Der gemeinnützige Münchner Verein Retla sammelt Spenden, um unbürokratisch und kreativ zu helfen. Retla schenkt Seniorinnen und Senioren das, was ihnen oft am meisten fehlt: Lebensfreude. Der Verein kooperiert mit Organisationen und Einrichtungen, die lösungsorientierte, nachhaltige und ideenreiche Projekte initiieren und durchführen, mit denen der Brückenschlag in die Gesellschaft gelingt. Retla kümmert sich um einen ganzheitlichen Perspektivwechsel für das Alter in unserer Gesellschaft; https://retla.org/.

Ein aktuelles Projekt sind die „Gespräche gegen die Einsamkeit“: Verbunden bleiben in der Corona-Krise: Das ist das Ziel der Retla-Aktion „Telefon-Engel“. Die physische Distanz, die Seniorinnen und Senioren halten müssen, soll durch umso mehr soziale Nähe ausgeglichen werden – mehr als 300 Freiwillige helfen dabei.

Wir sprachen mit dem Schauspieler und Synchronsprecher Elmar Wepper, der sich als Schirmherr des Projektes „Telefon-Engel“ aktiv engagiert.

Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben verändert und eingeschränkt. Anfang des Jahres wäre das für uns alle noch unvorstellbar gewesen. Wie erleben Sie persönlich die Corona-Krise bzw. wie gehen Sie damit um?

Elmar Wepper: Man kommt an Corona praktisch gar nicht vorbei. Die Pandemie beherrscht zurzeit alle Medien und ist täglich Topthema. Ich versuche es daher, ein wenig in Schach zu halten. Ich informiere mich durchaus, denn ich möchte selbstverständlich den aktuellen Stand der Dinge wissen, doch ich lasse mich von der Flut der Nachrichten und manchmal auch etwas widersprüchlichen Informationen nicht erdrücken. Was wir gerade beobachten, sind erste Ermüdungserscheinungen, und man spürt eine Verunsicherung, die nach und nach zunimmt, was wir auch am Verhalten der Bevölkerung ablesen können. 

Vieles geht hin und her, es existiert nicht der Best Way oder der einzige Königsweg. Alles muss immer wieder neu bewertet werden, und dabei treffen verschiedene Ansichten und auch unterschiedlichen Interessen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik usw. aufeinander.

Sehen Sie, ich sprach erst kürzlich mit meiner Gemüsehändlerin, eine sehr nette Frau. Sie vertritt die Meinung, dass die Kitas und Schulen nicht so schnell wieder geöffnet werden sollten, ich persönlich sehe das anders. Was ich damit sagen will, ist, dass es widersprüchliche Meinungen und Wahrheiten gibt, und auch wenn jede eine gewisse Berechtigung hat, können sie diametral sein. Es ist eben oft nicht eindeutig: Wenn eine Meinung richtig erscheint, ist die andere dadurch nicht gleich falsch. Und genau hier liegt die Schwierigkeit in der Entscheidungsfindung, wie man mit Corona und den Auswirkungen am besten umgehen sollte.

Gerade ältere Menschen sind in den Zeiten von Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen von Einsamkeit und Isolation betroffen. Sie sind Schirmherr des Projektes „Telefon-Engel“ des Münchner Vereins Retla (rückwärts gelesen: Alter), der eine Hotline für Senioren eingerichtet hat. Wie und warum sind Sie dazu gekommen, sich für Retla zu engagieren?

Elmar Wepper: Ich bin über Beate Blaha, einer sehr engagierten Redakteurin beim BR sowie Vorständin und Mitgründerin von Retla, dazu gekommen. Ich kenne Frau Blaha schon sehr lange, denn seit mehr als 15 Jahren wirke ich in TV-Spots mit, um auf die BR-Benefizaktion „Sternstunden – Wir helfen Kindern“ aufmerksam zu machen. Und bereits im vergangenen Jahr, da war Corona noch gar nicht aktuell, sprach mich Frau Blaha an, dass es die Idee zur Gründung eines Vereins gibt, der die Problematiken, denen sich ältere Menschen ausgesetzt sehen, in den Fokus rücken möchte und der das Ziel hat, neue Perspektiven für Senioren – auch im Verhältnis zwischen Jung und Alt – aufzuzeigen. Die Idee und das Thema haben mir sehr gefallen, und ich hatte einfach Lust mitzumachen. Zumal ich seit vielen Jahren im Beirat der Tabaluga Kinderstiftung sitze. Die Stiftung kümmert sich unter anderem um schwer erkrankte, schwer traumatisierte, misshandelte oder vernachlässigte Kinder. Und nicht selten werden auch ältere Menschen in unserer Gesellschaft schnell einmal ins Abseits gedrängt. Retla versucht, durch unterschiedlichste Projekte einen Zugang zu älteren Menschen zu finden, um sie aus dem Abseits herauszuholen. Und das finde ich spannend!

Wie sieht Ihr Einsatz für Retla – und auch der ehrenamtlichen „Telefon-Engel“ – konkret aus und wie können Sie den Senioren helfen? 

Elmar Wepper: Michaela May und ich sind die Schirmherren der Aktion „Telefon-Engel“, die mittlerweile deutschlandweit greift, die dazugehörige Hotline (089 189 100 26) ist sieben Tage die Woche von 8:00 bis 22:00 Uhr erreichbar. Wir selbst sind einmal wöchentlich für eine Stunde aktiv, nehmen Anrufe entgegen, sprechen mit den Menschen, hören zu, nehmen Kontaktdaten auf und vermitteln die Anrufer an einen passenden Telefon-Paten, der dann für die Person Ansprechpartner ist. Idealerweise sollten Paten und hilfesuchende Senioren nicht allzu weit voneinander entfernt leben. Denn über die (seelsorgerischen) Telefongespräche hinaus, können so auch persönliche Treffen stattfinden, es kann – bei Bedarf – direkte Hilfe vor Ort geleistet werden. Und manchmal erwachsen daraus sogar Freundschaften. 

Wie wird das Angebot von den älteren Menschen angenommen? 

Elmar Wepper: Es gibt schon eine gewisse Hemmschwelle. Viele ältere Menschen sind doch eher vorsichtig und haben nicht den Mut, die Hotline anzurufen, da sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Doch wenn es zu einem Telefonat kommt, dann sind diese Gespräche durchweg sehr schön. In den Unterhaltungen kristallisiert sich oft die Freude darüber heraus, einen „eigenen“ Paten vermittelt zu bekommen, mit dem man sich austauschen und seine Sorgen, Nöte und Gedanken teilen kann. 

Aus Ihrer Erfahrung heraus: Was sind die wichtigsten Themen oder auch Ängste, die die älteren Menschen plagen?

Elmar Wepper: Oft ist es die Angst, Abschottung zu erleben und Vereinsamung zu erfahren. Und Vereinsamung kann durchaus schnell einsetzen, zum Beispiel wenn man in einem Altenheim untergebracht ist und keinen passenden Kontakt findet oder nicht die Person ist, die von sich aus Kontakt sucht. In dem Fall kann eine solche Atmosphäre auch mal mehr als Druck, denn als Wohlsein empfunden werden. Ich habe das selbst bei meinem Schwiegervater erfahren, der in einem Pflegeheim für betreutes Wohnen lebte und viele andere Menschen um sich hatte. Doch viele Menschen um sich zu haben, heißt nicht, dass man sich nicht einsam fühlen kann. Für einen guten Kontakt muss es auch zwischenmenschlich passen. Denn der Bedarf sich auszutauschen und miteinander reden zu können, ist generell sehr groß.

Gibt es eine Erfahrung, die Sie gemacht haben, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Elmar Wepper: Da fällt mir eine Dame ein, die ich am Apparat hatte. Und das was ihr am Herzen lag, knüpft an eben Gesagtes an. Sie erzählte mir, dass sie wahnsinnig gerne einen jungen Menschen als Telefon-Engel hätte. Sie selbst 75, wohne in einer Gegend mit vielen anderen älteren Menschen. Umso mehr wünsche sie sich eine Person um die 25 Jahre, mit der sie sich dann über die Welt unterhalten könne. Seniorin sei sie selbst, sie wolle auch andere Perspektiven erfahren.

Berührend und besonders schön sind immer die Gespräche, in denen man spürt, dass sie dem anderen guttun.

Wie wird sich unsere Gesellschaft durch Corona verändern 

Elmar Wepper: Die Gesellschaft wird sich verändern müssen, denn das tut sie ja schon – wohl oder übel. Die Optimisten gehen davon aus, dass die Menschen lernfähiger, nachdenklicher und achtsamer werden. Doch das wage ich zu bezweifeln. Es wird sicher Nachwirkungen geben – auch positive. Ich glaube aber, dass die Trägheiten und Bequemlichkeiten, die unser Leben bestimmen und aufgrund derer unsere Gesellschaft dorthin gekommen ist, wo wir uns heute befinden, wieder die Oberhand gewinnen werden. Wir werden wieder in den ein oder anderen alten Trott verfallen. Wir sind an viele Dinge gewöhnt. Das wird besonders jetzt deutlich, wo ein bisschen die Tür aufgemacht wird. Es gibt sehr starke Kräfte, die nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem auch durch die Bedürfnisse der Menschen bedingt sind.

Ich habe das Privileg, dass ich in einem Haus mit Garten wohne. Täglich mache ich Spaziergänge mit meinem Hund. Und ich brauche mir keine Sorgen um meinen Job zu machen. Im Grunde lebe ich fast so wie vor Corona, doch fehlen mir meine Freunde sehr. Es fehlen mir die Besuche meines Sohnes und meiner Enkel. Wir telefonieren zwar, doch das kann den persönlichen Kontakt und die fehlende Nähe nicht ersetzen. Man spricht davon, dass es schon wieder besser werden wird und man eben da durchmuss. In diesen Zeiten bewegen wir uns in einem Feld von Allgemeinplätzen. Doch die sozialen Kontakte fehlen enorm. Wir Menschen sind gesellig und brauchen den Kontakt. Es tut uns nicht gut, allein zu sein. Wie sind in der Regel keine geborenen Eremiten, sondern aufeinander ausgerichtet. 

Was wünschen Sie sich selbst für die Zukunft im Alter?

Elmar Wepper: Hier möchte ich zwei Dinge anführen, die meinem Credo entsprechen: Das ist zum einen – klopf auf Holz – die Gesundheit, und das ist zum anderen die Familie. Ich habe eine großartige Frau, einen tollen Sohn, Enkel, eine wunderbare Schwiegertochter, einen Bruder mit dem ich mich über die Jahrzehnte durchgekabbelt habe – uns verbindet eine große Liebe. 

Ich habe Freude an meinen Freundschaften, die mir sehr wichtig sind, die ich über die Jahre gepflegt und für die ich mich auch aktiv engagiert habe.

Wenn das alles so bleibt, das wäre sehr, sehr schön!

Man stellt gerade heutzutage fest, dass man Dinge, die man lange für so wichtig gehalten hat (zum Beispiel die jährlichen Reisen nach Portugal oder ähnliches), plötzlich gar nicht mehr so einen hohen Stellenwert haben. Durch etwas mehr Bescheidenheit lässt sich sehr viel Gutes bewirken.

Herzlichen Dank für das angenehme Gespräch!

Ansprechpartner: Haben Sie Fragen oder möchten Sie mehr über Retla e. V. und die unterschiedlichsten Projekte erfahren, dann steht Ihnen Frau Judith Prem, Vorständin und Initiatorin von Retla e. V., sehr gerne zur Verfügung. Frau Prem freut sich über Ihren Anruf: +49 (0)89 189 100 25.

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