Schon zum 5. Mal trafen sich rund 70 Entscheidungsträger aus der Alten- und Behindertenpflege zu den Management Parkgesprächen – dieses Mal in Crivitz auf Schloss Basthorst in Mecklenburg-Vorpommern. Eingeladen hatten die WIBU Gruppe gemeinsam mit Karla Kämmer und Friedrich Trapp (Karla Kämmer Beratungsgesellschaft Essen), die wiedermals sehr souverän und unterhaltsam durch die beiden Veranstaltungstage führten. 

Neben den Vorträgen und Open-Space-Workshops gab es auch ausreichend Zeit für Entschleunigung: Yoga und Bogenschießen stellten ein attraktives Rahmenprogramm dar.

Mit 1,2 Millionen Beschäftigten gehört die Pflege- und Gesundheitswirtschaft zu den größten Arbeitgebern Deutschlands. Im Vergleich zur Automobilindustrie sind das 400.000 Personen mehr. Da sollte man doch meinen, dass die Pflege damit genauso präsent in den Medien vertreten wäre wie die Automobilbauer. Doch weit gefehlt, das zeigte zur Eröffnung Johannes Pennekamp, Ressortleiter Wirtschaft FAZ, in seiner Präsentation auf. Dabei erfüllt die Pflegebranche alle maßgeblichen Faktoren, um in der medialen Öffentlichkeit eine große Rolle zu spielen wie Relevanz, Nähe und Emotion.

Doch woran liegt es, dass die Branche eher „stiefmütterlich“ behandelt wird?

„Es gibt kaum Köpfe, Kampagnen oder Strategien, die durchdringen.“  

Johannes Pennekamp

Dabei wäre jetzt das Momentum da, denn die finanzielle wie emotionale Betroffenheit wächst und dazu die fehlenden Fachkräfte. Zudem ist eine politische Hilflosigkeit erkennbar und andere Krisen verblassen so langsam.

Da schloss sich der Vortrag von dem Pflegeunternehmer Ulrich Zerhusen, Zerhusen & Blömer GmbH, perfekt an. 

„Image ist ein Produkt und kein Zufall.“

Ulrich Zerhusen

Seine Berufserfahrung aus 10 Jahren Automobilbranche führt zu einem anderen Blick auf die Pflegewelt. Sein Appell lautet: Pflege sind keine Kosten, sondern eine Investition. Und dafür gibt es Modelle, um genau diesen Invest in Lebensqualität, Würde und Gemeinwohl monetär zu erfassen: den Social Return on Investment (SROI).

Den fachlichen Abschluss des Tages übernahm Jens Lönneker vom rheingold salon, der mit seinem Vortrag „Kultur schafft Marke“ einen tiefenpsychologischen Blick auf die Themen Tod und Altern warf. „Marken behandeln die Herausforderungen unserer Zeit und sie gestalten Alltagskultur“ so eine seiner Aussagen. Doch Pflege ist weit mehr als Tod und Altern, so brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt.

Die Präsentationen lösten intensive Gespräche an den runden Tischen aus. Eine tolle Idee der Veranstalter, so eine Tischbestuhlung zu wählen. Die Diskussionen und das Netzwerken begannen somit schon während der Vorträge. Und die Gespräche wurden dann auch zu späterer Stunde fortgesetzt. Ein schönes Abendprogramm mit Barbecue, Wanderungen und einer Floßfahrt sorgten für einen perfekten Ausklang des ersten Tages und haben Lust auf den zweiten gemacht.

Intensiv ging es gleich am nächsten Morgen weiter mit einem breit gespannten Bogen an Vorträgen zu Themen wie u. a. „Frühwarnsystem Insolvenz – wie kann ich mein Unternehmen schützen“ von Prof. Dr. Bernd Halfar, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) verzeichnete 810 Insolvenzen von Pflegeeinrichtungen im Jahr 2023. Nicht alle Häuser mussten schließen, einige sind übernommen worden. Auch in diesem Jahr rechnen ca. 40% der Unternehmen damit, ein negatives Ergebnis einzufahren. Die Herausforderungen sind vielfältig. So formuliert es auch Christian Schultz, Kaufmännischer Vorstand Diakonie Stiftung Salem gGmbH:

„Als Komplexträger mit mittlerweile über 3.200 Mitarbeitenden mit und ohne Behinderung sind die Herausforderungen komplex und sehr umfassend. Die größten sind neben der sehr schleppenden Zahlungsmoral der Kostenträger, der Verhandlungsstau auf Kostenträgerseite von fast einem Jahr als auch die Umstellung im Bereich unserer Werkstätten für Menschen mit einer Beeinträchtigung.“

Da konnte Susanne Leciejewski von der SozialGestaltung GmbH (gehört zur SozialBank) den Ball perfekt aufnehmen und erläutern, wie und wann eine Bank ein Unternehmen finanziert. Denn neben der schleppenden Zahlungsmoral der Kostenträger sind es auch häufig Managementfehler, die Unternehmen in eine finanzielle Schieflage führen. Die Anforderungen, die heute eine Bank an Sozialunternehmen stellt, nehmen deutlich zu. Dazu gehören u. a. ein valider Businessplan, erhöhte Eigenkapitalanforderungen, eine nachhaltige Immobilienstrategie, die Abbildung der gesamten Versorgungswertschöpfungskette und noch weitere.

Nach den doch eher nüchternen Zahlen gelang es Dr. Dana Janas, wertsicht GmbH, einen spannenden Bogen zu schlagen zum Thema „Fokussing“. Sie räumte gleich zu Beginn mit dem Mythos auf, dass ein Mensch multitaskingfähig sein könnte und dass diese Fähigkeit positiv besetzt sei. 

„Multitasking ist neurobiologisch gar nicht möglich.“

Genauso verhält es sich mit der Annahme, dass Pausen automatisch Nichtstun bedeuten würde. Sogar das Gegenteil ist der Fall:

„Pausen bedeuten Gehirnarbeitszeit.“

Wir arbeiten deutlich effizienter, wenn wir fokussiert einer Tätigkeit nachgehen und uns dafür den entsprechenden Zeitraum nehmen. Bewusst auch mal die Tür zu schließen, ist sinnvoller, als immer eine „open-door-Philosophie“ zu leben und somit permanent Gefahr zu laufen, unterbrochen zu werden.

Moderat geschätzt werden wir zehn Mal am Tag unterbrochen: Jede Unterbrechung kostet uns in der Effizienz sechs bis acht Minuten Zeit, um wieder da anzusetzen, wo wir unterbrochen worden sind.

Bevor es dann an die Workshop-Arbeit ging, brachte Annemarie Fajardo vom Deutschen Pflegerat die Teilnehmenden auf den neuesten Stand der deutschen wie europäischen Berufspolitik. 

In den anschließenden vier Workshops wurden die folgenden Themen behandelt:

  • Wertschätzung leben – Best Practice Dr. Dana Janas
  • Unternehmenskultur (Entwicklung einer DNA) der Diakonie Michaelshoven – Best Practice Christian Potthoff 
  • Dienstplansicherheit und Work-Life Balance – Best Practice Annemarie Fajardo
  • Finanzierung und Rescue Konzepte – Best Practice Karoline Weller, cosiq GmbH

Nach ca. jeweils 20 Minuten konnten die Teilnehmenden das Thema wechseln, so dass sie am Ende an allen vier Thementischen gearbeitet haben. Eine sehr effektive wie sinnvolle Methode, um möglichst in kurzer Zeit viele Anregungen und Beispiele vermittelt zu bekommen.

Zum Ende des Tages machte Thomas Noack von der Pinktum GmbH klar, dass das Lernen der Zukunft zu einem echten Wettbewerbs- und Differenzierungsfaktor für Unternehmen geworden ist, dabei werden gerade Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle spielen. Er zitierte zudem noch aus der Kraftvoll Studie vom PINKTUM Institute for Soft Skill Intelligence aus dem 4. Quartal 2023. Es wurden über 1.000 Arbeitnehmende in Deutschland befragt:

49,4% gaben an, heute deutlich weniger Kraft zu haben als noch vor drei Jahren. Für nur 21,6% sind Digitalisierung und Künstliche Intelligenz Krafträuber. Weiterhin brachte die Studie hervor, dass Lernkompetenzen, Agiles Arbeiten, Kollaboration und digitale Grundkompetenz die vier wichtigsten Zukunftskompetenzen sind.

Ein wieder Mal breites wie sehr spannendes Themenspektrum hatten sich die Veranstalter für die Teilnehmenden überlegt und das in einem wunderschönen Ambiente. Man konnte allen vor Ort ansehen, wie wohl sie sich fühlten und wie inspiriert sie nach Hause gefahren sind. So sah es auch Georg Forchmann, Vorstand Werraland Lebenswelten e.V.:

„Die Parkgespräche sind für mich immer wieder eine tolle Form des Austausches und der Vernetzung in einem motivierenden Ambiente mit interessanten Impulsen.“

Fotos: Holger Martens Fotografie & Bildkunst

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert