, die sich um pflegebedürftige Menschen kümmern, mit Beratungsleistungen zu unterstützen.  Sobald eine Person in den Niederlanden über 3 Monate hinweg regelmäßig Pflege- und Betreuungsleistungen benötigt, haben die pflegenden Angehörigen sowie aber auch Nachbarn und Freunde, die diese Aufgabe wahrnehmen, Anspruch auf eine/n Mantelzorg-Makler/in. Das ist ein von der niederländischen Regierung gefördertes Modell. Auch hier sind der Wunsch und das Bestreben vorhanden, so lange wie möglich zu Hause versorgt zu werden.

Den fachlichen Abschluss des Tages war eine Diskussion zum Thema der Digitalisierung. Auch wenn viele Prozesse in den Niederlanden – vor allem im Gesundheitswesen – schon lange digitalisiert sind, gibt es auch hier immer wieder Hürden und vor allem auch viele Gesetze.

Zum Abschluss der Reise stand noch die Besichtigung des modernsten Linoleum-Werkes der Welt auf dem Programm. In Assendelft produziert Forbo Flooring den Bodenbelag klimapositiv, von dort aus wird er dann in die ganze Welt geliefert.

Die Tage waren eng „durchgetaktet“ mit vielen Eindrücken, die auch noch Tage nachgewirkt haben.

„Es war eine tolle und gelungene Reise.“

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