Die TERRANUS GmbH ist deutschlandweit führender Partner von Investoren und Betreibern von Sozialimmobilien (www.terranus.de). 

Geschäftsführer Markus Bienentreu verantwortet mit einem Team den Geschäftsbereich „Real Estate“ für die Immobilien- und Betreibervermittlung sowie den M&A-Bereich. Markus Bienentreu ist geprüfter Immobilienfachwirt und TÜV-Sachverständiger für Grundstücksbewertung.

Geschäftsführerin Anja Sakwe Nakonji leitet und steuert im Geschäftsbereich „Consulting“ ein Spezialistenteam zu den Themen Strategie- und Managementberatung oder auch zu Reorganisation und Sanierung. Anja Sakwe Nakonji ist Diplom-Volkswirtin und ehemalige Geschäftsführerin der Malteser im Bereich Medizin & Pflege.

Anja Sakwe Nakonji und Markus Bienentreu geben in diesem Interview Einblicke in die aktuellen Entwicklungen des deutschen Pflegemarktes.

Wie hat sich der Pflegemarkt in den letzten Jahren verändert (stationär im Vergleich zu ambulant)?

In den letzten Jahren hat die Inanspruchnahme ambulanter Pflegeleistungen zugenommen.

Auf Immobilienseite ist dabei vor allem die Entwicklung ambulanter Wohnformen (Kombination von Tagespflege, ambulant betreuten Wohngruppen und Betreutem Wohnen) zu beobachten.

Derartige Einrichtungen schließen die Lücke zwischen klassischem Wohnen mit Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst und der stationären Dauerpflegeeinrichtung.

Was sind die Gründe?

Dafür gibt es mehrere Gründe.

Die meisten Menschen wünschen sich, so lange wie möglich in ihrem Wohnumfeld zu bleiben und Pflegeleistungen flexibel und individuell in Anspruch zu nehmen.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in den letzten Jahren das Pflegeversicherungsrecht inklusive der Vergütungsstrukturen verändert hat.

Insbesondere mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz (PSG I) wurden die ambulanten Pflegeleistungen deutlich gestärkt.

So wurde zum Beispiel die Abrechnung von ambulanten Pflegesachleistungen und der Tagespflege nebeneinander ermöglicht.

Eine Rolle spielt auch, dass ambulante Wohnformen eine Möglichkeit bieten, die starren und immer strengeren Vorgaben und Restriktionen (auch hinsichtlich der Refinanzierung) zu umgehen. Dies betrifft sowohl den Betrieb (zum Beispiel Fachkraftquoten, Qualitätsprüfung) als auch die Immobilie (zum Beispiel landesheimrechtliche Vorgaben, Refinanzierung, Brandschutz).

Seit Jahren arbeitet die stationäre Pflege (trotz nahezu gleichbleibender Zahl der stationär Versorgten) überwiegend bei Vollauslastung. Pflegeheime sind teils sogar gezwungen, Wartelisten zu führen. Wie kann eine Entlastung herbeigeführt werden?

Das ist nicht einfach, denn dazu müssten zwei entscheidende Dinge verbessert werden, und das möglichst gleichzeitig:

Das sind zum einen die Refinanzierung von Pflegeimmobilien, um ein größeres Angebot zu schaffen. Und zum anderen der heute nahezu bundesweit bestehende Fachkräftemangel in der Altenhilfe.

Diese beiden Punkte können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Denn mehr Pflegeplätze vergrößern das Angebot nur, wenn auch das nötige Personal zur Verfügung steht.

In der Praxis bedeutet das: Wir brauchen verlässliche Refinanzierungsstrukturen der Pflegeimmobilien, wir müssen die Investitionsfolgekosten zur Refinanzierung der Immobilie anheben. Und wir müssen geeignete Grundstücke zur Verfügung stellen oder zumindest subventionieren, etwa durch geringere Preise, gebunden an eine Nutzungsbeschränkung.

Und wir müssen die Attraktivität des Pflegeberufs steigern – und zwar nicht nur über eine bessere Vergütung: Die Arbeitsabläufe müssen so organisiert werden, dass die knappen Fachkräfte sich auf deren Kernaufgaben konzentrieren können. Etwa durch sinnvolle Delegationskonzepte, bei denen Fachkräfte-Aufgaben durch geschulte Hilfskräfte übernommen werden. 

Letztendlich würde es uns wundern, wenn die 50-%ige Fachkraftquote aufrecht gehalten werden kann. Die Menschen werden schließlich immer älter, und gleichzeitig nimmt der Anteil der arbeitenden Bevölkerung ab. 

Andererseits nimmt die Gesamtzahl an Pflegebedürftigen seit Jahren zu (zum Beispiel von 2017 bis 2019 um 21 Prozent). Wer soll/kann die erforderlichen Pflege- und Betreuungsleistungen erbringen?

Das ist tatsächlich die Herausforderung der nächsten wahrscheinlich mindestens 30 Jahre. Ein Teil dazu beitragen werden sicherlich die Digitalisierung und weiterentwickelte Assistenzsysteme. Dennoch wird Pflege immer eine Leistung bleiben, die im Wesentlichen von Menschen für Menschen erbracht wird. 

Der Pflegebedarf würde sich allerdings deutlich reduzieren, wenn es der Medizin gelingt, ein Mittel gegen Demenz zu finden oder das zumindest den Krankheitsverlauf stoppt.

Welche Veränderungen hinsichtlich der Finanzierung von Pflegeleistungen wird es geben (zum Beispiel möchte Gesundheitsminister Spahn die Eigenanteile bei den Bewohnern von Pflegeheimen deckeln usw.)?

Es ist absehbar, dass die Pflegeleistungen künftig nicht alleine über die Pflegeversicherung refinanziert werden können. Daher führt wahrscheinlich kein Weg an einer Steuerfinanzierung vorbei. 

Weil die Höhe der Leistungen der Pflegeversicherung bisher nicht an einen Preisindex gekoppelt ist, ist der von den Pflegebedürftigen zu tragende Eigenanteil in den letzten Jahren immer weiter angestiegen. Diese fehlende Dynamisierung der Pflegeleistungen wird in irgendeiner Weise beseitigt werden. Dies kann zum Beispiel über eine Deckelung der Eigenanteile oder eine festgeschriebene prozentuale Beteiligung des Pflegebedürftigen an den Pflegekosten erfolgen.

Falsch wäre aus unserer Sicht ein Vollkaskomodell. Denn dann gäbe es keinen Anreiz mehr, vernünftig zu wirtschaften.

Mittelfristig wird auch die Unterscheidung zwischen ambulant und stationär erbrachten Pflegeleistungen aufgehoben werden. Denkbar wäre zum Beispiel die Einführung eines persönlichen Budgets für jeden Pflegebedürftigen, das dieser dann in der von ihm präferierten und auf ihn zugeschnittenen Versorgungsform verwenden kann. Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Wohnform würde somit unabhängig von der Art der Pflegeleistung.

Welche Versorgungsformen rechnen sich und werden in der Zukunft gebraucht? Wie sehen die Bedarfe aus?

Die Versorgungslandschaft wird vielfältiger und durchlässiger werden. Dennoch wird das klassische Pflegeheim neben anderen Versorgungsformen weiter am Markt bestehen. 

Auch eine Differenzierung nach der Zahlungsfähigkeit der Pflegebedürftigen kann derzeit nicht ausgeschlossen werden.

Was erwarten Sie an dieser Stelle vom Gesetzgeber?

Das kann man in wenigen Schlagworten zusammenfassen: Den Aufbruch der starren Strukturen, verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen, solide, nachhaltige Finanzierung (von Betrieb und Immobilie) sowie die Sicherung der Pflegequalität. 

Und etwas, was mit allen diesen Punkten zusammenhängt: eine Diskussion darüber, was uns alte Menschen wert sind.

Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

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