Mit dem am 21. März bekannt gewordenen Gesetzentwurf zum Ausgleich der finanziellen Belastungen für die Krankenhäuser bricht der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sein persönliches Versprechen und das der Bundesregierung, die auch in Krankenhäusern tätigen Ärztinnen/Ärzte und Pflegerinnen/Pfleger in der akuten Corona-Krise umfassend zu schützen und zu entlasten.
„Es ist komplett unverständlich, dass der Bundesgesundheitsminister in der historischen Krise nicht alles daransetzt, das Gesundheitssystem in Deutschland sturmfest zu machen. Die Krankenhäuser brauchen dringend umfassende finanzielle Unterstützung und Sicherheit, um so viele Menschenleben wie möglich während der bevorstehenden Hochphase der Corona-Pandemie retten zu können. Stattdessen knickt Herr Spahn gegenüber dem Bürokratiewahn der Krankenkassen ein. Mit dem aktuellen Gesetzentwurf sind Kurzarbeit, Massenentlassungen und Insolvenzen in vielen Krankenhäusern unabwendbar“, sagte Kai Hankeln.
Der vorliegende Gesetzentwurf versagt darin, die Zahlungsfähigkeit der Krankenhäuser und Rehakliniken in dieser historischen Krise für das deutsche Gesundheitssystem zu sichern. Dieser Gesetzentwurf verhindert de facto, dass die Krankenhäuser die jetzt zwingend notwendigen Schritte zum Schutz der Bevölkerung einleiten können. Im Gegenteil werden zahlreiche Gesundheitseinrichtungen absehbar in Finanznot geraten, Kurzarbeit anordnen und Mitarbeiter entlassen müssen. Der Gesetzentwurf riskiert damit die Gesundheit und das Leben von sehr vielen Menschen, die an Corona erkranken werden, aber auch von den vielen Menschen, die ja auch weiterhin ihr Krankenhaus benötigen.
„Der Minister feiert eine große symbolische Zahl, die in der Realität aber nicht mehr als ein leeres Versprechen ist und über den Spitzenausgleich am Jahresende auch wieder abgeschöpft wird. Die Krankenhäuser tun aktuell noch alles in ihrer Kraft stehende, um zusätzliche Intensivbetten aufzubauen. Aber wie viele Mitarbeiter werden die Stationen betreiben, wenn die Kliniken sie nicht bezahlen können?“, so Hankeln weiter. „Es ist ein Skandal, dass der Minister die pragmatischen Vorschläge der Krankenhäuser zur schnellen und unbürokratischen Hilfe einfach zur Seite geschoben hat. Mit diesen Vorschlägen hätten die Krankenhäuser zumindest eine Chance gehabt, im Sinne der betroffenen Corona-Patienten und aller Patienten das System in der akuten Krise aufrecht zu erhalten. Herr Spahn, wie erklären Sie es der Bevölkerung, wenn es bald auch in Deutschland zu italienischen Verhältnissen kommt?“
Zu allem Überdruss ignoriert das vorliegende Gesetz die Lebenswirklichkeit im Gesundheitssystem vollständig: Es wird unterstellt, dass bei den Krankenhäusern und den Krankenkassen die Verwaltungen derzeit Akkord arbeiten, um alles einzeln bürokratisch abzurechnen. Schon heute ist aber Home-Office die Regel bzw. auf Kostenträgerseite so gut wie gar nicht möglich, Ausgangssperren drohen akut. Es ist schlicht keiner mehr da, der die Zahlungsfähigkeit der Krankenhäuser in dem vorliegenden Modell sichern könnte.
Die wichtigsten Aspekte, die die Kliniken in akute Existenznöte bringen werden:
1. Kein Ausgleich für den Mehraufwand für Verbrauchsmaterialien
Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel, Schutzanzüge & Co. sind unbedingt benötigte Materialien, um das Gesundheitssystem in der aktuellen Corona-Krise am Laufen zu halten. Die Preise für überhaupt verfügbare Materialien auf den Märkten explodieren derzeit – weit über die finanziellen Belastungsgrenzen der Krankenhäuser hinaus. Das „Krankenhausentlastungsgesetz“ sieht aber keinerlei Ausgleich und Unterstützung hierbei vor. Die Folge: Da ohne wichtige Materialien kein Krankenhausbetrieb möglich ist, wird den Krankenhäusern schon bald das Geld ausgehen.
2. Aufbau dringend benötigter Intensivkapazitäten wird grundlos verzögert
Der zwingend notwendige Aufbau weiterer Intensivkapazitäten, um schwerkranke Corona-Patienten versorgen zu können, darf erst nach vorheriger Genehmigung des jeweiligen Bundeslandes erfolgen. Ein bürokratisches Verfahren, das nur Zeit kostet – die wir in Deutschland nicht mehr haben! Jeder Tag, den wir vergeuden, um Intensivkapazitäten aufzubauen, kann später Menschenleben kosten! Zudem liegt der Pauschalbetrag pro Intensivbett laut Gesetzentwurf bei 30.000 EUR, ein Betrag, der in keinster Weise die Kosten deckt! Die tatsächlichen Kosten sind nach Beurteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft fast dreimal so hoch. Die Folge: Der Aufbau von Intensivbetten verlangsamt sich deutlich oder kann von den Krankenhäusern erst gar nicht geleistet werden!
3. Pauschalbeträge decken Erlösausfall bei weitem nicht
Die Krankenhäuser richten – wie man Herrn Spahn versprochen hat – derzeit alle verfügbaren Kapazitäten auf die Behandlung von Corona-Patienten aus. Dafür verschieben sie Operationen und Rehabilitationsaufenthalte, sagen Behandlungen ab oder nehmen Patienten mit nicht lebensgefährlichen Krankheiten nicht auf. Klares Ziel: So viele Corona-Patienten wie möglich behandeln zu können. Dafür verzichten die Krankenhäuser auf hohe Einnahmen aus den abgesagten Behandlungen etc. Das Krankenhausentlastungsgesetz soll diese Verluste ausgleichen, damit die Kliniken nicht in wenigen Wochen in die Insolvenz rutschen. Der aktuelle Gesetzentwurf wird die Pleite von Krankenhäusern aber nicht verhindern! Die vorgesehenen Pauschalbeträge, um den Erlösausfall der Krankenhäuser auszugleichen, liegen weit unter den tatsächlichen Kosten und Ausfällen. Teilweise decken sie nicht einmal die Hälfte der Netto-Ausfälle. Sollte das nicht angepasst werden, werden die Krankenhäuser sehr schnell in eine Liquiditätskrise und damit die Insolvenz getrieben.
4. Unverhältnismäßige Bürokratie wird nicht ausgesetzt und schränkt Versorgung ein!
Die Pflegepersonaluntergrenzen und alle GBA-Vorgaben sollen weiter Bestand haben. Das bedeutet, dass die Krankenhäuser einerseits Intensivkapazitäten aufbauen sollen, diese aber aufgrund strikter Personalvorgaben und Strukturprüfungen in der Realität gar nicht betreiben können. Schon vor der Krise herrschte Pflegepersonalmangel – es ist völlig unrealistisch, anzunehmen, diese Strukturvorgaben in einer Situation mit einer Corona-Patienten-Welle zusätzlich zum Bedarf der normalen Akutbehandlungen gleichzeitig jederzeit einhalten zu können. Konsequenz wäre die Schließung von Abteilungen mitten in der Stunde der größten Not!
Auch die Dokumentationspflichten sollen auch in dieser Ausnahmesituation weiter aufrechterhalten werden. In Deutschland müssen Ärzte rund 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit dem Ausfüllen von Formularen etc. verbringen. In der aktuellen Krise brauchen die Patienten aber keine Formulare, sondern jede medizinische Behandlung, die irgendwie möglich ist.
5. Für die Corona-Krise dringend benötigte Reha-Kliniken nicht unter Schutzschirm
Die Reha-Einrichtungen spielen eine entscheidende Rolle für die Sicherung unseres Gesundheitssystems, wenn uns die Welle der Corona-Krise mit voller Wucht treffen wird. Akutkrankenhäuser können diese Einrichtungen nutzen, um Patienten zu verlegen und so den notwendigen Platz für Corona-Patienten zu schaffen. In der aktuellen Gesetzesvorlage sollen allerdings die Länder lediglich ausgewählte Reha-Einrichtungen unter den Schutzschirm nehmen können. Alle anderen fallen unter den Tisch.
Somit gibt es keinen Schutzschirm für die Reha-Einrichtungen und es muss erst ein bürokratischer, langer Prozess beschritten werden. Die Folge: Reha-Einrichtung müssen Kurzarbeit anmelden, die Pflegekräfte stehen für die Versorgung nicht mehr zur Verfügung und die Reha-Einrichtungen gehen insolvent. Dieser Prozess geht ganz schnell binnen zwei Wochen. Die Reha-Einrichtungen stehen dann auch nicht mehr als „Ersatzbank“ zur Verfügung. Das Gesundheitssystem wird zusammenbrechen, da es keine Entlastung durch die Reha-Häuser gibt.
6. Benachteiligung der Krankenhäuser führt zu Insolvenz-Welle
Für die Kassenärztliche Vereinigung und Pflege sind im aktuellen Gesetzentwurf unbegrenzte Ausgleichzahlungen vorgesehen, die Krankenhäuser sind dagegen gedeckelt. Die Akteure, die die Hauptlast in der Corona-Krise tragen und für das Überleben der Menschen sorgen können, werden sehenden Auges in die Insolvenz geschickt!
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ZIA fordert Nachbesserung beim Pflege-Rettungsschirm
Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, fordert eine Nachbesserung des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes. Durch den damit verbundenen Pflege-Rettungsschirm für die ambulanten, teilstationären und vollstationären Pflegeeinrichtungen können Betreiber corona-bedingte Mehrausgaben und Mindereinnahmen refinanziert bekommen. „Die Erstattung bezieht sich aktuell jedoch nur auf die Leistungsbeiträge der Pflegeversicherung und die finanziellen Anteile der Pflegebedürftigen wie Unterkunft, Verpflegung und den sogenannten Einrichtungseinheitlichen Eigenanteil“, sagt Jan-Hendrik Jessen, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Gesundheitsimmobilien.
Außen vor blieben die Investitionsfolgenkosten zur Refinanzierung der systemrelevanten Infrastruktur – also dem Gebäude und dessen Ausstattung. „Die Ertrags- und Mietausfälle für Betreiber, die aufgrund der aktuellen Aufnahmestopps oder Betriebsschließungen entstehen, können angesichts der weiter bestehenden Miet- oder Kreditzahlungsverpflichtungen nicht ausreichend kompensiert werden“, so Jessen. Selbst wenn die Einrichtung unter die Regelungen zum Schutz von Wohnraum- und Gewerbemietern fallen, sei die Mietzahlungspflicht bestenfalls aufgeschoben und nicht aufgehoben. Vereinzelt seien auch bereits Fälle zu beobachten, bei denen ungerechtfertigt Zahlungen ausbleiben oder nicht mehr vollumfänglich bedient werden.
„Der Bereich von Pflege- und Gesundheitsimmobilien ist in der Tat systemrelevant – übrigens nicht erst seit Corona“, sagt Jessen. „Die demographische Entwicklung wird auch in der Nachkrisenzeit weitergehen. Insolvenzen und schließende Pflegeeinrichtungen – sei es ambulant oder stationär – können und sollten wir uns angesichts einer älter werdenden Bevölkerung nicht erlauben.“
Keine ausreichende Unterstützung der Krankenhäuser und des Personals in Notsituation
Gesetzesentwurf zum Ausgleich finanzieller Belastung der Krankenhäuser in der Corona-Katastrophe ist mangelhaft – Geben und Nehmen muss sich die Waage halten, sonst stehen die Krankenhäuser und die Arbeitsplätze vor dem Aus
„Der heute bekannt gewordene Gesetzesentwurf zur Finanzierung der Krankenhäuser im Ausnahmezustand ist leider alles andere als zufrieden stellend. Aus Sicht unserer Berufsgruppe ist es absolut nicht nachvollziehbar, wie auf einen Ausgleich der Mehrkosten bei der Bereitstellung von Schutzausrüstung verzichtet werden kann. Auch die Beibehaltung der bürokratischen Hürden stößt bei uns auf Unverständnis, da sie gerade in Krisenzeiten die Belastung beim gesamten Personal erhöhen. Mit dem geplanten Gesetz werden Krankenhäuser in Notsituationen alles andere als sicher sein. Durch diesen Schachzug werden ausgerechnet diejenigen im Stich gelassen, die jetzt am meisten gebraucht werden und sowohl in Krisenzeiten als auch zu weniger turbulenten Zeiten am unverzichtbarsten sind. Ich finde das extrem gefährlich“, so Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.
„Wir befinden uns gesundheitspolitisch betrachtet in der größten Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs, man kann es durchaus auch als bevorstehende Katastrophe bezeichnen. Gerade jetzt sind Solidarität und Wertschätzung bedeutender als je zuvor. Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplanten Maßnahmen widersprechen klar den Äußerungen von Bundeskanzlerin Merkel und werden zu hoher Unsicherheit in den Krankenhäusern und insbesondere beim Personal führen. Zur Sicherung der Versorgung schließen wir uns dem Eckpunktepapier des AOK-Bundesverbandes und der Deutschen Krankenhausgesellschaft an und fordern, die darin enthaltenen Vereinbarungen gesetzlich auf den Weg zu bringen. Jetzt gilt es, dass alle an einem Strang ziehen und auch die politisch Verantwortlichen ihrer Verantwortung gerecht werden und nicht nur bis morgen, sondern auch bis übermorgen denken, wenn die Katastrophe überwunden ist“, sagt Mai.