Paula Brandt entwickelt Wachstumsstrategien für Unternehmer und Selbständige, die mit Beitrag wachsen und neue Geschäftsfelder erschließen wollen.

Sie hat Erfahrung aus über 20 Berufsjahren darin, für ihre Klienten verantwortungsvolles Firmenwachstum zu planen und die erfolgreiche Umsetzung zu koordinieren. Früher hat sie unter anderem bei Microsoft in weltweiter Rolle in Kundenprojekten an der Schnittstelle von Strategieberatung und Umsetzung gearbeitet. Heute entwickelt sie zusammen mit den Inhabern mittelständischer Firmen Strategien für die Zukunft. Deren Situation kennt sie aus eigener Anschauung, weil sie nach ihrer Zeit bei Microsoft selbst Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer eigenen GmbH war. Sie ist Keynote Speakerin und Autorin, zuletzt vom SPIEGEL-Bestseller „Die Zukunft ist besser als gedacht“

Paula Brandt hält auf dem Strategiekongress der EXPO Living & Care am 24./25. Juni 2025 in Berlin am ersten Tag die Eröffnungs-KeyNote “Die Zukunft ist besser als gedacht”.

Warum ist gerade jetzt ein neues Denken in Pflege, Architektur und Quartiersentwicklung so wichtig?

Paula Brandt: Die Pflege muss neu gedacht werden – und zwar ganzheitlich: Von der Architektur bis zur Organisation im Quartier. Die Pflegebranche ist sehr unterschiedlich aufgestellt. Manche Einrichtungen sind wirtschaftlich stabil, gut aufgestellt und haben kaum Personalprobleme. Andere kämpfen ums Überleben. Die Kluft wird größer, obwohl die äußeren Bedingungen für alle gleich sind. Woran liegt es? Häufig an einem schlechten Management. In einem System, das stark staatlich reguliert ist, zeigt sich besonders deutlich: Wer professionell führt und organisiert, ist klar im Vorteil. Schlechte Führung lässt sich immer weniger hinter einer glatten Fassade verstecken.

Ein Umdenken braucht es auch beim Thema Infrastruktur. Gebäude müssen sich künftig an den Bedürfnissen und Abläufen der Pflege orientieren – nicht umgekehrt.

Große, zentralisierte Heime sind oft teuer und schwerfällig.

Die Zukunft liegt in flexibleren, dezentralen Modellen: In ambulant betreuten Wohngemeinschaften, umgerüsteten Bestandswohnungen und Quartierskonzepten, in denen Pflege bereits in der Architekturzeichnung integriert gedacht wird – un d nicht isoliert. Davon profitieren nicht nur die Menschen, sondern es ist oft auch günstiger für die Sozialkassen. Denn: Das klassische Pflegeheim ist die teuerste Form der Versorgung.

Was es jetzt braucht, ist ein konsequentes Denken in Ressourcen, Wirksamkeit und Effizienz. Für manche Träger mag das ungewohnt sein – aber es ist notwendig, wenn man als Arbeitgeber attraktiv bleiben will. Denn auch die Pflegekräfte von heute fordern mehr: zum Beispiel New Work, 4-Tage-Woche, Möglichkeit zur Mitsprache.

Wer das bieten möchte, braucht ein starkes, wirtschaftlich tragfähiges Fundament. Und das entsteht durch kluge Strukturen, moderne Konzepte und konsequente Prozessoptimierung – auch im Quartier.

Wie kann ROI auf die Pflegewirtschaft übertragen werden?

Paula Brandt: Indem wir den klassischen ROI-Begriff – Return on Investment – neu denken: Als einen Return on Impact.

Denn ich bin fest überzeugt: Zukunftsfähig sind nur die Organisationen, die Wirkung und Wirtschaftlichkeit miteinander verbinden. Wer gesellschaftlichen Mehrwert schafft – für Menschen, für das Umfeld, für die Umwelt – UND dabei wirtschaftlich solide arbeitet, wird selbst in einem schwierigen Marktumfeld bestehen.

Die Pflege ist dafür das beste Beispiel. Es geht hier nicht um Gewinne im klassischen Sinn – aber sehr wohl um Wirkung. Und zwar darum, mit knappen Ressourcen maximale Lebensqualität und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Für Bewohner, Patienten und die Teams vor Ort.

Es braucht beides: Herz und Verstand, Haltung und Struktur, Sinn und System.

Heißt: Die Pflege braucht betriebswirtschaftliches Denken. Und zwar nicht als Selbstzweck, sondern als Werkzeug. Wer soziale Wirkung erzielen will, muss wirtschaftlich handeln können. Gerade weil es um Menschen geht, brauchen wir professionelle Strukturen und gutes Management.

Der Fokus liegt auf Effizienz und Effektivität. Also: Wie nutzen wir die Ressourcen, die wir bereits haben, bestmöglich? Wo wird Zeit, Geld oder Energie verschwendet? Und wie können wir durch bessere Abläufe genau diese Ressourcen wieder freisetzen?

Meine vielleicht etwas provokante, aber zentrale These lautet:

„Wir haben bereits alles, was wir brauchen.“

Nicht der Mangel ist das größte Problem, sondern wie wir mit dem umgehen, was schon vorhanden ist. Wenn Prozesse optimiert werden – der sogenannte Throughput –, profitieren vor allem die Pflegekräfte: Durch weniger unnötigen Stress, weniger Leerläufe, mehr Fokus auf die Arbeit am Menschen. Das schützt die wichtigste Ressource überhaupt: die Mitglieder im Team.

Pflege und BWL dürfen künftig kein Gegensatz mehr sein. Wirtschaftliche Kompetenz hilft, gute Pflegemöglich zu machen.

In der Pflegebranche erleben wir einen großen Mangel an Fachkräften sowieRessourcen und ein hohes Maß an Reglementierung. Wie lässt sich unter solchen Bedingungen mutiges Vorangehen überhaupt realisieren??

Paula Brandt: Mutiges Vorangehen in der Pflege trotz Fachkräftemangel, knapper Ressourcen und starrer Vorgaben: Viele fragen sich gerade, wie das gehen soll. Die vielleicht zunächst einmal etwas überraschende Antwort lautet: Indem wir aufhören, zu warten.

Anstatt in einer Opferrolle zu verharren und auf Lösungen von Seiten der Politik zu hoffen, sollten wir uns fragen: Was liegt in unserem Einflussbereich? Was können wir sofort verändern? Oft liegt das Problem nicht im Mangel selbst, sondern im Umgang mit dem, was schon da ist. Es bringt nichts, ständig zu sagen: „Ich kann nicht, weil…“. Die Haltung muss sein: „Was kann ich tun – mit dem, wasich habe?“ Und das ist meist mehr, als man denkt.

Ein Schlüssel liegt in den Prozessen. Wenn die nicht klar und effizient organisiert sind, versickern Ressourcen. Wer seine Abläufe optimiert, schafft Freiräume, auch ohne zusätzliches Personal oder Budget.

Ein spannender Ansatz ist dabei das Prinzip der „Positiven Abweichung“: Manche Einrichtungen funktionieren auffallend gut, obwohl sie denselben Herausforderungen ausgesetzt sind wie alle anderen. Eine genauerer Blick lohnt sich – was machen sie anders? Und wie können wir diese Erfolgsrezepte übernehmen?

Mut bedeutet insofern auch, alte Denkmuster loszulassen.

Die Betriebswirtschaft ist kein Gegner der Pflege, sondern ein Werkzeug, um sie zu stärken.

Wirtschaftlich denken heißt nicht, die Menschlichkeit zu verlieren. Im Gegenteil: Es hilft uns, wirklich nachhaltig gut arbeiten zu können.

Welche praktischen Tipps oder auch Tools können Sie Pflege-UnternehmerInnen mit an die Hand geben?

Paula Brandt: Wir brauchen einen ganzen praxisnahen Werkzeugkoffer – nicht aus der Pflegepädagogik, sondern aus der Betriebswirtschaft. Und zwar einen, der einfach anwendbar ist und hilft, Prozesse gezielt zu verbessern.

Solche betriebswirtschaftlichen Tools sind keine „Pflegefeinde“, im Gegenteil: Sie sind Werkzeuge, die den Pflegealltag entlasten, Ressourcen freilegen und Klarheit schaffen.

Ein paar konkrete Beispiele:

Diagnose vor Therapie: Jedes Haus ist anders. Deshalb braucht es am Anfang eine gute Analyse – wo steht die Einrichtung, welcher Typ sind wir, was passt wirklich zu uns? Nur so entstehen passgenaue Lösungen statt Standardrezepte.

Die Baumrückschnitt-Methode: Inspiriert vom Försterhandwerk – ein Baum muss regelmäßig zurückgeschnitten werden, damit er tragfähig bleibt. Übertragen auf die Pflegeorganisation heißt das: Altlasten, unnötige Strukturen und ineffiziente Abläufe müssen weg, bevor sie das System überlasten.

Arbeitsbeobachtung im Team: Gemeinsam hinschauen, wie gearbeitet wird – nicht zur Kontrolle, sondern um gemeinsam blinde Flecken und verschwendete Zeit aufzudecken. Das schafft Transparenz und Verbesserungspotenzial.

Das Apfelkorb-Prinzip: Ein fauler Apfel kann den ganzen Korb verderben – auch in Organisationen. Ob ineffiziente Prozesse oder destruktive Verhaltensmuster: Wer zu lange zuschaut, riskiert das große Ganze.

Ziel all dieser Methoden ist, Verschwendung zu erkennen, Prozesse zu straffen, Ressourcen freizulegen. So werden EntscheiderInnen wieder handlungsfähig und müssen nicht in der Wartestellung auf Veränderungen von außen verharren.

Können Sie ein Beispiel nennen, das auch für Akteure in der Pflege inspirierend sein könnte?

Paula Brandt: Ja, viele solcher Beispiele stelle ich in meinem SPIEGEL-Bestseller „Die Zukunft ist besser als gedacht“ vor. Eines, das auch für die Pflege interessant ist, stammt aus einer ganz anderen Ecke: Dem Kunststoffbereich.

Ein Familienunternehmen aus NRW, geführt in zweiter Generation, zeigt, wie kluges Management und Mitarbeiterbeteiligung echte Veränderungen möglich machen – selbst am Fließband.

Was daran so inspirierend ist:

  • Die Produktionsmitarbeiter – also die, die tagtäglich an den Maschinen stehen – sind aktiv in die Verbesserung der Abläufe eingebunden. Sie wissen schließlich am besten, wo es hakt.
  • Wenn ihre Ideen Einsparungen bringen, bekommen sie einen Teil davon zurück. Das heißt: Effizienz zahlt sich auch für die Mitarbeitenden aus – ganz konkret.
  • Mithilfe von Methoden wie Arbeitsbeobachtungen wird gemeinsam geschaut, wo unnötige Schritte versteckt sind – gerade da, wo man sonst sagt: „Das war schon immer so.“

Was hat das mit Pflege zu tun?

Paula Brandt: Sehr viel. Denn auch in der Pflege arbeiten die wahren Prozess-Expertinnen und -Experten „am Bett“. Genau dort entstehen Ideen, wie Abläufe besser, schneller oder einfacher gehen könnten – wenn man sie nur fragt und ernst nimmt.

Dieses Beispiel zeigt:

Effizienzsteigerung muss kein Sparkonzept von oben sein. Sie kann von innen kommen – mit Beteiligung, Anerkennung und fairer Teilhabe.

Und genau daraus entstehen neue Freiräume: für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Zeit am Menschen und eine stärkere Position als Arbeitgeber.

Es zeigt ein ein echtes Gegenmodell zum alten Glaubenssatz: „Effizienz geht immer zulasten der Mitarbeitenden.“ Hier ist es genau umgekehrt. Und auch das ist wieder ein neues Denken, das wir brauchen.

Herzlichen Dank für dieses Interview. Ich freue mich schon jetzt auf Ihren Vortrag!

Die Teilnehmenden der EXPO Living & Care können sich neben Paula Brandt noch auf viele weitere, hochkarätige Referierende freuen. Zudem gibt es neue interaktive Formate wie das Betreiber- und Investorenforum, einen Management-Talk und noch vieles mehr. Ein Blick ins Programm lohnt sich.

>> Zum Buchtipp „Die Zukunft ist besser als gedacht“

Fotocredit: Kevin Münkel

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