Im September 2014 wurde Thomas Flotow zum Geschäftsführer berufen. Zuvor war er bereits als Leiter Personalwesen und Prokurist für die PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG GmbH sowie die PFLEGEN & WOHNEN Personaldienstleistungen GmbH tätig und hat hier seit 1995 alle Entwicklungen der letzten Jahre begleitet. Damit kennt er als einer der dienstältesten Mitarbeiter das Unternehmen so gut wie kaum ein anderer. Seine berufliche Karriere begann er nach dem Studium zum Diplom Verwaltungswirt an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Hamburg 1987 zunächst am ortsansässigen Rechnungshof. Anschließend folgte die Tätigkeit im Organisationsamt des Senats, wo er die ministerielle Aufsicht über den qualitativen und quantitativen Stellenbedarf der sozialen Dienstleistungsbetriebe der Freien und Hansestadt Hamburg führte. Abseits des Alltagsgeschäfts ist er als Dozent in Fragen des Arbeitsrechts sowie der -organisation tätig und engagierte sich bis 2012 als ehrenamtlicher Sozialrichter. Sein größtes Engagement gilt heute der Altenpflege.

Die PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG GmbH bietet ca. 2.700 Plätze an, die sich derzeit auf zwölf Pflegeeinrichtungen an13 Standorten über das Stadtgebiet verteilen. Das Unternehmen beschäftigt ca. 2.000 Mitarbeiter. Damit ist PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG der größte private Anbieter für stationäre Pflege in der Hansestadt (mehr unter www.pflegenundwohnen.de).

Welche Investitionsstrategie verfolgt PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG?

Thomas Flotow: Als Hamburger Unternehmen sehen wir unseren Schwerpunkt möglicher Erweiterungen vornehmlich im Stadtgebiet, sind aber auch im Umland der Metropolregion aktiv. Neben klassisch stationären Angeboten prüfen wir intensiv Angebote des Servicewohnens sowie neuer Versorgungsformen nach dem Bundesteilhabegesetz.

PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG feiert 400-jähriges Jubiläum. Wie hat sich Ihr Angebot im Laufe der Zeit verändert?

Thomas Flotow: Die Wurzeln unseres Unternehmens gründen in der Entstehung der städtischen Armenfürsorge noch vor dem Dreißigjährigen Krieg. Die anfängliche Zielsetzung des Unternehmens waren Obdach und Versorgung für Menschen, die andernfalls auf der Straße hätten leben müssen. Hierfür wurde jedoch als Gegenleistung praktische Arbeit gefordert. Altenpflege spielte dabei lange Zeit keine Rolle und kristallisierte sich erst im 20. Jahrhundert als neuer Schwerpunkt heraus. Mit dieser Herausbildung der Pflege und ihrer Abgrenzung zur Krankenpflege entstand zum Beispiel 1929 in Groß Borstel eines der modernsten Altenheime Europas, das bereits über eine hohe Anzahl von Einzel- und Ehepaarzimmern verfügte. Pflege heute ist deutlich stärker medizinisch geprägt. Das hohe Durchschnittsalter unserer Bewohnerinnen und Bewohner bedingt häufig weitreichende Unterstützungsleistungen, die mit den ersten Ansätzen der modernen Altenpflege nur noch wenig gemein haben.

Und auf welches Angebotsportfolio setzen Sie aktuell?

Thomas Flotow: Wir sind seit Jahrzehnten der größte Anbieter stationärer Pflege in Hamburg. Unser Ziel war und ist, eine weitreichende Spezialisierung zu etablieren, um stets eine passgenaue Leistung offerieren zu können. Heute werden in unseren Häusern neben klassischen Pflegeangeboten Bereiche für (rehabilitative) Kurzzeitpflege, besondere Dementenbetreuung, geschlossene Unterbringung mit richterlichem Unterbringungsbeschluss, Wachkoma, Korsakow-Erkrankungen, nicht abstinente Alkoholkranke, Pflegebedürftige aus dem arabischsprachigen Kulturkreis sowie junge Pflegebedürftige vorgehalten. Darüber hinaus kooperieren wir mit leistungsstarken Partner in der ambulanten und Palliativbetreuung.

Welche Rolle spielt dabei der demografische Wandel bzw. welche Rolle spielen dabei die (sich verändernden) Bedürfnisse und Ansprüche in Bezug auf Lebensmodelle/Wohnformen älterer Menschen (früher vs. heute)?

Thomas Flotow: Der demografische Wandel betrifft uns in vielerlei Hinsicht. Beginnen wir mit den Beschäftigten, die aufgrund ihrer bereits langjährigen Tätigkeit für unser Unternehmen in größerer Anzahl in die Nähe des Rentenalters rücken. Der Gesamtbranche stehen starke Rentenjahrgänge bevor, die es zu ersetzen gilt.

Parallel wächst ein erheblicher Zusatzbedarf auf, da die älter werdende Gesellschaft mit steigendem Lebensalter zunehmend Pflegebedarf entfaltet.

Beide Entwicklungen erfordern gesamtgesellschaftlich Anstrengungen, Pflegeberufe attraktiver zu machen, um auch künftig genügend gute Angebote vorhalten zu können. Schon seit 1995 stellt das SGB XI den Grundsatz ambulant vor stationär auf, eine berechtigte Forderung, die die Koexistenz beider Bereiche betont. Pflegebedürftige verbleiben heute deutlich länger in ihrer angestammten Häuslichkeit und werden dort ambulant versorgt. Übersteigen jedoch die pflegerischen Anforderungen einen gewissen Rahmen und setzen nicht-barrierefreie Wohnungen der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben Grenzen, sind stationäre Einrichtungen an der Reihe.

Zum Thema Zukunftssicherheit: Nennen Sie uns bitte neue/zukünftige Konzepte und Projekte, die konkret anstehen und welche Ziele damit verfolgt werden (z. B. AGQua /vernetzteS Wohnen/generationsübergreifendes Wohnen). 

Thomas Flotow: Pflegeeinrichtungen wird in der Wahrnehmung der Bevölkerung unverändert der sehr einseitige Charakter zugeschrieben, die letzte Stufe des Lebens abzubilden. Auch diese Aufgabe akzeptieren wir voller Überzeugung, möchten jedoch deutlich machen, dass unsere Häuser den Mittelpunkt eines Quartiers bilden, der Leistungen in den Stadtteil trägt, die nicht primär pflegerisch orientiert sind, dem Umfeld aber bereits Servicegedanken vermittelt und Schwellenängste abbaut. Zudem kommt zusätzlich Lebendigkeit zu unseren Bewohnerinnen und Bewohnern, um im Fokus zu signalisieren: Der Tod gehört zum Leben, aber bis zu seinem Eintreffen ist das Leben lebenswert! Genießen Sie es und seien Sie umsorgt. Formulieren wir es ganz einfach,

Pflege findet mitten unter uns statt, sollte Normalität und anfassbar sein, damit das Alter bunt wie das Leben ist. 

Was bedeutet eigentlich (für Sie) gutes Wohnen und gute Pflege im Alter?

Thomas Flotow: Deutschland besitzt schon heute ein vielfältig differenziertes Angebot, im Alter passgenaue Unterstützungsangebote erhalten zu können. Wir müssen darauf achten, diese nicht nur abstrakt, sondern vor allem auch in der Fläche zu erhalten, denn gerade in strukturschwachen Räumen ist das Netz äußerst gespannt. Für mich ist es die altengerechte Wohnform, die barrierefrei und technisch weit ausgerüstet mir ein bedarfsgerechtes Leistungsangebot bietet, aus dem ich mir individuell einen Produktkorb zusammenstellen kann. 

Wenn wir 20 Jahre in die Zukunft schauen, wie wird sich – aus Ihrer Sicht – „Wohnen und Pflege im Alter“ verändern?  

Thomas Flotow: Digitalisierung und Technisierung werden zur Normalität. Wohnungen aber auch Zimmer in stationären Pflegeeinrichtungen werden zunehmend über Tablet und Smartphone gesteuert, denn schon heute haben viele Bewohnerinnen und Bewohner mit dieser Technik keinerlei Berührungsängste. Kommunikation wird auch über Bildschirme erfolgen, und Arztvisiten werden nicht immer vor Ort sein müssen. Die erforderliche Technik ist schon heute verfügbar und wird neben Effiziensaspekten den knapper werden Personalressourcen Rechnung tragen. Digitalisierung wird zu einer Erhöhung der Selbstbestimmtheit im Alter führen. 

Wie werden sich Ihrer Meinung nach die Betreiber- und Pflegemarktstrukturen zukünftig danach ausrichten (müssen)? 

Thomas Flotow: Die Konzentrationsprozesse der vergangenen Jahre werden sich weiter fortsetzen. Der schon heute bestehende Kostendruck wird weiter anwachsen. Die aktuelle Bundesratsinitiative Hamburgs zur Ausbildung eines steuerfinanzierten Beitrags zur Pflegeversicherung zeigt, dass der anwachsender Pflegebedarf, eine angemessene Personalausstattung mit marktfähigen Gehältern, deutlich ausgeweitete bauliche wie personelle Anforderungen nicht unbegrenzt von den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen getragen werden können. Auch die Kommunen werden im Fall einer sich abschwächenden Konjunktur an Grenzen stoßen, weshalb ich schon mittelfristig Kostenreduktionsverhandlungen von Seiten der Kostenträger erwarte. Um diesen sachgerecht begegnen zu können, werden Träger ihre Preisvorteile am Zulieferermarkt nutzen müssen.

Besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

Die Quartierswohnung aus dem AGQua-Projekt kann im Rahmen der Veranstaltungsreihe Zukunft Gutes Wohnen am 17. April in Hamburg besichtigt werden.

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