Hemsö gehört zu Schwedens führenden privaten Eigentümern im Bereich Sozialimmobilien. Das Unternehmen besitzt, verwaltet und entwickelt Objekte für Altenwohnen, Ausbildung, Gesundheitswesen und Rechtswesen.
Hemsö besitzt 488 Sozialimmobilien mit einem Marktwert von insgesamt 8 Milliarden Euro. Die Objekte befinden sich in Schweden, Finnland und Deutschland.
Jens Nagel, als Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft, führt das gesamte Deutschlandgeschäft von Hemsö. Der gelernte Immobilienkaufmann kennt sowohl den deutschen Immobilienmarkt als auch die Besonderheiten schwedischer Unternehmensstrukturen (www.hemsoe.de).
Wie würden Sie die Stimmung auf dem Pflegemarkt beziehungsweise unter den Pflegeheimbetreibern beschreiben?
Jens Nagel: Die Pflegeheimbetreiber stehen vor großen wirtschaftlichen Problemen, zahlreiche Betreiber mussten bereits Insolvenz anmelden. Hinzu kommt, dass sich die Politik trotz der schwierigen Lage nicht oder kaum rührt.
Fraglich ist, welchen Stellenwert das Thema momentan überhaupt noch hat.
Gesellschaftlich ist es ein Megathema, politisch fällt es hinten runter.
Viele Pflegeheimbetreiber gingen im Jahr 2023 in die Insolvenz, viele kämpfen jetzt noch ums Überleben. Und das, obwohl Pflegebedürftige oft Tausende Euro für einen Pflegeheimplatz bezahlen. Warum ist die Finanzierung von Pflegeheimen so schwierig (geworden)?
Jens Nagel: Es gibt immer mehr Pflegebedürftige, während gleichzeitig die Kostenpositionen steigen.
Das Kernproblem: Die Kostenträger haben diese Konstellation aus immer mehr Menschen, die versorgt werden müssen, und steigenden Kosten überhaupt noch nicht wahrgenommen und ziehen bei der Festsetzung der Pflegesätze und Investitionskosten nicht ausreichend nach.
Eine Folge davon sehen wir bereits heute: Die Anzahl der Pflegebedürftigen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, steigt kontinuierlich und die Wirtschaftlichkeit vieler Pflegeeinrichtungen ist nicht mehr gegeben.
Mit welchen Kostentreibern (steigende Mieten, hohe Energiepreise, Bürokratiemonster, Fachkräftemangel) haben Sie am meisten zu kämpfen?
Jens Nagel: Die Erhöhung der Indexmieten im Zuge der hohen Inflation hat viele Betreiber belastet, dies ist für die Vermieter aber die einzige Möglichkeit, Kostensteigerungen auf eigener Seite zumindest teilweise zu kompensieren. Hinzu kamen Kostenbelastungen für Elektrizität und Wärme. Pflegeimmobilieneigentümer und Projektentwickler sind von gestiegenen Fremdfinanzierungszinsen und noch immer hohen Baukosten betroffen. Zusätzlich sorgt das sogenannte Tariftreuegesetz für hohe Personalkosten.
Welche Auswirkungen hat diese Gemengelage konkret auf neue Projektentwicklungen bei Hemsö?
Jens Nagel: Kritisch sehen wir momentan vor allem die unsicheren Rahmenbedingungen. Da wir uns kaum auf politische Aussagen verlassen können, werden wir aktuell auch keine neuen Projektentwicklungen beginnen. Für uns ist wichtig:
Wir gehen kein kurzfristiges operatives Risiko ein, da finanzielle Stabilität ein sehr hohes Gut bei uns ist.
Welche Ansätze sehen Sie, um die wirtschaftliche Lage von Betreibern/Pflegeheimen zu verbessern?
Jens Nagel:
Wir brauchen umgehend ein Sofortpaket zur Liquiditätsunterstützung für Betreiber.
Die meisten Betreiber liegen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen, deshalb brauchen sie schnell und unkompliziert eine Liquiditätsspritze. Helfen könnten uns auch mehr Flexibilität bei der Fachkraftquote und eine bundesweit einheitliche Refinanzierungsrichtlinie. Momentan hat jedes Bundesland eigene Regelungen, es handelt sich um einen regelrechten Flickenteppich. Insbesondere für ausländische Investoren ist das nur schwer nachzuvollziehen.
Wie beziehungsweise mit welchen Maßnahmen reagiert Hemsö?
Jens Nagel: Betreibern, die in Schieflage geraten, wird unter die Arme gegriffen, sofern es Aussichten auf langfristigen und nachhaltigen Erfolg gibt.
Bewährt hat sich auch der Einsatz von Interimsmanagern insbesondere bei Insolvenzen, um den Betrieb, die Pflege und die Arbeitsplätze zu sichern.
Wie wird sich der Pflegeheimmarkt in den kommenden Jahren wohl entwickeln?
Jens Nagel: Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird gesichert in den kommenden Jahren immer weiter steigen. Das heißt, dass wir über Jahre eine stetig hohe Nachfrage nach Pflegeheimplätzen sehen werden. Dies wird auch dazu führen, dass alte Heime im Bestand deutlich länger betrieben werden als bislang geplant. Und es wird aus Platz- und Kostengründen eine Renaissance der Doppelzimmer geben.
Leider vermute ich auch, dass es viele kleine Betreiber und Häuser schwer haben werden.
Allein der Druck hoher Auflagen und bürokratischer Vorgänge ist für kleinere Betreiber kaum zu bewältigen. Das ist sehr bedauerlich.
Wir danken Ihnen für dieses Interview.
Foto: © Kristin Krause