Prof. Dr. Manfred Borutta, Jahrgang 1960, Pflegewissenschaftler (MScN) und Dipl.-Pflegewirt, ist Professor für Gerontologie und Organisationsmanagement an der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Aachen. Weitere Informationen auf www.manfred-borutta.de.  

Wie hat sich die Definition von „guter Führung“ in den vergangenen Jahren/Jahrzehnten verändert (früher vs. heute)?

Prof. Manfred Borutta: Gute Führung arbeitet heute nicht mehr nach einem planwirtschaftlichen zentralistischen Modell. Der Schachspieler, der glaubt Figuren hin und herschieben zu können, verkennt, dass er selbst eine jener Figuren ist. D.h., er ist Teil des Systems, in das er zu intervenieren versucht. Führung beschäftigt sich heute mehr denn je mit den Kontextbedingungen und strukturellen Voraussetzungen, die das Verhalten von Menschen an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen bestimmen.  Führung ist Leitplankenlenkung über Instrumente. Niemand kann mit vollem Ernst behaupten, er führe 350 Menschen. Denn Führung ist stets darauf angewiesen, dass die jeweils nächste (untere) Ebene zum einen die Instrumente kennt und sie anzuwenden weiß und zweitens dies auch noch hinreichend kompetent tut (vgl. H.W. Gärtner, 2008). Je komplexer und arbeitsteiliger eine Organisation (wie bspw. ein Krankenhaus) ist, desto mehr kommt es zu Ausdifferenzierungen in der Organisation und damit auf den unterschiedlichsten Führungsebenen. 

Gute Führung arbeitet mit Beobachtung und macht dabei Differenzerfahrungen. Sie differenziert in mindestens dreierlei Hinsicht:

  1. zwischen dem ‚bisher‘ (Vergangenheit) und dem ‚ab jetzt‘ (gegenwärtige Zukunft und zukünftige Gegenwart), 
  2. wischen dem Innen und dem Außen der Organisation (im Sinne einer System-Umwelt-Differenz),
  3. zwischen dem, was funktional ist und dem, was dysfunktional für die Organisation (geworden) ist.

Insofern ist gute Führung eine Form von Hexerei; ein ‚auf dem Zaun sitzen‘, dass es ihr ermöglicht, die vorrangigen jeweiligen Unterscheidungen beobachtbar zu machen. (Anm. d. Red.: Der Begriff ‚Hexe‘ leitet sich vom ahd. hagazusa ab (hag = der Zaun). Die Hexe ist also diejenige, die auf dem Zaun sitzt.) Das unterscheidet gute Führung nicht nur von weniger guter Führung, sondern auch von ihren nachgeordneten Mitarbeitern, von denen nur wenige mit auf einem dieser drei Zäune sitzen und die im beruflichen Alltag überwiegend mit anderen Unterscheidungen arbeiten müssen (bspw. der zwischen je unterschiedlichen Interventionen bei pflegebedürftigen Menschen). Führen heißt, … die Organisation mit einem Sinn für die Differenz zwischen Aktualität und der Potenzialität (den Möglichkeiten) ihrer Zustände auszustatten, ohne die aktuellen Zustände als so unzureichend zu markieren, dass jede Hoffnung fahrengelassen wird, potenzielle Zustände zu erreichen.“ (D. Baecker, 2002)

Und übertragen auf die Pflegebranche? Welche/r Führungsstil ist heute modern und angemessen? 

Prof. Manfred Borutta: Führung oszilliert (i. S. v. Fritz B. Simon, 2013) zwischen Verführung und dem Einsatz von führungsgebundener Macht; und das gerade und insbesondere in der Pflegebranche.  Verführung heißt hier, Personen zu gewinnen und bestenfalls im Unternehmen zu halten, die stets auch andere Dinge (nicht nur beruflicher Art) tun könnten. Macht hat Führung qua Rollenausstattung und Rollenzuschreibung insofern, dass sie im Tausch von Verhaltensweisen den größeren Einfluss auf den Wechselkurs hat. D.h. sie entscheidet darüber, was bisher funktional bewertet wurde und nunmehr als dysfunktional bewertet wird. Sie entscheidet weiterhin, mit welchen kommunikativen Themen und Irritationen der Umwelt sich das Unternehmen aktuell – oder zu einem späteren Zweitpunkt oder gar nicht – befassen sollte. Auf diesen Zaun sitzend kommt Führung eine ‚Abschirmfunktion‘ zu.

Organisationen sind operativ geschlossene Systeme. Wie wichtig diese operative Schließung (bei gleichzeitiger kognitiver Offenheit) ist, wird für Pflegeeinrichtungen immer dann erkennbar, wenn externe Anforderungen der näheren Umwelt als Interventionsversuche wahrgenommen werden; sei es das Drängen des MDK oder der Heimaufsichtsbehörden, bestimmte Regelwerke und Verhaltensweisen abzustellen und anstelle dessen möglichst sofort neue einzusetzen.

Was das Thema Macht anbelangt, so entscheidet Führung, mit welchen Irritationen der Umwelt man sich wann und ggf. wie und wo in der Organisation auseinanderzusetzen hat. Damit verfügt gute Führung über eine kairologische Kompetenz (wann und wie verarbeiten wir welche Interventionen?) und eine topologische Kompetenz (an welchem Ort und mit wem?). „Macht ist also keine Frage von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, sondern von guten und schlechten Geschäften unterschiedlicher Marktbedingungen.“ (F.B. Simon, 2013). 

Führung eröffnet anderen gegenüber Optionen, die er/sie ohne Führung in dieser Form nicht hätte. Sie wird hier zum Handeln mit Handlungen. (F.B. Simon ebd.)

Verführung heißt, etwas anzubieten, was für den/die eventuell Verführte/n attraktiv ist, was für ihn/sie Bedeutung entfaltet, d.h. in irgendeiner Form wertvoll ist. Dies setzt voraus, dass man als Führungskraft weiß (oder zumindest ahnt), was der oder die andere für bedeutsam hält. Je besser ich mich als Führungskraft also in meine Mitarbeiter hineinversetzen kann, desto leichter wird es gelingen, im Wettbewerb mit anderen (beruflichen und außerberuflichen) Verlockungen, die Aufmerksamkeit auf mein Angebot zu lenken und sie davon zu überzeugen, dass dies das bessere Angebot für sie darstellt.

Was sind die Gründe für diese Wandlung?

Prof. Manfred Borutta: Unter dem Eindruck jahrzehntelang zunehmender Personalnot in der Pflege bleibt Führungskräften keine andere Wahl, als mit den oben angeführten drei Differenzbeobachtungen zu arbeiten und dabei auch ihr Personal gut zu beobachten. Dies nicht im Sinne von irregulären Lauschangriffen oder Observationen, sondern im Hinblick auf die Motive und Wertigkeiten, die die einzelnen Mitarbeiter ihren Motiven zuschreiben. Monetäre Anreize allein reichen hier kaum noch aus. Bedeutsamer können beispielsweise mit den familiären Anforderungen kompatible Arbeitszeitmodelle sein oder die Möglichkeit, innerhalb des Unternehmens beizeiten in andere Arbeitsfelder zu wechseln. Passende Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind für manch einen bedeutsamer als bspw. Einmalzahlungen zu Weihnachten. Wer als Führungskraft seinen Mitarbeitern Bildungsmöglichkeiten verbaut, muss sich über interne oder externe ‚Weglauftendenzen‘ seiner Mitarbeiter nicht wundern.

Was sind die wichtigsten Eigenschaften, die gute Führungskräfte (auch in der Pflegebranche) auszeichnen sollten?

Prof. Manfred Borutta: Erstens: Ohne Beobachtung keine Differenzierung. Differenzierungsfähigkeit im vorrangigen Sinne heißt immer, mit Unterschieden zu arbeiten. Lernen passiert durch Unterscheiden. Und Lernen kann Wissen zerstören, dessen sollte man sich bewusst sein. D.h., wer sich immer nur darauf beruft, schon alles zu kennen und zu wissen, dokumentiert damit nur seine Lernunwilligkeit und damit seine Unfähigkeit, Neues im Vergleich zu dem bereits Vertrauten und Bekannten zu setzen.

Zweitens: Neben der Beobachtung (und dem daran anschließenden Differenzieren) läuft Führung immer über Kommunikation. Hier ist man gut beraten, sich vom ‚Steinzeitmodell‘ des Vier-Ohren-Denkens (R. Arnold, 2015) zu verabschieden. Denn Kommunikation läuft in Organisationen in der Regel zirkulär, und nicht im Sinne eines kausalen Beeinflussungsprozesses. Und dies bedeutet, dass Beeinflussung durchaus auch von unten nach oben verlaufen kann.

Der Kunstgriff der zirkulären Führung heißt: ‚Ich tue, was Du willst, wenn Du tust, was ich will‘. Dabei gilt es, in Rechnung zu stellen, dass das meiste dessen, was an Kommunikation im Unternehmen läuft, sich der unmittelbaren Beobachtung durch Führung entzieht. Führung muss deshalb im Umgang mit Kommunikation immer mit blinden Flecken rechnen.

Zur Macht des Mitarbeiters gehört es auch, dass er in vielen Fällen darüber entscheidet, was, wann und in welcher Form kommunikativ ‚nach oben weitergegeben wird‘. D. Baecker nennt dies (in Anlehnung an N. Luhmann) das Unterführen der Führung durch die Mitarbeiter. Mitarbeiterführung ist immer als temporäres Interaktionssystem zu sehen, dass jedoch bei den Beteiligten je unterschiedliche Interpretationstendenzen auslösen kann. Man hat miteinander gesprochen, man signalisiert sich gegenseitiges Verstehen und jeder versteht dennoch was anderes. Der Aufbau von Erwartungen und Strukturen in sozialen Systemen, die Verhalten von Mitarbeiter einschränken und lenken sollen (Leitplankenlenkung) ist aber auf Mitarbeitergespräche in je unterschiedlichen Formen angewiesen. Ohne geht es nicht. In Pflegeorganisationen bekommt das Mitarbeitergespräch nochmal eine besondere Bedeutung: Hier geht es immer weniger um wirtschaftliche Gewinne oder Verluste. Vielmehr geht es um erlebte und erfahrene Grenzerfahrungen und existenzielle Themen (erfahrene Gewalt, Leid, Schmerzen, Tod, Trauer, psychische und körperliche Belastungen etc.). Das Mitarbeitergespräch zwischen Vorgesetzten und dem Personal ist hier nicht immer der passende Raum. Vielmehr braucht es ‚Schutzräume‘ wie Supervision und Coaching für die Teams – ohne dass Führung hieran teilnimmt oder im Nachgang involviert ist. Auch das gehört zu den Schutzpflichten von Führungskräften. Das Leiden an den Grenzerfahrungen des pflegerischen Alltags entsteht in der Organisation, und nur über diese kann es passend bearbeitet werden. Eine Privatisierung des Leidens führt für die Mitarbeiter zu weiteren – und vermeidbaren – Belastungen im familiären Bereich und für die Führungskräfte zu einem rasenden Stillstand der Suche nach immer neuen Mitarbeitern. Fluktuationsbekämpfung wird dann zum Hauptgeschäft der Leitungsebene.

Fachkräftemangel, unzufriedene/erschöpfte Mitarbeiter, hohe Krankenstände, Leistungsdruck: Wie können es Unternehmen/Institutionen der Pflegebranche trotzdem schaffen, gute, motivierte, qualifizierte Mitarbeiter zu finden?

Prof. Manfred Borutta: Zunächst sollte es um die Bindung jener Mitarbeiter gehen, die ein Commitment mit dem Unternehmen und den Aufgaben entwickelt haben. In Anlehnung an den Soziologen Stefan Kühl könnte die Frage daher lauten: Wo gelingt es Organisationen, dass sich Mitarbeiter mit den nicht immer vergnügungssteuerpflichtigen Anforderungen in Pflegeeinrichtungen soweit identifizieren, dass sie nicht die Flucht ergreifen? Welche Mechanismen bewirken, dass Mitglieder in Pflegeorganisationen verbleiben – und das bei durchaus attraktiven Alternativen, die (nicht nur) das berufliche Leben zu bieten hat? Der Einsatz von Zwang hat in einer modernen, funktional differenzierten Gesellschaft außerhalb von Kasernen und Klöster seine nachvollziehbaren Grenzen. Aus der Sozial- und Arbeitspsychologie wissen wir, dass Geld als Motivationsfaktor immer nur über eine sehr begrenzte zeitliche Nachhaltigkeit verfügt. Die Zweckidentifikation kann da schon zu zeitstabileren Effekten führen. Bereits Chester I. Barnard (1938) stellte fest, dass es nicht ausreicht, Mitarbeiter über Lohn oder Statussymbole an die Organisation zu binden. Vielmehr komme es darauf an, die Bedürfnisse und Nutzenfunktionen der Mitarbeiter so zu beeinflussen, dass bei ihnen das Gefühl entsteht, dass ihre eigenen Interessen mit den Interessen der Organisation übereinstimmen (vgl. Kühl 2012). Die Attraktivität der Handlungen stellt eine weiteren Bindungsfaktor dar. Hier entfalten Unternehmen des Sozial- und Gesundheitssektor durchaus ihren eigenen Charme, denn sie erbringen personenbezogene Dienstleistungen. Zweckidentifikation und Attraktivität der Handlungen korrelieren jedoch nicht per se oder zwangsläufig.

Die Arbeit mit und am (pflegebedürftigen, kranken) Menschen kann eine entsprechende Faszination entfalten (attraktive Handlung), ohne dass damit bereits eine Identifikation mit den Zielen der Organisation einhergeht.

Dies gilt umso mehr als zwischen organisational propagierten und (durch Mitarbeiter und den externen Kunden) beobachtbaren Zielformulierungen unterschieden werden muss. Klafft hier eine beobachtbare Lücke, wird der Verweis auf Leitbilder und Standards für Mitarbeiter nicht selten zu einer Differenzerfahrung, die auf Dauer schwer aushaltbar ist und bestenfalls belächelt wird. Die letzte Möglichkeit der motivationalen Bindung stellt die Kollegialität dar. Das Bedürfnis nach Kontakt und Zusammensein mit anderen Menschen ist offenkundig auch in den Pflegeberufen ein zentraler Faktor (vgl. Grothe, 2019 unveröff. Studie). Der Vorteil der Motivation über Kollegialität für die Organisation ist offensichtlich. Gerade unmittelbare Kollegen haben starke bindende aber auch disziplinierende Wirkung auf das Verhalten von Mitgliedern. 

In aller Regel setzen Organisationen die verschiedenen Mittel der motivationalen Bindung in Kombination ein. In den Organisationen des Gesundheitswesens kommt jedoch ein weiterer Faktor hinzu, der mit Führung zu tun hat: die Herstellung von Verbindlichkeit. Die damit aufgeworfene Frage lautet: (Wie) Lässt sich Führung dabei beobachten, für Stabilität in den Routinen zu sorgen und damit den Wahnsinn ständig komplexer werdender externen Anforderungen den Mitarbeitern soweit vom Hals zu halten, dass diese ungestört ihre Arbeit (am Menschen) nachgehen können. Wie reduzieren Vorgesetzte in der Pflege Komplexität so, dass sie für die operativ tätigen Mitarbeiter handhabbar wird? Der notorische Verweis auf das Erfordernis der Vertragskonformität durch die (Über-)Produktion immer neuer Standards und Verfahrensanweisungen (weil der MDK dies vorgeblich möchte) führt nicht selten zum rasenden Stillstand in Pflegeeinrichtungen. Führungskräfte, die sich laufend darauf zurückziehen, dass externe Prüfinstanzen, ‚es nun mal so wollen‘, arbeiten wie Durchlauferhitzer. Sie transformieren den kalten Wasserzustrom der Prüfinstanzen in einen lauwarmen bis heißen organisationalen Wasserstrudel. Die Sogwirkung bleibt. Die Organisation kann gewissermaßen nicht dichthalten bzw. sich nicht gegenüber der Komplexität ihrer Umwelt hinreichend abdichten. Führungskräften kommt hier eine Schutzfunktion zu. Sie sind es, die dafür Sorge tragen müssen, dass Umweltturbulenzen nicht zu organisationalen Turbulenzen werden. Das Generieren von Verbindlichkeit in den Absprachen und in den alltäglich zu gewährleistenden Routinen stellt hier eine weitere zentrale Führungsaufgabe dar. Dort, wo sich Mitarbeiter darauf verlassen können, dass sie der nächste Frühdienst nicht in ein weiteres Labyrinth neuer Anforderungen stürzen wird, dort können sie auch jene Wertschätzung, die ihnen selbst entgegengebracht wird, den Patienten und pflegebedürftigen Menschen entgegenbringen. Wer Mitarbeiter von einem explorativen Drama ins nächste laufen lässt, muss sich allerdings nicht wundern, wenn diese auf absehbare Zeit innerlich oder äußerlich das Weite suchen. Der ‚gelbe Schein‘ ist hier als ‚gelbe Karte‘ für den Vorgesetzten ernst zu nehmen.

Wie sollte ein Unternehmen heutzutage (organisatorisch & personell) idealerweise aufgestellt sein, um seine Mitarbeiter langfristig zu binden? Welche Maßnahmen und welches Arbeitsumfeld fördern die langfristige Bindung?

Prof. Manfred Borutta: Aus dem bisher Gesagten lässt sich schlussfolgern: Mitarbeiter sind keine trivialen Maschinen und keine Kaffeeautomaten. Kausalketten funktionieren deshalb in der Regel nicht. Führung bedeutet 

  1. mit Beobachtungen zu arbeiten und sich zirkulär über Beobachtetes auszutauschen: „Ist dir auch aufgefallen, dass …?“ Oder: „Wies siehst du das…?“,
  2. als Führungskraft in Rechnung zu stellen, dass man immer in der Rolle der Führung beobachtet wird. Bei allem, was man tut (oder unterlässt) erfolgt die Zurechnung auf Führungshandeln. Man ist deshalb als neue Führungskraft nicht mehr der frühere Kollege oder die Kollegin, der/die man mal eben Vertrauliches erzählt. 
  3. Beobachtet werden lässt sich bewusst inszenieren. D.h. man sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass man als Führungskraft durch seine Mitarbeiter (und nicht nur durch diese) beobachtet wird und darauf sein Verhalten und seine Handlungen abstellen. Wer als Führungskraft mit einem Fußballschal nach dem Finalgewinn seiner Lieblingsmannschaft singend durch das Unternehmen läuft, wird nicht als Fußballfan, sondern als Führungskraft dabei beobachtet. Und Mitarbeiter ziehen daraus ihre ganz eigenen Schlüsse (die wiederum im blinden Fleck der Führungskraft im Unternehmen zirkuläre Wirkungen erzeugen).
  4. Kommunikation konstituiert sich stets aus einer Selektion von Information, Mitteilung und Verstehen (vgl. N. Luhmann, 1998). Und das Gelingen von Kommunikation ist höchst unwahrscheinlich. Jeder fertigt – vor dem Hintergrund eigener kognitiver Fähigkeiten, aktueller Aufmerksamkeit, Müdigkeit, Sympathien und Antipathien, bisherigen Erfahrungen usw. – seine je eigene Kopfkopie dessen an, was er/sie verstanden haben will. Verstehen ist also ein soziales und kein ausschließlich psychisches Ereignis. Im Sinne H. v. Foersters lässt sich feststellen: „Was ich gesagt habe, weiß ich erst, wenn ich die Reaktion darauf kenne.“ (H. v. Foerster, 1997) Zirkuläres Rückfragen gehört damit zum Führungsinstrumentarium: „Sagen Sie mir doch bitte mal, was Sie verstanden haben …?“
  5. Führungskräfte im Sozial- und Gesundheitssektor haben eine eigene, spezifische Abwehrfunktion gegenüber den nicht selten penetranten Interventionsbemühungen anderer sozialer Systeme (bspw. Prüforganisationen) und Personen (bspw. Betreuern, Ärzten, Angehörigen etc.). Führungskräfte entscheiden erheblich mit darüber, womit das soziale System Pflegeheim oder Krankenhaus sich wie (intensiv) befassen sollte. Es braucht eine gewisse performative Kompetenz, um an der eigenen Person vorzuführen (Vorbild), wie ein Vorgesetzter nach außen – gegenüber sehr unterschiedlichen Akteuren  – agieren kann, der seine nachgeordneten Mitarbeiter vor den Zumutungen dieser Stakeholder (eigener Vorstand, Träger, Prüfbehörden, etc.) schützt und diesen Stakeholdern andererseits erzählt, wie er ihren Erwartungen durchaus entsprechen wird, sodass diese die Organisation – bis auf Weiteres – in Ruhe lassen.

Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

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