Heike Baehrens (seit 1988 Mitglied der SPD) ist Bundestagsabgeordnete für den Landkreis Göppingen und pflegepolitische Sprecherin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Was sind die ausgewiesenen Kernelemente, für die Sie sich in Ihrer Partei in Bezug auf die Gesundheitspolitik (speziell im Pflegebereich) stark machen?

Heike Baehrens: Als Gesundheitspolitikerin engagiere ich mich für eine würdevolle Pflege im Alter und bei Krankheit sowie für die Anliegen von Menschen mit Behinderung. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal in der Pflege. Daher setzen wir uns als SPD nachdrücklich für eine flächendeckende tarifliche Bezahlung für alle Berufsgruppen in der Pflege ein. Die steigenden Kosten müssen solidarisch finanziert werden.

Darum machen wir uns für die gerechte Finanzierung durch eine Pflegebürgerversicherung stark und wollen die Pflegesätze deckeln, damit Pflege kalkulierbar bleibt und Pflegebedürftige nicht überfordert werden.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist ein bestimmendes Thema. Deutschland hinkt anderen Ländern wie zum Beispiel Dänemark immer noch stark hinterher. Welche konkreten Ansätze verfolgen Sie, um die digitale Transformation erfolgreich voranzutreiben (Strategie)?

Heike Baehrens: Innovative technische und digitale Lösungen können die Arbeit unseres medizinischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Personals erleichtern und Pflegebedürftige bei der Erhaltung von Selbstständigkeit sowie von körperlichen und kognitiven Fähigkeiten individuell unterstützen.

Die Nutzung digitaler Tools muss daher noch stärker in die Pflegeausbildung und in Weiterbildungsangebote integriert werden. Pflegeanbieter sind noch mehr gefragt, digitale Instrumente vorzuhalten.

Digitale Pflegeanwendungen auf mobilen Endgeräten oder als browserbasierte Webanwendung können von Pflegebedürftigen genutzt werden, um den eigenen Gesundheitszustand durch Übungen zu stabilisieren oder zu verbessern, zum Beispiel bei der Sturzprävention oder durch personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz. Sie können auch die Kommunikation mit Angehörigen und Pflegekräften verbessern.

Bei der digitalen Transformation in der Pflege ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, dass alle Beteiligten mitgenommen werden.

Die Digitalisierung kann zwar der Arbeitsverdichtung und Bürokratie entgegenwirken, die eigentliche Pflege aber nicht ersetzen.

In jedem Fall ist es sinnvoll, innovative Lösungen zukünftig noch stärker in Abläufe zu integrieren und dafür zu nutzen, mehr Zeit für die Kernaufgabe von Pflege zu gewinnen: nämlich für zwischenmenschliche Beziehung und Zuwendung.

Mit dem Aufbau digitaler Versorgungsketten rückt auch der Schutz der Patientendaten in den Fokus. Was ist hier angedacht?

Heike Baehrens: Mithilfe digitaler Patienten- und Behandlungsdaten können Betroffene nicht nur schneller und effektiver behandelt und vermittelt werden, sondern Therapie und Nachsorge können auch besser auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden. Hierbei ist jedoch dem Schutz der Patientendaten höchste Priorität einzuräumen. Wir wollen eine gute sektorübergreifende Kommunikation fördern und gleichzeitig Bürgerinnen und Bürger bestmöglich vor dem Missbrauch ihrer Daten schützen.

Aus unserer Sicht müssen daher geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit nicht große Plattformen die Gesundheitswirtschaft dominieren. 

Welche Chancen sehen Sie im Einsatz von Robotern in der Pflege?

Heike Baehrens: Der Einsatz von Robotern in der Pflege kann die Beschäftigten bei ihren täglichen Aufgaben unterstützen und ihre Arbeit erleichtern. Allerdings kann die Anwendung von Robotik durch eine anspruchsvolle und komplizierte Bedienung auch die Arbeitsdichte beim Pflegepersonal verstärken.

Auch dürfen technische Innovationen niemals gegen den Willen der Betroffenen oder zur bloßen Effizienzsteigerung genutzt werden.

Daher muss Robotertechnik aus meiner Sicht sehr verantwortungsvoll eingesetzt werden. Sie darf zwischenmenschliche Beziehungen nicht ersetzen, sondern sollte eine Entlastung im Pflegealltag sein, um mehr Zeit für menschliche Zuwendung zu gewinnen. 

Aus Ihrer Sicht: Welche weiteren Reformen insbesondere in der Pflege braucht es am dringendsten?

Heike Baehrens: Als SPD wollen wir, dass sich alle auf ein würdevolles Leben im Alter und bei Krankheit verlassen können. Aus meiner Sicht ist es besonders wichtig, mehr Personal für diese wertvollen und anspruchsvollen Berufe zu gewinnen. Dies kann nur mit attraktiven Arbeitsbedingungen gelingen. Als SPD machen wir uns daher für höhere Löhne und eine flächendeckende tarifliche Bezahlung stark.

Zu besseren Arbeitsbedingungen gehören aber auch verbindliche Arbeits- und Ruhezeiten und Arbeitszeitmodelle, die mehr Vollzeitbeschäftigung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, wie z. B. eine 35-Stunden-Woche.

Zukünftig steigende Kosten dürfen dabei nicht zulasten der Pflegebedürftigen gehen. Daher wollen wir die Eigenanteile an pflegebedingten Kosten deckeln und die Pflegeversicherung zu einer solidarisch finanzierten Pflegebürgerversicherung weiterentwickeln. 

Pflege sollte als gesamtgesellschaftliche Aufgabe grundsätzlich am Gemeinwohl ausgerichtet sein.

Als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge muss die Versorgungssicherheit und Qualität in der Pflege grundsätzlich Vorrang haben vor einer gewinnorientierten Marktlogik. Daher wollen wir als SPD das Abschöpfen von Renditen in der Pflege begrenzen. Gewinne müssen in gute Pflege reinvestiert werden. Spekulative Gewinne zugunsten anonymer Investoren lassen sich nach meiner Überzeugung mit der Würde der Pflege und einem solidarisch finanzierten Versicherungssystem nicht vereinbaren.

Als Gegenentwurf zur Gewinnmaximierung sollte Pflegeinfrastruktur wieder öffentlich gefördert werden.

Denn viele Heimbetreiber nutzen das Kapital privater Investoren nur, weil die öffentliche Hand sich weitgehend aus der Pflegeheimförderung zurückgezogen hat. Ein Wiedereinstieg der Länder in diese Förderung wäre dringend notwendig und gäbe ihnen auch eine wichtige Steuerungsmöglichkeit zurück. Sie könnten darüber mitentscheiden, wo, in welcher Größenordnung und mit welchen Konzepten Heime entstehen. Und sie könnten Förderungen an Bedingungen knüpfen wie an den Grundsatz des Gemeinwohls.

Wie sieht eine praktikable Finanzierung der geplanten Themen aus?

Heike Baehrens: Es ist an der Zeit, endlich die private und die gesetzliche Pflegeversicherung in der solidarischen Pflegebürgerversicherung zusammenzuführen, die alle pflegerischen Bedarfe und Leistungen abdeckt. Nur so lässt sich die derzeitige Schieflage beseitigen: Die private Pflegeversicherung hat Versicherte mit höheren Einkommen, die aber wesentlich weniger Leistungen in Anspruch nehmen. Deshalb haben die privaten Pflegekassen momentan Rücklagen um die 40 Milliarden Euro, die der Pflege nicht zur Verfügung stehen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel hin zu einem echt solidarischen System, in welchem die starken Schultern mehr tragen als die schwachen und das mit seinen höheren Einnahmen eine qualitätvolle Pflege für alle Menschen ermöglicht.

Mit der Pflegebürgerversicherung wollen wir zukünftige Kostensteigerungen dann solidarisch über einen Mix aus moderat steigenden Pflegeversicherungsbeiträgen und einem dynamischen Bundeszuschuss finanzieren.

Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

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