Hemsö gehört zu Schwedens führenden privaten Eigentümern im Bereich Sozialimmobilien. Das Unternehmen besitzt, verwaltet und entwickelt Objekte für Altenwohnen, Ausbildung, Gesundheitswesen und Rechtswesen. 

Hemsö besitzt 468 Sozialimmobilien mit einem Marktwert von insgesamt 7,7 Milliarden Euro. Die Objekte befinden sich in Schweden, Finnland und Deutschland.

Jens Nagel, als Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft, führt das gesamte Deutschlandgeschäft von Hemsö. Der gelernte Immobilienkaufmann kennt sowohl den deutschen Immobilienmarkt als auch die Besonderheiten schwedischer Unternehmensstrukturen (www.hemsoe.de). 

Wie geht Hemsö mit den aktuellen Herausforderungen wie gestiegene Baukosten und Energiekosten, ESG usw. um?

Jens Nagel: Die derzeitigen Baukosten lassen die Entwicklung neuer Pflegeheime in einem Großteil der Bundesländer derzeit kaum noch zu, das ist der Grund, weswegen wir uns aktuell bei der Entwicklung neuer Projekte zurückhaltend geben. Erst wenn sich entweder die Refinanzierungskonditionen, die Mieten und/oder die Bau- und Grundstückskosten wieder in einem besseren Verhältnis zueinander befinden, werden wir uns auch wieder verstärkt der Projektentwicklung widmen. 

Energiekosten, ESG-Anforderungen und Nachhaltigkeit allgemein nehmen wir sehr ernst.

Wir haben in Stockholm eine Fachabteilung mit fünf Mitarbeitenden in diesem Bereich und sind aktuell in der Rekrutierung eines Nachhaltigkeitskoordinators für unser Berliner Büro. Wir werden in 2023 eine Bestandsanalyse unseres deutschen Bestandes durchführen und die Möglichkeit von Energieeffektivisierungsmaßnahmen prüfen, um diese – wo möglich – gemeinsam mit den Mietern umzusetzen.

Und wie wirken sich diese Aspekte auf die aktuellen Transaktionsaktivitäten und Investments bei Hemsö aus?

Jens Nagel: Das veränderte Zinsumfeld hat allgemein dazu geführt, dass Investoren ihre Renditeanforderungen signifikant erhöht haben, was auch für Hemsö gilt. Wir beobachten, dass die Preise für Bestandsimmobilien inzwischen nach unten gehen, diese Preiskorrektur reicht aber noch nicht aus, um den negativen Effekt von Zinserhöhungen auszugleichen, weswegen aktuell nur wenige Transaktionen stattfinden.

Hemsö hat nach wie vor finanzielle Mittel und auch das Ziel, zu wachsen, allerdings muss der Preis stimmen.

Ich gehe von weiteren Preiskorrekturen nach unten im Laufe des Jahres 2023 aus.

Welche neuen Strategien und Portfolioveränderungen gibt es aufgrund der genannten Herausforderungen?

Jens Nagel: Wir konzentrieren uns darauf, in unserem Bestand Einnahmen durch engen Kontakt zu unseren Mietern zu sichern und Kosten – wo möglich – zu senken. Dies gilt sowohl für Kosten des Mieters als auch für Kosten des Vermieters. Das Reduzieren von Energiekosten zum Beispiel durch energetische Sanierungen und Umstellung der Energieversorgung sind hier denkbare Wege.

Welche Segmente/Asset-Klassen sind hauptsächlich von den Veränderungen betroffen beziehungsweise sind hervorzuheben? Und warum?

Jens Nagel: In Deutschland liegt der Großteil unseres Bestandes im Bereich Altenpflege, der auch der am meisten betroffene Bereich ist. Die Betreiber haben in den letzten Jahren mit signifikanten Kostenerhöhungen in sämtlichen Bereichen zu kämpfen gehabt, und ein nachhaltiges Verständnis dafür bei der Politik ist leider bislang ausgeblieben.

Die Lücke zwischen Kosten und Refinanzierung wird größer, was bei einigen Betreibern die finanzielle Stabilität gefährdet.

Der Bereich Bildungseinrichtungen und öffentliche Verwaltungsgebäude (Polizeiwachen etc.) ist derzeit kaum betroffen, da dort die öffentliche Hand der Mieter ist.

Erwarten Sie eine Insolvenzwelle auf der Betreiberseite?

Jens Nagel: Einige Betreiber werden insolvent werden und meine Hoffnung ist, dass dies die Politik zum Handeln zwingt und somit eine Insolvenzwelle vermieden werden kann.

Nur die Politik kann – durch ein schnelles anpassen der Refinanzierungen – eine Insolvenzwelle verhindern.

Weder die Betreiber oder deren Eigentümer, noch die Vermieter können dies nachhaltig verhindern.

Das Grundprinzip einer Refinanzierung der stationären Pflege auf Basis einer Kostenerstattung zuzüglich unternehmerischer Marge muss konsequent gelebt werden. Nur wenn unvermeidbare Kostensteigerungen 1:1 zeitnah refinanziert werden, bleibt die stationäre Pflege nachhaltig stabil erhalten.

Und wie sieht es in Bezug auf mögliche Insolvenzen auf der Seite der Projektentwickler aus?

Jens Nagel: Sehr schlecht! Bau- und Grundstückskosten sind nach wie vor auf sehr hohem Niveau, Mieten sind aufgrund mangelnder Refinanzierungen nur in wenigen Bundesländern angemessen gestiegen. Und außerdem sind aufgrund sehr stark gestiegener Refinanzierungskosten die möglichen Abverkaufspreise gesunken. Viele Investoren können für ein neu gebautes Pflegeheim nicht mehr zahlen, was der Projektentwickler zur Kostendeckung benötigt.

Ist der deutsche Pflegeimmobilienmarkt für ausländische Player weiterhin interessant?

Jens Nagel: Das hängt sehr stark vom Einstiegspreis ab!

Wir müssen davon ausgehen, dass die derzeit noch zu hohen Preise für Bestandsimmobilien sinken werden, und keiner kann heute sagen, um wie viel.

Des Weiteren sind die Cash-Flows – also die Mieteinnahmen – unter Druck, und diese bewegen sich derzeit eher nach unten als nach oben. Ein fallendes Messer zu fangen, ist immer risikoreich.

Ich glaube aber, dass sich in 2023 aufgrund von unter Druck geratenen Pflegeheimeigentümern Chancen bieten werden. Die Wahl des „richtigen“ Betreibers wird in Zukunft aber noch wichtiger. Insbesondere Betreiber, die in der Vergangenheit (zu) stark gewachsen sind, bekommen zunehmend finanzielle Probleme.

Der „richtige“ Partner für Hemsö auf Betreiberseite sollte einen ähnlich langfristigen zeitlichen Horizont haben wie wir. Viele der aktuellen Probleme lassen sich nachhaltig nur langfristig lösen. Betreiber, die von einem „Exit“ innerhalb von drei bis fünf Jahren ausgehen, können viele Probleme nur vor sich herschieben.

Besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

Foto: © Kristin Krause

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