Tino Sorge ist Vorstandsmitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Seit 2021 ist er Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zudem ist er stellvertretendes Mitglied im Bildungs- und Forschungsausschuss und Vorstandsmitglied des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) sowie seit 2019 auch Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in Magdeburg (MIT).
Wie sehen die Eckpfeiler der Gesundheitspolitik Ihrer Fraktion aus? Welche Schwerpunkte setzen Sie/werden Sie zukünftig setzen?
Tino Sorge: Unser Gesundheitssystem steht vor zahlreichen Herausforderungen: Alterung unserer Gesellschaft, Fachkräftemangel und steigende Kosten. Wir setzen auf strukturelle Anpassungen.
Dabei nehmen wir den Einzelnen, die Daseinsvorsorge, Eigenverantwortung und Prävention in den Fokus.
Wir stehen zum System der Selbstverwaltung, zur Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Ebenso wichtig sind die Grundsätze der Freiberuflichkeit und der solidarischen Beitragsfinanzierung. Unser Ziel ist ein neuer Stil in der Gesundheitspolitik:
Miteinander und nicht gegeneinander. Auch in finanziell schwierigen Zeiten.
Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Themen der aktuellen Pflegepolitik? Wie möchten Sie diese Themen anpacken?
Tino Sorge: Die Soziale Pflegeversicherung ist ein Erfolgsmodell in der Sozialpolitik.
Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen benötigt sie 30 Jahre nach ihrer Einführung aber ein Update.
Dazu brauchen wir einen umfassenden gesellschaftlichen Dialog über das zentrale Zukunftsthema Pflege und müssen neue Wege gehen, damit die Versorgung von Pflegebedürftigen verlässlich und bezahlbar bleibt. Die Finanzierungsfrage muss in der kommenden Legislatur mit hoher Priorität bearbeitet werden. Wir brauchen weiter gute Rahmenbedingungen für Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und die Beschäftigten in der Pflege. Das funktioniert nur mit einer klaren und stabilen Finanzierungsstruktur. Sie ist die elementare Voraussetzung, um gute Pflege für Jung und Alt in unserem Land zu gewährleisten.
Die Kosten für die gesetzlichen und die privaten Krankenkassen steigen und steigen. So befürchtet der Chef der größten deutschen Krankenkasse TK, Jens Baas, ohne politisches Eingreifen einen mittelfristigen Anstieg der Krankenkassenbeiträge auf 20 Prozent. Wie kann/muss von politischer Seite hier gegengesteuert werden?
Tino Sorge: Unser Gesundheitssystem braucht eine solide Finanzierung. Dafür brauchen wir eine starke Wirtschaft, ohne sie gibt es keinen starken Sozialstaat. Der Gesamtbeitrag zu den Sozialversicherungen muss sich insgesamt wieder auf die 40 Prozent hinbewegen. Wir setzen uns daher für effiziente Strukturen und Prozesse und mehr Eigenverantwortung im Gesundheitswesen ein. Bei den versicherungsfremden Leistungen werden wir korrigieren müssen, hier entgehen den Systemen mehrere Milliarden Euro jedes Jahr.
Zudem ist es wichtig, den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu stärken und das Kostenbewusstsein zu erhöhen.
Viele Pflegeeinrichtungen stehen aufgrund hoher Inflation, explodierender Energie- sowie steigender Personalkosten und Problemen bei der Refinanzierung vor der Insolvenz. Welche Maßnahmen sehen Sie konkret vor, um die immer weiter steigenden Kosten für Betreiber abzufedern?
Tino Sorge:
Eine gute Wirtschaftsentwicklung schafft auch in Pflegeeinrichtungen ein Klima für erfolgreiche Infrastrukturen und Investitionen.
Im Jahr 2023 sind diese Investitionen massiv zurückgegangen, vor allem infolge einer makroökonomisch unsicheren Lage, die sich aus gestiegenen Zinsen, höheren Löhnen und wachsenden Energiekosten zusammensetzte. An diesen Stellschrauben müssen wir ansetzen, um die Rahmenbedingungen für Einrichtungsbetreiber zu verbessern und damit auch die Versorgung für die zu Pflegenden.
Hatten Sie selbst schon einmal Gelegenheit, eine oder mehrere Pflegeeinrichtungen zu besuchen, um sich ein Bild der Lage zu machen? Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen? Gab es konkrete Anregungen/Forderungen/Kritik seitens der Bewohnerinnen/Bewohner und/oder dem Pflegepersonal?
Tino Sorge: In elf Jahren als Gesundheitspolitiker habe ich Dutzende Pflegeeinrichtungen besucht und bin dabei immer wieder ins Gespräch mit Bewohnern und Mitarbeitern gekommen. Bürokratierückbau ist und bleibt eines der wichtigsten Anliegen. Jede Minute, die an Bürokratie auf Seiten der Pflegekräfte gespart werden kann, kommt den Menschen zugute. Digitalisierung und Entschlackung bei Dokumentation und Verwaltung haben großes Potential. Aber auch gute Arbeitsbedingungen sind ein unverzichtbarer Faktor.
In der Pflege wird mittlerweile besser verdient als noch vor zehn Jahren, planbarere Arbeitszeiten und Abfederung von Arbeitsspitzen, etwa durch Springerpools können aber dazu beitragen, den Beruf noch attraktiver zu machen.
Mit verstärkter Ausbildung, verbesserten Wiedereinstiegsmöglichkeiten und der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland können wir die Zahl der Beschäftigten in der Pflege dauerhaft erhöhen.
Wie können die steigenden Eigenanteile der Bewohnerinnen und Bewohner abgefedert werden?
Tino Sorge: Wir müssen die Pflege auf ein breiteres finanzielles Fundament stellen. Wir spüren jetzt und in den kommenden Jahren die Auswirkungen eines demografischen Wandels, durch den wir zum Glück alle älter werden. Das bedeutet aber auch, dass für immer mehr Pflegebedürftige immer weniger Beitragszahler zur Verfügung stehen, die die Kosten schultern können. Wir sehen, dass das bisherige Umlagesystem an seine Grenzen kommt. Handeln wir jetzt nicht, werden die Eigenanteile immer weiter ansteigen.
Darum brauchen wir ein neues Finanzierungsmodell, das auf mehrere Säulen der Vorsorge setzt.
Das alles muss bezahlt werden: Welche Finanzierungsvorschläge haben Sie?
Tino Sorge: Mit einem Finanzierungsmix aus gesetzlicher Pflegeversicherung, betrieblicher und privater Vorsorge sowie Steuermitteln wollen wir die Pflegeversicherung stabilisieren.
Insbesondere Jüngere werden gefordert, für die Pflege im Alter auch privat vorzusorgen, soweit sie sich das leisten können. Es reicht nach Berechnungen bereits ein geringer zweistelliger Betrag im Monat aus.
Wer wenige finanzielle Mittel zur Verfügung hat, braucht besondere Unterstützung. Hier werden Härtefallregelungen nötig sein, genauso wird es Übergangsregelungen für ältere Menschen brauchen.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
Fotocredit: © Tobias Koch