Christian Möhrke ist Chief Executive Officer (CEO) und für die strategische Ausrichtung, die Weiterentwicklung der Geschäftsfelder und die zentralen Holdingfunktionen der Cureus GmbH zuständig. Auch verantwortet er alle operativen Themen vor und nach dem Bauprozess inklusive Entwicklung, An- und Verkauf. Er hat Berufs- und Führungserfahrung in Unternehmen im In- und Ausland, davon mehr als 20 Jahre in den Bereichen Projektentwicklung, Bau und Immobilienverwaltung.

Status quo „Neubau versus Sanierung“ in Deutschland: Wie stellt sich die momentane Lage dar?

Christian Möhrke: Deutschland droht ein dramatischer Mangel an stationären Pflegeplätzen, da die Zahl der Pflegebedürftigen Demografie-bedingt kontinuierlich weiter ansteigen wird. Gleichzeitig ist ein erheblicher Teil der Bestandsimmobilien veraltet. Laut einer gemeinsamen Studie von Cureus und bulwiengesa (siehe https://cureus.de/marktstudie) sind rund 36 % der bestehenden Pflegeheime zwischen 21 und 40 Jahren alt. Sie entsprechen weder den heutigen baulichen noch den regulatorischen Anforderungen. Bis 2040 werden statistisch gesehen im schlechtesten Fall bis zu 512.000 neue Pflegeplätze benötigt. Zusätzlich werden etwa 100.000 Plätze benötigt, die in Form von Ersatzneubauten für die veralteten Immobilien geschaffen werden müssen.

Die Belegungsrate in der stationären Pflege liegt bereits heute bei über 92 %, es gibt damit keinen Platz mehr für weitere Pflegebedürftige, viele Einrichtungen arbeiten an der Kapazitätsgrenze, und das Bauvolumen hinkt dem hinterher und reicht vorne und hinten nicht.

Was spricht für eine Sanierung? Welche Bedingungen müssen vorliegen, damit eine Sanierung sinnvoll ist – und wer kann davon wie profitieren?

Christian Möhrke: Eine Sanierung kann dann sinnvoll sein, wenn das Gebäude strukturell in gutem Zustand ist, die Grundrisse flexibel anpassbar sind und die baulichen sowie energetischen Anforderungen mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden können. In Einzelfällen – etwa bei jüngeren Bestandsgebäuden oder Objekten mit besonderem architektonischem Wert – kann eine Sanierung eine nachhaltige und wirtschaftliche Lösung darstellen. Profitieren können davon insbesondere Betreiber, die den Standort erhalten möchten.

In der Praxis kommt das allerdings selten infrage, da die Anforderungen an moderne Pflegeheime sehr hoch sind und der hohe Investitionsbedarf bei Sanierungen meist die genannten Vorteile überwiegt, da lohnt sich dann ein Neubau mehr.

Unter welchen Umständen ist es besser, von einer Sanierung abzusehen?

Christian Möhrke: Sanierungen bestehender Pflegeheime sind in den meisten Fällen mit enormen Kosten verbunden und weder wirtschaftlich sinnvoll noch baulich einfach. Die gesetzlichen Vorgaben – insbesondere im Hinblick auf Energieeffizienz, Raumgrößen und Barrierefreiheit – lassen sich in alten Gebäuden oft nur mit erheblichem Aufwand umsetzen. Von einer Sanierung sollte abgesehen werden, wenn das Gebäude bereits einen Großteil seines Lebenszyklus überschritten hat, die Bausubstanz mangelhaft ist oder die gesetzlichen Vorgaben nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfüllt werden können. Das Gleiche gilt, wenn die Sanierung den Betrieb über längere Zeit einschränkt oder die geplanten Maßnahmen nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Pflege- und Arbeitsbedingungen führen. In diesen Fällen sind ein moderner Ersatzneubau oder ein Anbau die bessere Wahl. In vielen Fällen ist ein Neubau nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch nachhaltiger und zukunftssicherer.

Zudem kann ein Neubau die Chance auf eine Kapazitätsvergrößerung an einem etablierten Standort bergen.

Wie wirken sich Sanierungsmaßnahmen auf Bewohnerinnen/Bewohner und Personal aus?

Christian Möhrke: Sanierungsmaßnahmen während des laufenden Betriebs bedeuten für Bewohner und Personal eine erhebliche Belastung. Lärm, Staub und die eingeschränkte Nutzbarkeit von Gemeinschaftsbereichen und Außenanlagen beeinträchtigen das Wohlbefinden sowie die Arbeitsbedingungen. Zudem kann es zu temporären Umzügen innerhalb des Gebäudes kommen.

Oft führen langwierige Modernisierungsarbeiten dazu, dass die vermeintlichen Vorteile einer Sanierung – wie der Verbleib am vertrauten Standort – nicht mehr ins Gewicht fallen.

Was spricht hingegen für einen Ersatzneubau?

Christian Möhrke: Ein Neubau bietet die Möglichkeit, noch einmal von Grund auf moderne und bedarfsgerechte Strukturen zu schaffen. Raumaufteilungen, technische Ausstattung und energetische Standards können optimal auf die Bedürfnisse der Bewohner und des Personals sowie die gesetzlichen Vorgaben zugeschnitten werden. Dadurch verbessern sich der Wohnkomfort für die Seniorinnen und Senioren und die Arbeitsbedingungen für die Angestellten spürbar. Wir plädieren daher für An- oder Ersatzbauten an den bestehenden Standorten, um Beeinträchtigungen und Lärmbelästigungen während der Bauphase so gering wie möglich zu halten. Am Ende lässt sich ein möglichst nahtloser Übergang für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Personal gewährleisten.

Nach dem Umzug in einen Neubau bietet es sich dann bei entsprechender Nachfrage an, die alte Immobilie durch einen weiteren Neubau – vielleicht auch für Service-Wohnen – zu ersetzen, um die Kapazitäten am Standort zu diversifizieren und zu erhöhen.

Welche Vorteile schafft ein Pflegeheimneubau?

Christian Möhrke:

Ein gänzlicher Pflegeheimneubau an einem neuen Standort ermöglicht eine zeitgemäße Architektur, flexible Grundrisse und den Einsatz neuester Technik – von modernen Bädern bis hin zu einer leistungsfähigen Internetanbindung sowie umweltgerechter Energie- und Heiztechnik. 

Auch entstehen völlig neue, dringend benötigte Pflegekapazitäten. Neubauten bieten oft mehr Komfort für die Bewohnerinnen und Bewohner und attraktivere Arbeitsplätze für das Personal. Durch standardisierte Bauprozesse können Kosten und Bauzeiten reduziert werden, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit und die Pflegekosten auswirkt. Gleichzeitig eröffnen Neubauten die Chance, auf veränderte gesellschaftliche und regulatorische Anforderungen flexibel zu reagieren.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit beim Bau – und speziell bei der Sanierung? Wie sieht es aus mit Energieeffizienz, Baumaterialien etc.?

Christian Möhrke: Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema beim Bauen, so auch bei Pflegeimmobilien. Sanierungen erscheinen auf den ersten Blick zwar ressourcenschonend, können in der Praxis jedoch oft nicht mit den Energieeffizienzstandards moderner Neubauten mithalten. Oft muss bis auf den Grund entkernt und das Innenleben komplett neu nach den nun geltenden, scharfen Standards aufgebaut werden. Neubauten ermöglichen von vorn herein den Einsatz innovativer Baumaterialien, effizienter Gebäudetechnik und nachhaltiger Energiekonzepte.

So können langfristig niedrigere Betriebskosten und ein geringerer CO₂-Fußabdruck erzielt werden. Bei Sanierungen stoßen energetische Maßnahmen häufig an bauliche Grenzen, sodass der Nachhaltigkeitsvorsprung eines Neubaus meist überwiegt.

Wie kann zukünftig der steigende Bedarf an Pflegeheimplätzen dauerhaft gedeckt werden?

Christian Möhrke: Um den wachsenden Bedarf an Pflegeplätzen zu decken, ist eine Kombination aus Neubau, Sanierung und gezielter Nachverdichtung durch Erweiterung bestehender Standorte erforderlich. Dabei ist eine effiziente Nutzung vorhandener Flächenreserven genauso wichtig, wie die Schaffung moderner und attraktiver Einrichtungen, die sowohl den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner als auch den Anforderungen an gute Arbeitsbedingungen gerecht werden. 

Grundlage für all das ist politisch zu forcierende Planungssicherheit – dies in Bezug auf die Bauvorschriften, aber auch mit Blick auf Finanzierung und Förderung.

Nur so lässt sich die Versorgungssicherheit für die kommenden Jahrzehnte in Angriff nehmen und die Pflegebranche zukunftsfähig aufstellen, denn das Bau-Soll für die zu erwartende Zahl an Pflegebedürftigen erreichen wir schon seit Jahren nicht mehr.

Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

Porträtfoto: © Heribert Schindler


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