Natalie Valentin ist Diplom Pflegewirtin und Sozialmanagerin (Master of Social Management). Sie hat zudem Ausbildungen als Yogalehrerin und Resilienz-Trainerin (i. A.) abgeschlossen. Sie verfügt über vielseitige und langjährige Berufserfahrung im Pflegemanagement eines Wohlfahrtsverbandes, bei einer Betreuungs- und Pflegeaufsicht und im Sozial- und Gesundheitswesen. Nun ist sie in der selbständigen Tätigkeit als fachliche Partnerin im Pflegemanagement, Gesundheits- und Sozialmanagement (und auch weiteren Branchen) individuelle Beraterin, Personalentwicklerin, Yogalehrerin, Lehrbeauftragte und Resilienz-Trainerin aktiv; https://lotus-beratung-valentin.de/.
Auf welchen Säulen baut Resilienz in der Pflege auf?
Natalie Valentin: Resilienz in der Pflege baut aus meiner Erfahrung heraus auf alle sieben Säulen der Resilienz (Selbstwahrnehmung, Selbstregulation, Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Netzwerkorientierung, Zukunftsorientierung) auf und sollte darauf abzielen, die Widerstandskraft der Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeiter gegenüber äußeren Faktoren zu stärken. Um diesen Weg in einem Pflegeteam begleiten zu können, muss für die Bereitschaft zur Selbstreflektion sensibilisiert werden.
Veränderungen können nur geschehen, wenn man sein Denken verändert, wenn man alte Gewohnheiten und Emotionen loslässt und Platz machst für Neues.
Wie wichtig ist Resilienz in der Pflege?
Natalie Valentin: Enorm wichtig! Unruhige Zeiten, angespannte Finanzlagen, permanenter Druck, hohe Krankenstände und fehlende Identifikation mit dem Arbeitsplatz lassen Pflegemitarbeiterinnen an ihre Grenzen kommen. Unzufriedenheit und Stressfaktoren sorgen in der Pflege aktuell für große Unruhe. All dies kann der Antrieb sein, einen Neubeginn anzustreben. Die Sehnsucht nach Veränderung und eine daraufhin getroffene Entscheidung, sein eigenes Leben bewusster wahrzunehmen, können helfen, durch Selbsterkenntnis alte Einstellungen und nicht hilfreiche Gewohnheiten hinter sich zu lassen und einen neuen Weg einzuschlagen.
Die eigene Widerstandskraft muss trainiert werden, denn daraus resultiert die Steigerung der eigenen Resilienz.
Und dies bedeutet nicht, dass wir gegen alle Krisen abgesichert sind oder ein konstantes Maß an Zufriedenheit und Glück erleben, aber es wird dazu führen, die Kernkompetenzen nachhaltig zu verbessern und ein zufriedenerer und auch glücklicherer Mensch zu sein!
Kann man Resilienz generell lernen bzw. stärken?
Natalie Valentin: Ja, das kann man, wenn jeder Einzelne dazu bereit ist und bewusst entscheidet, etwas verändern zu wollen.
Resilienz kann man lernen, indem man eine ressourcenorientierte Haltung annimmt.
Jeder einzelne Mitarbeitende, aber auch alle Führungskräfte, müssen diese neue Rolle in der Pflege trainieren und akzeptieren.
Wie kann ganz konkret die Stress-Resilienz verbessert werden?
Natalie Valentin: Es kann dazu befähigt werden, definierte Ziele wieder gemeinsam im Team zu verfolgen, reflektiert und im gesamten Team, in dem jeder Einzelne seine eigenen, nach seinen Potenzialen orientierte Aufgabe hat. Man muss bereit sein, alte Zöpfe abzuschneiden, neue Wege zu gehen, Traditionen und alte Glaubenssätze zu hinterfragen und den Mut entwickeln, gemeinsam auszuprobieren. Durch dieses Hand-in-Hand-Arbeiten identifizieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder stärker mit ihrem Arbeitsplatz, stehen füreinander ein und agieren miteinander. Ich arbeite mit Pflegeunternehmen, die durch Druck von außen gelernt haben, Selbstreflektion zu betreiben und den Mut entwickelt haben, sich beispielsweise von traditionellen Arbeitszeiten in der Pflege zu trennen und gemeinsam überlegt haben, wie man die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner und die Ressourcen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zukunft gestalten könnte.
Die gesamte Pflegeorganisation wurde hinterfragt, Versorgungs- und Essenszeiten individueller gestaltet. Dabei sind wunderbare und individuelle Ergebnisse entstanden, neue Wege, neue Rollen mit neuen Erkenntnissen.
Zu Beginn war dieser Veränderungsprozess aus der Not heraus entstanden, der jedoch dazu geführt hat, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gemeinschaft dafür gesorgt haben, aus der Krise zu einer lernenden Organisation zu werden.
Welche Verantwortung hat dabei die Führung?
Natalie Valentin: Gerade die Führungskräfte müssen ihre Widerstandskraft trainieren und lernen, diese einzusetzen, denn dies ist die Voraussetzung für eine wirksame Führung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie müssen ihre eigene Komfortzone verlassen, Veränderungen realisieren und sich selbst dazu befähigen, herausfordernde Situationen anzunehmen und gemeinsam mit ihren Teams zu meistern. Ihre Aufgabe ist es, ein gemeinsames Netzwerk aufzubauen.
Sie sollten in der Lage sein, zum einen Situationen bedarfsgerecht einzuschätzen und resilient zu reagieren, ebenso ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker zum Mittun zu inspirieren und ihnen das Gefühl echter Wirksamkeit zu geben.
Sie sollten weniger führen, sondern eher gestalten lassen, um gemeinsam als Pflegeteam die Weiterentwicklung des Unternehmens agil und resilient einzunehmen. Somit wird das Führen mithilfe von neuen Strukturen und über die Motivation und Teamentwicklung verstanden, so dass alle an ihren Aufgaben wachsen und zu einer lernenden Organisation werden.
Was macht ein gutes/erfolgreiches Resilienzmanagement aus bzw. wie kann ein Unternehmen/eine Einrichtung dauerhaft resilienter werden?
Natalie Valentin:
Alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber äußeren Faktoren zu stärken und der körperlich schweren Pflegearbeit entgegenzuwirken.
Einzelne Talente fördern und das Selbstvertrauen stärken, ebenso wie Problemlösungskompetenzen trainieren und gesundheitsfördernde Maßnahmen erkennen. Gerade dies wird in der Pflegewelt leider nur sehr gering wertgeschätzt. Mitarbeitende brauchen beispielsweise Rückzugsorte, an denen sie in ihren Pausen entspannen können. Auch zeigen Erfahrungen, dass Bewegungs- und Meditationsangebote förderlich sind, um mit stressigen Situationen im Pflegealltag besser umgehen zu können. Selbstbestimmung und angemessene Gestaltungsräume sowie die Gewissheit, ein Team zu sein, tragen ebenfalls dazu bei.
Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
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