Thomas Hjort, Direktor Innovation bei Vattenfall, erzählt, wie es dazu kam und was zukünftig möglich sein könnte.
Wie kamen Sie bzw. Vattenfall auf diese Idee, was war die Motivation?
Thomas Hjort: Auf der letztjährigen Dutch Design Week haben wir mehrere Designstudios eingeladen, darüber nachzudenken, wie Teile einer Windkraftanlage nach dem Ende ihrer Lebensdauer wiederverwendet werden können.

Ziel war es, Ideen für die nachhaltige Nutzung von Energieerzeugungsanlagen zu entwickeln, also sozusagen über ein zweites Leben für solche Anlagen nachzudenken.
Und so entstand die Idee für das Tiny House.
Von der Idee zum Prototyp zu einem bezugsfertigen Tiny House: Wie bzw. mit wem haben Sie das Projekt gemeinsam entwickelt? Wie lief die Zusammenarbeit?
Thomas Hjort: Das Tiny House wurde von der Firma Superuse konzipiert und entworfen und von Blade-Made und Woodwave ausgeführt. Die ausführenden Unternehmen entschieden sich sogleich für die schwierigste Lösung: den Entwurf eines Hauses, das den Bauvorschriften entspricht, in einer möglichst kleinen Gondel. Die Wahl fiel auf eine V80 2MW-Turbine des Windturbinenherstellers Vestas. Das ist das erste Modell, dessen Gondel groß genug ist für ein Tiny House.
Trotz der begrenzten Abmessungen entspricht das Haus den Bauvorschriften und ist daher uneingeschränkt für Wohn- oder Ferienzwecke geeignet.
Welche Abmessungen hat das Tiny House und wie/mit was ist es ausgestattet (Räume, Inneneinrichtung usw.)? Findet sich auch hier der Ansatz der Nachhaltigkeit wieder?
Thomas Hjort: Auf jeden Fall. Bei der Auswahl der Materialien für die Ausstattung spielte das Konzept der Wiederverwertbarkeit ebenfalls eine wichtige Rolle. Das Tiny House wurde mit nachhaltig produzierten sowie gebrauchten Möbeln ausgestattet.
Der Wohnzimmertisch beispielsweise ist in Teilen aus einem alten Rotorblatt gefertigt.


Das vier Meter breite, zehn Meter lange und drei Meter hohe Gehäuse stammt ursprünglich von einer Windturbine, die zwanzig Jahre lang in Österreich erneuerbaren Strom produzierte.
Mit welcher (nachhaltiger) Technik ist das Tiny House bestückt?
Thomas Hjort: Im Kern besteht das Tiny House aus einer Küche, einem Badezimmer und einem Wohnzimmer.
Außerdem wurde es mit intelligenter Technik wie einer Wärmepumpe, einer Photovoltaikanlage auf dem Dach und einem Solarboiler ausgestattet.


Darüber hinaus verfügt das Tiny House über eine Ladebuchse zum elektrischen Laden eines Elektroautos, die auf zwei Arten funktioniert, sodass Sie Ihr Auto auch zur Stromversorgung des Hauses nutzen können.
Wie werden die Tiny Houses bewegt und für welchen Einsatz sind die Tiny Houses konkret gedacht?
Thomas Hjort: Transportiert wird das Tiny House wie andere Häuser dieser Bauart auch, auf einem Sattelschlepper.
Wir wollten mit dem Konzept für dieses etwas ungewöhnliche Projekt einen Denkanstoß geben, wie sich bereits einmal produzierte Materialien möglichst nachhaltig weiterverwerten lassen.
So kann man also mit möglichst wenigen Anpassungen etwas Neues daraus entwickeln. Das spart Rohstoffe und Energieverbrauch und stellt sicher, dass diese Materialien noch viele Jahre nach ihrem ersten Einsatz weiterverwendet werden. Allerdings werden wir momentan nicht in die serienmäßige Produktion von Tiny Houses einsteigen. Aber wer weiß, vielleicht finden sich ja mutige Unternehmen, die diese Idee weiterführen.
Wohnraum in Städten ist oft Mangelware. Könnten die Tiny Houses auch als Wohnungen für Mitarbeitende eingesetzt werden? Gibt es da Denkansätze?
Thomas Hjort: Wir sind überrascht von dem extrem positiven Feedback, das wir für die Idee des Tiny House bekommen haben. Ob sich daraus konkrete Konzepte für welche Nutzungsformen auch immer ergeben, das wird sich zeigen.
Eine große Ruhrgebietskommune hat uns mittlerweile angefragt, ob wir ihr das Tiny House anlässlich einer Messe zur Verfügung stellen könnten. In dieser Kommune gibt es Überlegungen zur Nachverdichtung von bereits bebautem Raum.
Konkret geht es um die Frage, ob sich das Tiny House beispielsweise auf Flachdächern von Autogaragen installieren lässt. Das wäre allerdings eine Frage der Statik, da ein Tiny House aus einer Windturbine mit seiner Stahlummantelung ein gewisses Gewicht hat.
Könnten Sie sich die Tiny Houses auch als senioren-/altersgerechtes Wohnprojekt vorstellen? Wären sie dafür geeignet?
Thomas Hjort: Da wir zusammen mit unseren ausführenden Partnern in der Planung und dem Bau des Tiny House quasi bei null angefangen haben, würde ich spontan sagen: nichts ist unmöglich. Der Vorteil ist ja, dass das Haus als solches schon existiert. Und warum soll ein altersgerechter Innenausbau nicht möglich sein? Alle Räume befinden sich ja auf einer Ebene. Und was den Platzbedarf angeht: Wir haben hier ganz bewusst die kleinste mögliche Gondel ausgewählt, die für dieses Projekt infrage kam.
So ein Tiny House lässt sich auch mit größeren Gondeln realisieren. In den kommenden Jahrzehnten werden Tausende solcher Gondeln am Ende ihrer Lebenszeit rückgebaut oder ersetzt. Da könnte für jeden etwas dabei sein.
Und es muss ja nicht zwingend ein Haus sein. Jetzt, da wir bewiesen haben, dass auch die komplexeste Lösung möglich ist, hoffen wir, dass sich Eigentümer von Windenergieanlagen und Demontageunternehmen inspiriert fühlen, ihre eigenen Lösungen für gebrauchte Gondeln zu entwickeln.
Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
Photocredits: © J. Lousberg/Vattenfall
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