In diesem Jahr wurde der Korian Stiftungsaward für Vielfalt und Respekt in der Pflege bereits zum zweiten Mal verliehen. Gewinner des Preises ist die Hilfe im Alter gGmbH der Diakonie München und Oberbayern. Der Träger wird für sein Engagement bei der Integrationsbegleitung von Mitarbeitenden mit Behinderung sowie bei der Integration von ausländischen Pflegefachkräften ausgezeichnet. Wir haben mit Dirk Spohd, Geschäftsführer der Hilfe im Alter gGmbH gesprochen.

Das Thema Vielfalt oder Diversität ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Was hat Ihren Träger dazu bewogen, sich der gesellschaftlichen Realität anzunehmen und dieses auch in Ihren Häusern abzubilden?

Dirk Spohd: Vielfalt gehört zur gesellschaftlichen Realität und diese Realität spiegelt sich natürlich auch in unseren Häusern wider: Die Hilfe im Alter gGmbH beschäftigt aktuell Mitarbeitende aus über 60 Nationen, der Anteil an Mitarbeitenden mit Migrationsbiografie liegt bei über 50 Prozent. Doch nicht nur bei der Herkunft, sondern auch in anderen Bereichen wie bspw. beim Alter und der Religion erleben wir eine große Vielfalt innerhalb unserer Belegschaft. Dieser Realität wollen wir gerecht werden. Beim Thema „Diversität“ geht es vor allem um die Wertschätzung und die Förderung von Vielfalt – und es geht um unerlässliche Werte wie Fairness, Toleranz und Chancengleichheit für alle Mitarbeiter*innen. Diesen Werten fühlen wir uns verpflichtet und das hat uns dazu bewogen, das Thema weiterzuentwickeln und unsere „Fachstelle Vielfalt“ ins Leben zu rufen.

Sie haben einen Betreuungsassistenten in Ihrem Team, Moritz Oehme, der das Downsyndrom hat. Das ist eine sehr bewusste und konkrete Entscheidung. Wie ist es dazu gekommen? Wie sind die Reaktionen im Team und bei den Pflegebedürftigen? 

Dirk Spohd: Herr Oehme kam über den Integrationsfachdienst im Rahmen eines Praktikums in die Einrichtung. In dieser Zeit wurde er in der psychosozialen Betreuung eingesetzt und stets von einer Mitarbeiterin begleitet. Seine unbefangene Art im Umgang mit den Bewohner*innen und Kolleg*innen kam sehr gut an. Nach dem Praktikum ging es um die Frage, ob die ausgeübte Tätigkeit ein mögliches Berufsfeld für ihn sein könnte. In einem gemeinsamen Beratungsgespräch mit dem Integrationsfachdienst und der Bundesagentur für Arbeit haben wir die Optionen durchgesprochen. Klar war, dass der Schritt vom Praktikum zum Beruf sehr groß sein würde. Als Träger bzw. Einrichtung und als Kolleg*innen sahen wir aber schnell die Chance, einen Menschen mit Handicap beim Zugewinn an Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit zu unterstützen. Wir haben in den Teams alle Mitarbeitenden informiert, die unisono von der Idee begeistert waren und ihre Bereitschaft zur Unterstützung erklärt haben. Um Herrn Oehme als Mitarbeiter in der psychosozialen Betreuung auf den Betreuungsschlüssel anrechnen zu können, musste er jedoch zunächst die entsprechende Qualifikation erwerben. Die größte Herausforderung bestand darin, nach einer vorgegebenen Struktur eigenständig Bewohner*innen zu betreuen. Dazu gehört u.a., bei herausforderndem oder ablehnendem Verhalten der überwiegend demenziell veränderten Menschen situativ reagieren zu können. In Zusammenarbeit mit dem Beratungs- und Förderzentrum (BFZ) haben wir beschlossen, dass er an einem Kurs zur Ausbildung als Betreuungskraft teilnimmt – mit Erfolg. Durch den stetigen Austausch mit alle Beteiligten, durch angepasste Vorgehensweisen und flexible Lösungen konnten wir ihn ins Team integrieren. Herr Oehme kann mit einer festen Tagesplanung eigenständig arbeiten und hat gelernt, sich aus schwierigen Situationen zurückzuziehen und sich bei Bedarf Hilfe zu holen. Es ist eine Freude, ihn als Kollege in der Einrichtung zu haben und zu sehen, wie sehr er sich weiterentwickelt hat.

Zur diversitätsorientierten Öffnung Ihrer Häuser gehört auch die Integrationsbegleitung ausländischer Mitarbeiter*innen sowie die interkulturelle Öffnung der Hilfe im Alter gGmbH. Was ist das genau?

Dirk Spohd: Integrationsbegleitung bedeutet, dass wir ein Bewusstsein für die besonderen Bedarfe unserer Fachkräfte aus dem Ausland haben und sie dabei unterstützen wollen – so wie sie uns bei der Bewältigung des Pflegenotstandes unterstützen. Die Begleitung und Unterstützung unserer ausländischen Mitarbeitenden ist nur ein Baustein im Rahmen der interkulturellen Öffnung des Unternehmens. Hierunter verstehen wir einen ganzheitlichen und langfristigen Entwicklungsprozess, den wir begonnen haben, um die Chancen und Herausforderungen der kulturellen Vielfalt auf allen Ebenen unseres Unternehmens konstruktiv zu gestalten.

Wie haben Sie sich auf die Herausforderungen, die ein Mitarbeitender mit Behinderung oder Menschen mit Migrationsbiografie oder Fluchterfahrung, unter Umständen mitbringen, vorbereitet? Wie begleiten Sie den Prozess? 

Dirk Spohd: Herr Oehme hat eine feste Mentorin. Zusammen mit der Pflegedienstleitung stimmen sie einen festen Wochenplan ab und besprechen auch, was in den vergangenen Tagen für Schwierigkeiten oder Herausforderungen eingetreten sind. Bei Bedarf steht ein Ansprechpartner im Dienst bereit, an den er sich wenden kann. In die regelmäßigen Gesprächs- und Beratungsstrukturen im Rahmen unseres Qualitätsmanagement-Systems ist er wie alle Mitarbeiter*innen fest eingebunden.

Für Menschen aus dem Ausland ist der Umzug in ein neues Land ein herausfordernder und mutiger Schritt – dessen sind wir uns bewusst. Daher unterstützen wir die neuen Mitarbeitenden im gesamten Migrations- und Integrationsprozess, also vor, während und nach der Einreise. Dies betrifft beispielsweise die ersten Schritte in Deutschland (Anmeldung, Eröffnung Bankkonto etc.), die sprachliche Förderung sowie die Unterstützung beim Anerkennungsverfahren oder der Familienzusammenführung. Doch nicht nur die neu ankommenden Mitarbeitenden, sondern auch die bestehenden Teams begleiten wir, indem wir beispielsweise für unterschiedliche Pflegeverständnisse sensibilisieren oder einfache Sprache in der Einarbeitung vermitteln. Wir versuchen, ein kultursensibles und vielfaltsfreundliches Arbeitsumfeld zu schaffen.

Was bedeutet der Gewinn des Korian Stiftungsawards für Vielfalt und Respekt in der Pflege für Sie und Ihren Träger?

Dirk Spohd: Der Gewinn eines so renommierten Preises ist eine großartige Anerkennung für unsere bereits geleistete Arbeit und gibt uns Rückenwind für unsere weiteren vielfältigen Vorhaben bei der Hilfe im Alter gGmbH.

Bewerbungen für 2023 sind schon jetzt möglich:

https://www.korian-stiftung.de/korian-stiftungsaward-der-preis

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