Dänemark, 18.–20. Juni 2025

Tag 1 – Architektur heilt: Wo Räume wirken

Bereits beim Eintreffen im stilvollen Kurhotel Skodsborg, nördlich von Kopenhagen, wurde klar, dass diese Studienreise mehr als nur einen Einblick in dänische Pflegepraxis bieten würde – sie lud zur Reflexion über Räume, Beziehungen zwischen Pfleger:Innen und Zupflegenden sowie Zukunftsperspektiven in der Pflege ein. Bei einem ersten Get-together mit Snacks und Getränken im Konferenzraum entstand rasch ein reger Austausch unter den Teilnehmenden.

Mit dem Eröffnungsvortrag des Architekten und Partner des Architektenbüros NORD Architects Johannes Molander Pedersen zum Thema „Healing Architecture“ eröffnete sich ein inspirierender Blick auf die Kraft gebauten Raums: Wie Architektur in Pflegeheimen, Hospizen und Krankenhäusern zur emotionalen und physischen Heilung beitragen kann – nicht nur für Bewohner:innen, sondern auch für Mitarbeitende. Die klare, lichtdurchflutete und funktionale Gestaltung, gepaart mit einem tiefen Verständnis für soziale Dynamiken, beeindruckte nachhaltig.

Der anschließende Vortrag zum dänischen Gesundheitssystem machte deutlich: Prävention, Dezentralisierung und eine hohe Verantwortung der Kommunen bilden das Fundament eines Systems, das mit Effizienz und Menschlichkeit zugleich überzeugt.

Ein gemeinsames Abendessen im stilvollen Hotelrestaurant Carl rundete den ersten Tag ab und bot Gelegenheit zur vertiefenden Diskussion und einem schönen Austausch.

Tag 2 – Pflege im Wandel: Zwischen Hightech und Herzensnähe

Früh am Morgen ging es mit dem Bus Richtung Süden – unser Ziel: Næstved, eine Gemeinde, die landesweit als Vorreiterin im Bereich digitaler Pflege gilt.

Kildemarkscentret – Robotik trifft Beziehungspflege

Das erste Highlight war der Besuch des Pflegeheims Kildemarkscentret, wo eindrucksvoll demonstriert wurde, wie Technologie und Menschlichkeit zusammengedacht werden können. Die Gemeinde Næstved hat das landesweit größte Investment in Robotik und KI im Pflegebereich getätigt – mit Fokus auf die Demenzversorgung.

Systeme wie teton.ai (Sturzprävention mittels Computer Vision), CareTurner (Sensorik zur Lagerungserkennung) und SensiSleep (eine beruhigende Wiegefunktion für besseren Schlaf) sind bereits im Alltag integriert. Die Technologie unterstützt nicht nur die Sicherheit und Schlafqualität der Bewohner:innen, sondern entlastet auch das Pflegepersonal – teils mit Einsparungen von bis zu 50 % beim Nachtpersonal.

Besonders spannend: Die Technologien wirken nicht isoliert, sondern sind Teil eines interdisziplinären Ansatzes. Gemischte Teams aus Sozialassistent:innen, Pflegekräften und Physiotherapeut:innen nutzen die Systeme als Erweiterung ihres Fachwissens – nicht als Ersatz.

Birkebo – Beziehung statt Beruhigungsmittel

Nach einem gemeinsamen Mittagessen im traditionsreichen Rønnede Kro stand am Nachmittag das zweite Pflegeheim auf dem Programm: Birkebo, eine Einrichtung mit tief verwurzelter personenzentrierter Haltung nach Tom Kitwood.

Hier zeigte sich eindrucksvoll, wie die Kombination aus hoher Beziehungsqualität, reflektierender Teamkultur und gezieltem Technikeinsatz die Pflegequalität nachhaltig verändert. Drei feste Bezugspersonen pro Bewohner:in, regelmäßige Meetings zur Selbstreflexion („Wie wirkt die Arbeit auf mich?“) und kollegialer Austausch zur Bewohnerentwicklung zeugen von einer Kultur, die Pflege als Beziehungsarbeit versteht.

Technische Hilfsmittel wie der elektrische Tablettenmörser oder die Rollstuhlwaage sind wohldosiert eingesetzt – nicht als Selbstzweck, sondern zur gezielten Entlastung.

Ein besonderes Augenmerk galt dem Einsatz des Nordic Sensi®chairs: Dieser fördert durch beruhigende Schaukelbewegungen einen besseren Schlaf und trägt so zur Reduktion von Psychopharmaka bei – mit spürbar positiven Effekten auf das Wohlbefinden.

Hier kam es auch zu einer wunderschönen Begegnung mit einer demenzerkrankten Frau, die im Laufe ihres Lebens längere Zeit in Lübeck wohnte, aber seitdem sie nach Dänemark zurückkehrte, kein Wort Deutsch mehr mit jemanden wechseln konnte. Trotz ihrer Erkrankung blühte sie im Gespräch mit unserer Gruppe förmlich auf und freute sich umso mehr über das deutsche Gastgeschenk – Lübecker Marzipan. Allein diese prägende Begegnung machte uns klar, für welche Zielgruppe wir neben den selbstverständlich faszinierenden Technologie-Impressionen diese Reise eigentlich auch unternahmen.

Abschluss über den Dächern Kopenhagens

Nach der Rückfahrt vom Pflegeheim Birkebo wurde der Nachmittag für einen kulturellen Zwischenstopp genutzt: Ein Besuch im renommierten Louisiana Museum of Modern Art bot eine wohltuende, aber auch inspirierende Atempause. Das eindrucksvoll gelegene Museum an der Küste von Humlebæk ist nicht nur architektonisch ein Erlebnis, sondern zeigt eine hochkarätige Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst – von Giacometti und Moore über Louise Bourgeois bis hin zu wechselnden internationalen Ausstellungen. Besonders beeindruckend war hier die harmonische Verbindung von Kunst, Natur und Raum, die auch im Vortrag von Johannes Pedersen der Pflegearchitektur thematisiert wurde – ein stiller, aber nachhaltiger Brückenschlag zwischen den Welten.

Frisch inspiriert ging es anschließend weiter zum Abendessen in luftiger Höhe: Im Restaurant Siloen, hoch über den Dächern Kopenhagens, ließen die Teilnehmenden den Tag bei einem gemeinsamen Essen mit Panoramablick ausklingen – erfüllt von Eindrücken, Ideen und neuen Perspektiven auf die Pflege der Zukunft.

Tag 3 – Technik trifft Lebensqualität: Letzte Impulse

Nach dem Frühstück und Check-out begann der letzte Reisetag mit einem weiteren spannenden Besuch: Das zentral gelegene Pflegeheim Ingeborggården in Kopenhagen bot zum Abschluss einen umfassenden Einblick in den durchdachten Einsatz technischer Hilfsmittel im Pflegealltag mit dem Fokus auf „trivse“ – d.h. dem Wohlergehen der Bewohner:innen. Diesem Begriff waren wir auch schon in Birkebo begegnet, was klar machte welchen Stellenwert das Wohlergehen der Zupflegenden im dänischen Pflegesystem hat.

Ein gemeinsamer Transfer zum Restaurant Fasangården bot schließlich Gelegenheit, die intensiven Eindrücke der Reise Revue passieren zu lassen – begleitet von inspirierenden Gesprächen und ersten Ideen zur Umsetzung im eigenen Kontext.

Diese Studienreise nach Dänemark war mehr als ein Blick über den Tellerrand – sie war eine eindrucksvolle Erfahrung, die inspiriert, motiviert und den Horizont erweitert hat. Die Kombination aus innovativen Impulsen, tiefen Einblicken in dänische Pflegekulturen und wertvollen Begegnungen unter den Teilnehmenden machte die Reise zu einem echten Höhepunkt. Besonders spürbar war, dass Pflege dort gelingt, wo Technik, Haltung und Architektur miteinander wirken – und wo der Mensch im Mittelpunkt bleibt.

Ein herzlicher Dank gilt dem Veranstalter CareTRIALOG in Persona Tanja Ehret und ihrem dänischen Geschäftspartner Bjarne Skamriis, der diese Reise mit großer Sorgfalt, Fachkenntnis und Sinn für Qualität gestaltet hat. Die Organisation, inhaltliche Tiefe und Atmosphäre waren herausragend – eine Erfahrung, die lange nachwirken wird.

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