Unter dem Motto „Lust auf Zukunft – Wie kann das Image der Pflege in der Gesellschaft nachhaltig verbessert werden“ fanden die „Parkgespräche im Münsterland“ vom 12.–13. Juni 2019 statt. In Münster-Harnsdorf trafen sich rund 50 Geschäftsführer und Vorstände der Pflegewirtschaft, um gemeinsam zu diskutieren und konkrete Maßnahmen zu definieren, die dazu beitragen, das Image der Pflege nachhaltig zu verbessern.

Hochkarätige Unterstützung fanden die Parkgespräche durch die Anwesenheit des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. Der politische Schirmherr der „Parkgespräche“, Albert H. Weiler (MdB), unterstrich seine Rolle als Verbindung in die Ministerien.

Karla Kämmer und Friedrich Trapp von der KK Beratungsgesellschaft, Essen führten als Moderatoren durch die Veranstaltung. Die WiBU Gruppe ist Initiator der Parkgespräche und sorgte mit ihrer Veranstaltungsplattform WiBU Kompetenztransfer für ein inspirierendes und entschleunigtes Rahmenprogramm. 

Wir haben mit Frau Kämmer und Herrn Trapp über Inhalte, Ergebnisse und Chancen der diesjährigen „Parkgespräche im Münsterland“ gesprochen. 

Frau Kämmer, wie ist es aktuell um das Image der Pflege bestellt? 

Das kommt sehr auf die Perspektive an: Je „pflegeferner“ jemand ist, umso negativer ist die Vorstellung von Pflege. Wenn Menschen in ihrem persönlichen Umfeld mit Pflegebedürftigkeit und professioneller Pflege in Berührung kommen, schlägt die negative Einstellung, die zum Teil von Medien und auch von der Politik geschürt wird, häufig in Vertrauen und Respekt um.

Bürger vertrauen eher den professionell Pflegenden als den Einrichtungen.

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass Pflege sehr schlecht bezahlt wird, was so nicht stimmt – ebenso wenig wie das in weiten Kreisen vorherrschende Bild, dass Pflegende in ihrer Tätigkeit überwiegend weisungsgebunden handeln. Das Gegenteil ist der Fall. Häufig handeln beruflich Pflegende im Alltag in einem weitgehend arztfreien Raum und entscheiden mit ihrer Fachlichkeit.

Herr Trapp, welche Rolle spielt das Image der Pflege für die Gesellschaft?

Das Image hängt von den Werten einer Kultur ab. Das heißt: Altern und Pflege muss positiver besetzt werden. Anerkennung ist das, was zwingend Not tut in einer Gesellschaft, die in unruhigen Zeiten Stabilität und Flexibilität ressourcenschonend und effektiv kombinieren muss.

Letztlich ist unsere Gesellschaft nur so gut entwickelt, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht: den Kranken, psychisch Beeinträchtigten und Sterbenden – und natürlich mit denen, die diese Personen betreuen.

Nur in einer Gesellschaft, die sozial und auch politisch ermöglicht, dass in einer Situation der Schutzbedürftigkeit auf allen Ebenen gut gesorgt ist, kann man würdevoll altern und Pflegeverantwortung übernehmen.

Frau Kämmer, welchen Beitrag können die Parkgespräche in Hinblick auf die Zukunft der Pflege leisten?

Die Parkgespräche bauen im geschützten Rahmen Brücken zwischen Trägern, Verbänden, Prüforganen und Politik. Im kleinen Kreis und in einem entspannten, achtsamen Austausch kann man leichter und ohne Gesichtsverlust den Argumenten der Gegenseite zuhören und gemeinsame Wege entdecken. Als Moderatorin sorge ich dafür, dass die Fragen und Anregungen, Probleme der Entscheider und Betreiber ganz konkret und ungefiltert bei den politischen Entscheidungsträgern ankommen.

Herr Trapp, was ist das Besondere an den Parkgesprächen?

Die vertrauensvolle Atmosphäre, das positive Klima und die Ernsthaftigkeit des Austausches sind Kennzeichen der Parkgespräche im Münsterland. Hinzu kommt das weitgehende Freihalten der Veranstaltung von verbandlichen und politischen Interessen und Querelen. Die Parkgespräche bieten somit eine echte Chance, sich dem gemeinsamen Thema und Ziel zu widmen und das ist, die Pflegewirtschaft zu stärken und auch ein Stück weit stolz zu machen.

Frau Kämmer, welche konkreten Ergebnisse konnten die diesjährigen Parkgespräche erzielen?

Ganz konkret konnten wir den Fokus auf folgende Themen lenken: Umsetzung der generalistischen Ausbildung, Finanzierung der Tagespflege, berufliche Selbstbestimmung und die Steigerung der Berufsattraktivität. Minister Spahn beeindruckte durch seine profunde Fachkenntnis bis ins Detail und sein hohes Interesse an den relevanten Fragen der Praxis. In Kürze bereiten wir ein Anforderungs- und Fragenprofil für das Gesundheitsministerium vor. Es wird – nach Abstimmung mit den Teilnehmern – dem Minister übergeben und zur Veröffentlichung aufbereitet.

Herr Trapp, was sind die wichtigsten Stellschrauben zur Attraktivitätssteigerung der Pflege älterer Menschen?

Grundsätzlich gilt: In allen Fragen, die das Gesundheits- und Sozialwesen betreffen, müssen Pflegende mit an den Tisch. Es braucht eine aktive, positive Öffentlichkeitsarbeit und eine Berichterstattung in den Medien mit Beiträgen, die sich um Arbeitszufriedenheit, Kompetenz, Anerkennung und Erfolg drehen.

Mit strukturellen Impulsen muss vor allem das Arbeitsfeld der Langzeit-und Altenpflege in der generalistischen Ausbildung attraktiv gestaltet werden. Altenpflege und ‚tolle Aus-und Arbeitsbedingungen‘ müssen in einem Atemzug genannt werden. Auszubildenden mit Migrationshintergrund, Lernschwierigkeiten und in sozialen Krisen sollten unentgeltliche Lern- und Beratungsangebote zu Teil werden.

Frau Kämmer welche „Hausaufgaben“ hat die Pflegewirtschaft zum Thema Imageaufwertung noch zu erledigen?

Die Pflegewirtschaft muss lernen, dass es nicht ums „Kleckern“, sondern ums „Klotzen“ geht. Nicht Kleinigkeiten ändern, sondern die Situation – insbesondere die Arbeitsbedingungen – grundlegend verbessern: Personen- und lebenslauforientierte Dienstzeiten, potenzialorientierte Mitarbeiterentwicklung, Anrecht auf kostenlose Reflexion und psychische Unterstützung, flexible Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige und auch die eigenen Angehörigen nicht zu vergessen: Auch sind kostenfreie berufsbegleitende Lern- und Bildungsangebote sowie eine bevorzugte Berücksichtigung bei der Vergabe von Stipendien beim Studium anzudenken.

Herr Trapp, welchen Herausforderungen muss sich aus Ihrer Sicht die Politik stellen?

Die Politik sollte dem Sektor ‚Lebensqualität und Pflege‘ den Platz in der Mitte der Gesellschaft geben, der ihm zusteht. Das erfordert eine rückhaltlose Anerkennung des Pflegeberufes als gestaltender und verantwortlicher Heilberuf mit eigenständiger, anerkannter Diagnose- und Verordnungskompetenz. Auch bedarf es den Aufbau einer lebendigen Vielfalt an komplementären und pflegeunterstützenden Assistenzberufen.

Frau Kämmer, wenn Sie einen Wunsch hätten, was würden Sie sich für die Pflege wünschen?

Mein Wunsch ist: Respekt statt Mitleid, die Anerkennung der enormen gesellschaftlichen Bedeutung des pflegerischen Handlungsfeldes und dazu eine weitest gehende Selbstbestimmung.

Frau Kämmer und Herrn Trapp, vielen Dank für das Interview!

Weitere Information: http://www.wibu-gruppe.de/kompetenztransfer

Fotos: Michael C. Möller

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